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Zeit und Geschichte

Unpiq: Jens Stoltenberg ist ein ehrenwerter Mann

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergMontag, 09.07.2018

Der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßt, dass Deutschland mehr Geld für Rüstung ausgibt, aber er fordert noch viel mehr.

Jens Stoltenberg ist ein ehrenwerter Mann; wer erinnert sich nicht, wie der norwegische Sozialdemokrat als Ministerpräsident sein geschocktes Land nach den rechtsextremen Anschlägen am 22. Juli 2011 aufrichtete?

Jens Stoltenberg ist ein ehrenwerter Mann, der seinen Vorgänger im Amt des NATO-Generalsekretärs kritisierte als dieser glaubte, den Reformstau der NATO mit Erhöhungen des Etats aufzulösen. Jens Stoltenbergs politische Karriere startete als Student mit Protesten gegen den Vietnamkrieg.

Jens Stoltenberg ist ein ehrenwerter Mann, der in sein Amt kam, nachdem Russland 2014 die Krim annektierte und einen Krieg in der Ostukraine schürte. Muss da Deutschland nicht vielleicht doch mehr für die NATO ausgeben?

Schaut man in den Sipri-Bericht über die Rüstungsausgaben, wird deutlich, dass diese global gestiegen sind, aber: In Russland sind sie um 20 Prozent gesunken.

Jens Stoltenberg ist ein ehrenwerter Mann, das zitiert Shakespeare.

Aber vielleicht ist das 12. Bild in Brechts Galilei-Stück geeigneter. Papst Urban VIII. (vormals Kardinal Barberini) wird angekleidet. Der neue Papst ist inspiriert von den neuen Ideen, aber der Inquisitor agitiert ihn, gegen Galilei vorzugehen, da es für die Kirche besser sei. In vollem Ornat stimmt er widerstrebend zu.

Jens Stoltenberg steht für ein wichtiges Bündnis der bipolaren Welt des Kalten Krieges, das aber bislang keine gute Rolle in der sich herausbildenden multipolaren Welt fand. In dieser kam es zu den ersten Kriegen der NATO, deren Bilanz katastrophal ist. Das Stichwort Afghanistan genügt.

Jens Stoltenberg ist ein ehrenwerter Mann, aber seine Forderung, Deutschland solle mit 85 Milliarden Euro deutlich mehr fürs Militär als Russland ausgeben, ist abzulehnen.

Hier gilt, was der mit Norwegen eng verbundene Willy Brandt einst sagte:

Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts.

Unpiq: Jens Stoltenberg ist ein ehrenwerter Mann

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Kommentare 4
  1. Uwe Protsch
    Uwe Protsch · vor mehr als 5 Jahre

    Deutschland hat sich verpflichtet, 2 Prozent vom BIP für das Militär auszugeben. Ob das seinerzeit klug war, steht auf einem anderen Blatt; offensichtlich war die Bundesregierung aber zu feige, sich zu exponieren. Jedenfalls gibt es das Committment, und dann muss man auch dazu stehen. Ich habe auch bislang noch nicht vernommen, dass die Bundesregierung das 2-Prozent-Ziel ablehnt.

    Die NATO ist ein Bündnis. In einem Bündnis muss man sich aufeinander verlassen können, sonst sollte man es bleiben lassen.

    Ich vermisse in Deinen Ausführungen auch einen Vorschlag, wie man denn mit dem aggressiven Putin-Regime umgehen soll. Nur zu schreiben, was man nicht machen soll, ist ziemlich dürftig...

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als 5 Jahre

      Weil ich unterwegs und stark beschäftigt war, antworte ich erst jetzt:

      Eine Vereinbarung, die gefährlich ist, sollte man aufkündigen.

      Auch nach anderen Statistiken als die oben verlinkte gibt die NATO
      https://de.statista.co...
      weitaus mehr für Waffen aus als Russland. Auch bei der Anzahl von Militärstützpunkten und Kriegen liegt die NATO vor Russland.

      Die meisten Kriegsherde übernahm Putin von Jelzin. Was Putin bislang anfing, war ein Angriff auf die Ukraine, die Annexion der Krim und eine militärische Unterstützung von Assad. Schlimm genug, aber die Gefahr eines Angriffes auf ein NATO-Land sehe ich nicht - selbst wenn das immer behauptet wird.

      Bislang beschränkten sich die russischen Angriffe auf den Erhalt und das Offenlassen des Einflussgebietes der Sowjetunion. Dazu zählt auch sein Syrien-Einsatz. Dort gibt es den letzten ausländischen Militärstützpunkt von Russland. Die syrischen Regierungstruppen sind häufig russisch geprägt. Im Generalstab spricht man, da man in der Sowjetunion oder in Russland ausgebildet worden ist, Russisch.

      Die Alternative zur jetzigen gescheiterten Nato-Politik mit verlorenen Kriegen in Afghanistan und anderswo, ist Abrüstung, was nicht heißt, dass man kein Militär braucht.

      Aber die Kritik an den größten Militärausgaben der Weltgeschichte bei minimalen Erfolgen in den letzten beiden Jahrzehnten erscheint mir legitim.

      Schuld für die Nato-Aufrüstung hat vor allem der militärisch-industrieller Komplex, ein Begriff der durch die Abschiedsrede des US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower am 17. Januar 1961 populär wurde. Eisenhower, der selbst Generalstabschef der Armee gewesen war, sah darin folgende Gefahr:

      “In the councils of government, we must guard against the acquisition of unwarranted influence, whether sought or unsought, by the military-industrial complex. The potential for the disastrous rise of misplaced power exists and will persist. We must never let the weight of this combination endanger our liberties or democratic processes. We should take nothing for granted. Only an alert and knowledgeable citizenry can compel the proper meshing of the huge industrial and military machinery of defense with our peaceful methods and goals, so that security and liberty may prosper together.”

      „Wir in den Institutionen der Regierung müssen uns vor unbefugtem Einfluss – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – durch den militärisch-industriellen Komplex schützen. Das Potenzial für die katastrophale Zunahme fehlgeleiteter Kräfte ist vorhanden und wird weiterhin bestehen. Wir dürfen es nie zulassen, dass die Macht dieser Kombination unsere Freiheiten oder unsere demokratischen Prozesse gefährdet. Wir sollten nichts als gegeben hinnehmen. Nur wachsame und informierte Bürger können das angemessene Vernetzen der gigantischen industriellen und militärischen Verteidigungsmaschinerie mit unseren friedlichen Methoden und Zielen erzwingen, so dass Sicherheit und Freiheit zusammen wachsen und gedeihen können."

      Hier könnte, sollte, müsste eine Alternative ansetzen.

    2. Uwe Protsch
      Uwe Protsch · vor mehr als 5 Jahre

      @Achim Engelberg Ich halte Deine Argumentation für bedenklich und manipulativ. Du verknüpfst unterschiedliche Sachverhalte miteinander, die gar nichts miteinander zu tun haben.

      Du schreibst: "Eine Vereinbarung, die gefährlich ist, sollte man aufkündigen." Ich kann eigentlich noch nichts Gefährliches allein darin erkennen, dass man sich auf einen bestimmten Algorithmus zur Finanzierung einer Gemeinschaftsaufgabe einigt. Geld für das Militär auszugeben mag in Deinen Augen bereits gefährlich sein; aber dann agieren bis auf Island, Costa Rica, den Vatikan und einige andere Kleinstaaten alle Länder gefährlich.

      Ich weiß nicht, ob Du Dir vorstellen kannst, was passiert, wenn das reiche Deutschland sich weigert, seinen Anteil an der Gemeinschaftsaufgabe zu schultern, während weitaus ärmere Staaten diese Verpflichtung einhalten. Der Bundesregierung steht es ja frei, eine Änderung der 2%-Regel vorzuschlagen. Aber das tut sie nicht! De facto lebt Deutschland derzeit auf Kosten anderer Staaten; und diese sind sich durchaus dessen bewusst. Deutschlands Verhalten ist unsolidarisch, schmierig und kleinlich; es führt zu einem Ansehensverlust und zu Problemen auf politschem und wirtschaftlichem Gebiet.

      Und was bitte möchtest Du mit dem Satz "Bislang beschränkten sich die russischen Angriffe auf den Erhalt und das Offenlassen des Einflussgebietes der Sowjetunion." zum Ausdruck bringen? Sind völkerrechtswidrige Annektionen wie die Besetzung der Krim gar nicht so schlimm, weil sie ja "nur" auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion stattfinden? Das erinnert mich an einen anderen Staatsmann, für dessen Annektionen (Österreich und Tschechien) man seinerzeit auch viel Verständnis aufbrachte; denn die galten ja "nur" Gebieten, die sowieso als "deutsch" gesehen wurden. Leider haben damals alle Abkommen, Konferenzen und Beschwichtigungen nicht verhindert, dass Deutschland am 1. September 1939 Polen überfiel. Vor diesem Hintergrund ist Deine Aussage "die Gefahr eines Angriffes auf ein NATO-Land sehe ich nicht..." allenfalls als persönliche Einschätzung akzeptabel, aber ganz bestimmt nicht als Richtschnur für Länder, die von russischen Angriffswaffen erreicht werden können.

      Ich muss ja wohl nicht ausführen, mit welchen Mitteln Putin seit Jahren versucht, die öffentliche Meinung in Europa und den USA zu manipulieren und Wahlen zu beeinflussen, von Hackerangriffen wie im Baltikum mal abgesehen. So verhält sich jedenfalls kein Staat, von dem keine Gefahr ausgeht.

      Die Erwähnung des bekannten Eisenhower-Zitats (Kennedy hat sich ja ganz ähnlich geäußert) ist in diesem Zusammenhang fehl am Platze. Der Kampf gegen den (übrigens auch in Russland agierenden) militärisch-industriellen Komplex ist eine politische Aufgabe, die militärische Verteidigung eine andere. Eben das wollte Eisenhower ja: den Einfluss des MIK auf die Politik verhindern. Wenn Du meinst, dass der MIK für die 2%-Regel verantwortlich ist, um sich seinen Profit zu sichern, dann solltest Du das bitte offen äußern und gerne auch belegen.

      Es ist immer wohlfeil, für Abrüstung zu plädieren; und ich selbst würde natürlich immer verbindliche Gespräche anbieten. Aber solange es nicht zu belastbaren Verträgen kommt, muss ich eben auch auf Aggressionen vorbereitet sein; alles andere wäre leichtsinnig.

    3. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als 5 Jahre

      @Uwe Protsch Nur kurz wenige Anmerkungen, bevor ich verabredet bin:

      Die Angriffe auf die Ukraine verurteilte ich; ich publizierte sogar eine Reportage aus dem Kriegsgebiet.

      Ich kritisiere einen deutschen Rüstungsbeitrag, der bei 2 Prozent größer wäre als der von Russland. Insgesamt hat die NATO das höchste Budget welches es jemals gab.

      Eine Spirale eines neuen Wettrüsten droht in einer neu entstehenden multipoloraen Welt (Stichwort: China). Das ist besorgniserregend.

      Dass das Waffengeld vom Steuerzahler kommt und in der NATO zu einem großen Teil in Rüstungskonzerne in Westeuropa und die USA fließt, ist offensichtlich. Wohin denn sonst?

      Ein Vergleich mit der Politik der 1930er erscheint mir wenig hilfreich. Damals hatte Deutschland mit weitem Abstand das größte Rüsstungsbudget. Oder wo erlauben die Angaben von damals mit denen von heute einen sinnvollen Vergleich?

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