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Zeit und Geschichte

Keine Revolution ist auch keine Lösung

Achim Engelberg
Dr. phil.
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Achim EngelbergMittwoch, 26.06.2024

Am 27. Juni 2024 hält der Soziologe Klaus Dörre seine Abschieds­vorlesung unter dem Titel "What’s left?" 

Klaus Dörre ist aber nicht nur Akademiker, sondern macht auch Radio unter dem Slogan "Keine Revolution ist auch keine Lösung".

Im Gespräch mit dem Schriftsteller und Politikwissenschaftler Raul Zelik erzählt Klaus Dörre aus seinem Leben, beleuchtet sein Werk und spricht von seinen Plänen. Er beginnt mit Prägungen im Elternhaus, in der Schule und im Studium, wo er einmal nach Italien fuhr:

Wir fuhren mit dem Bus und kamen an einen Ort, an dem über 70 Prozent der Bevölkerung kommunistisch wählten. Außerdem war das Essen unbeschreiblich gut. So hatte ich noch nie gegessen! Italien veränderte mein Weltbild. In Deutschland war man in der postnazistischen Gesellschaft als Linker fast zwangsläufig Außenseiter. In Italien aber erlebte ich plötzlich, dass Linke und sogar Kommunisten Massenunterstützung haben können. Das war für mich eine ganz neue Erfahrung.

Früh erkannte er, dass alte soziale Bewegungen an Kraft und Einfluss verloren. Er untersuchte neue Strömungen im Bereich der Ökologie und der Frauenemanzipation. 

Gleichzeitig veränderte sich das, was wir als Arbeiterklasse bezeichneten. Schon Anfang der 80er Jahre gab es ja mehr Krankenschwestern als Stahlarbeiter.

Aber nicht nur den Blick von unten wählte er, sondern auch die Königsebene und deren Verbindungen:

Schon in meiner Habilitationsschrift hatte ich mich mit der zunehmenden Orientierung von Unternehmen am Shareholder-Value beschäftigt, also der Finanzialisierung des Kapitalismus. Und ich hatte festgestellt, dass diese Entwicklung mit der Ausweitung prekärer Beschäftigung einherging.

Lange schien es unmöglich, dass ein so linker Wissenschaftler in Zeiten der neoliberalen Konterrevolution eine Professur in Deutschland erhält, aber dann geschah es:

Ich bin beispielsweise am Zentrum Digitale Transformation Thüringen beteiligt und leite Projekte zur Automobilität und zum Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft. Das hat mich bis zu einem gewissen Grad unantastbar gemacht. Denn als ich nach Jena kam, war es in der Soziologie kaum möglich, von Kapitalismus zu sprechen. Man verwendete lieber den Begriff der »Moderne«, von dem ich bis heute nicht richtig verstanden habe, was er bedeuten soll. Wer »Kapitalismus« sagte, stand unter Ideologieverdacht.

Bis heute sieht Klaus Dörre zwar die Folgen des kapitalistischen Zwangs zum Wirtschaftswachstums, dass die zentrale Ursache der Klimakatastrophe ist. Dennoch zweifelt er an Schrumpfungsperspektiven wie sie Ulrike Herrmann oder Nico Paech als Lösung sehen:

Aber ich glaube, dass es kein einfaches Zurück gibt. Nico Paech soll mal versuchen, den jungen Leuten klarzumachen, dass sie auf ihr Handy verzichten können. Eher verzichten die aufs Essen.

Längst ist der Kapitalismus - oder genauer: die kapitalistische Produktionsweise - in einen Zustand übergegangen, der oft nicht mehr produktiv und effektiv ist wie es viele neoliberale Ideologen propagieren:

Man muss nur anschauen, was die Gesellschaft leisten muss, um Tesla die Produktion von E-Autos zu ermöglichen. Angefangen vom Bahnhof, der da hingebaut wird, über die Lade-Infrastruktur und so weiter. Würde man das alles den Konzernen in Rechnung stellen, würde es schwierig werden mit der Profitproduktion.

Die Befürworter des Kapitalismus betonen ja immer, ihr System sei sehr effizient bei der Produktion gesellschaftlichen Reichtums. Aber das kann man mittlerweile wirklich nicht mehr behaupten. Der Kapitalismus ist ein System, das, um fortzubestehen, viele Bereiche regelrecht ausplündern muss. Wir können uns den Kapitalismus nicht mehr leisten – das wäre meine These.

Eine neue Gesellschaftsformation wird sich nicht nur mit der alten Klassenachse auseinandersetzen, also dem Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit. Andere Konflikte, die sich aus Rassismus, Geschlechterverhältnissen und um die Beziehung zur Natur ergeben, haben teils weit ältere Ursprünge oder sind auf anderen Ebenen als die Klassenbeziehungen angesiedelt.

Das instrumentelle Verhältnis zur Natur geht zurück auf die neolithische Revolution vor mehreren Jahrtausenden, der Rassismus hängt mit dem Kolonialismus zusammen, der ebenfalls älter ist als zumindest der Industriekapitalismus.

Intersektionalität bedeutet, dass die Spaltung der Gesellschaft in eine kleine Gruppe von Eigentümern an Produktionsmitteln und die große besitzlose Mehrheit verzahnt ist mit anderen Unterdrückungsverhältnissen. Die Konflikte lassen sich dabei nicht aufeinander reduzieren. Es gibt Dimensionen der Geschlechterungleichheit, deren Abschaffung den Männern sehr wehtun würde. Das macht gemeinsames politisches Handeln natürlich schwieriger.

Was aber hat Klaus Dörre nach der "Zwangsvergreisung" als emeritierter Professor vor?

Das Buch zur Landnahme schiebe ich zum Beispiel seit Jahren vor mir her. Und es gibt fünf, sechs Manuskripte, die ich beenden möchte. Klar ist für mich aber auch, dass ich einen Gang zurückschalten muss; gerne auch in Italien.

Wer die Abschiedsvorlesung am Donnerstag, den 27. Juni erleben will, hier kann man das online machen.

Im Herbst erscheint ein neues Buch von Klaus Dörre, sein letztes DIE UTOPIE DES SOZIALISMUS erschien bei Matthes & Seitz und ist auch über yourbook.shop erhältlich

Und noch ein Podcast mit Klaus Dörre, der so angekündigt ist:

Während soziale Ungleichheiten extrem zunehmen, ist die politische Linke so schwach wie nie und schafft es nicht, die Klassengegensätze erfolgreich zu politisieren. Wie lässt sich diese Entwicklung erklären?

Valentin spricht mit Klaus Dörre über den Begriff der demobilisierten Klassengesellschaft, welche strategischen Fragen sich daraus ergeben und wie sich Klima- und Klassenkämpfe zusammendenken lassen.

Keine Revolution ist auch keine Lösung

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