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Kurator'in für: Zeit und Geschichte Flucht und Einwanderung Fundstücke
Studium der Internationalen Entwicklung und Politikwissenschaften in Wien und Münster. Beschäftigt sich mit Sicherheitspolitik und Islamismus, unter anderem bei/mit Internationale Politik und Gesellschaft (IPG), Blätter für deutsche und internationale Politik, Internationale Politik (IP), Middle East Institute Washington, Atlantic Council, Clingendael Institute.
Das Scheitern des 20-jährigen NATO-Einsatzes in Afghanistan ist in seiner Gewaltigkeit kaum greifbar. Ein wenig Abhilfe schafft eine Recherche der Zeit, die ein Archiv interner E-Mails und Protokolle ausgewertet hat.
Zur Erinnerung: Im Februar 2020 einigen die USA unter Trump sich mit den Taliban auf das "Doha Abkommen". Das sieht im Gegenzug für Sicherheitsgarantien der Taliban (= internationalem Terrorismus keine Herberge bieten) einen schrittweisen Truppenabzug der USA bis April 2021 vor. Geplant sind außerdem innerafghanische Friedensverhandlungen. Um die bemüht sich aber niemand.
Im August 2021 übernehmen die Taliban nach kontinulierlichem Vormarsch in den Provinzen schließlich die Kontrolle über Kabul. Die Bundesregierung scheint aus allen Wolken zu fallen. Mehr schlecht als recht wird die Evakuierung deutscher Staatsbürger in die Wege geleitet. Die mehr als 10.000 afghanischen Ortskräfte, die auf der Abschussliste der Taliban stehen, werden überwiegend ignoriert.
Tatsächlich ist das Chaos aber made in Germany. Die Gleichgültigkeit und das Versagen sämtlicher Behörden wird besonders am Ausmaß deutlich, mit dem später versucht wird, das Geschehene zu vertuschen. Dabei hätte es ganz anders kommen können. Die notwendigen Informationen lagen vor.
Der BND kam allerdings zu einer anderen Schlussfolgerung. Am 3. August 2012, als Kabul schon voll mit eingesickerten Taliban-Kämpfern war, prognostizierte der Geheimdienst, eine Machtübernahme der Taliban sei „frühestens in zwei Jahren“ ein wahrscheinliches Szenario.
Das Auswärtige Amt verkennt ebenfalls die Brisanz der Lage. Die deutsche Botschafterin in Washington, Emily Haber, meldet am 6. August 2021 nach Berlin, die USA würden Afghanistan in Kürze verlassen und planten wegen der sich anbahnenden Machtübernahme der Taliban eine rasche Evakuierung. Nichts passiert. Eine Woche später schickt Haber einen weiteren Bericht: Avril Haines, Direktorin der US-Geheimdienste, sei ebenfalls vom Fall Kabuls überzeugt. Endlich reagiert das Auswärtige Amt, der Krisenstab trifft sich - passenderweise - am Freitag den 13.
Amerikaner und Briten haben zu diesem Zeitpunkt bereits Evakuierungen initiiert. Deutschland bleibt untätig. 48 Stunden später fällt Kabul. Emily Haber wird zu diesem Zeitpunkt trotz ihrer wiederholten Warnungen in den Urlaub entlassen. Frühere Warnungen anderer Kollegen werden in internen Emails belächelt („Meine Güte, schreibt der Kollege hier sein Tagebuch?“).
Das Auswärtige Amt versäumt sogar, Reise- und Sicherheitshinweise für Afghanistan zu aktualisieren. Eine dringende Ausreiseaufforderung liegt ab dem 9. August bereits auf dem Tisch, bleibt aber drei Tage lang einfach liegen.
Die Koordinierung mit dem Verteidigungsministerium scheint ebenfalls desaströs. Während Kabul fällt, heißt es in einer internen Mail des Außenministeriums: „Hoffentlich haben die was in der Schublade“. Gleiches gilt für das Kanzleramt. Merkel sieht die Brisanz der Lage bis zum Fall Kabuls nicht.
Es folgt die chaotische Evakuierungsmission der Bundeswehr sowie das Desaster der (mit Kalkül, so legen die Unterlagen nahe) im Stich gelassenen Ortskräfte. Hierfür trägt das Innenministerium maßgeblich Verantwortung.
Von Verantwortung will allerdings niemand etwas wissen. Rasch beginnt eine Vertuschungsaktion. Die wird, wie der gesamte Ablauf, in einem Ausschuss des Deutschen Bundestages untersucht. Im Sommer diesen Jahres werden dort auch Merkel und Seehofer angehört. Bleibt zu hoffen, dass es personelle Konsequenzen gibt. Deutschland rühmt sich international mit seiner Unterstützung für „accountability“, also Rechenschaftspflicht und Verantwortlichkeit von Entscheidungsträgern (anderer Länder). Eine gute Gelegenheit, vor der eigenen Tür zu kehren.
Quelle: Christian Schweppe Bild: Johannes Eisele/... Artikel kostenpflichtig www.zeit.de
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Dieser Fall zeigt beispielhaft die ganze Inkompetenz deutscher politischer/staatlicher Institutionen und Bürokratien. Die Realitätsferne zieht sich durch die ganzen Jahre des Afghanistaneinsatzes. Weltfremdes Weltbild führt zu weltfremden Handeln. Wenn man das hochrechnet auf andere "Fachgebiete" - wofür es gute Gründe gibt - dann kommt weiter einiges auf uns zu.
Wirklich erschreckend. Neben den gefallenen Bundeswehr-Soldaten haben auch Ortskräfte den Einsatz für eine menschlichere Gesellschaft mit dem Leben bezahlt. Die verbliebenen sind in Gefahr, was sich gegen Ende des Artikels so liest:
"Die Deutschen auf der Evakuierungsliste waren stets penibel angeführt, die Ortskräfte nie. Eine BND-Analyse vom März 2021 hält fest: Die Ortskräfte sind ‚grundsätzlich‘ bedroht. In der Tat: Für die Taliban waren sie stets Ziele wie die Bundeswehr selbst - nur leichter zu treffen.“
Der Artikel beleuchtet dabei auch die Rolle des zuständigen Innenministeriums als Verhinderer einer großzügigen Aufnahme der Ortskräfte, aus wahltaktischen Erwägungen Horst Seehofers.
***
Gestern las ich einen längeren Artikel im SZ Magazin vom August 2023, "Das Versprechen“, bei dem es um die GIZ und ihre Ortskräfte ging.
Die GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit - koordinierte im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die finanzielle Unterstützung Afghanistans und führte Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit durch. Dazu gehörte auch das Police Cooperation Project (PCP) mit dem afghanischen Innenministerium, finanziert vom Auswärtigen Amt. Einheimische Polizisten wurden ausgebildet - lesen und schreiben lernen, Demokratie verstehen.
Deutschland hatte bereits mehr als 30 000 Menschen einreisen lassen. Darunter waren neben ehemaligen Mitarbeitern von Bundeswehr und BMZ auch Menschenrechtler, Journalisten, Frauenrechtsaktivistinnen, Menschen aus Justiz und Verwaltung.
Zitat: s. Fortsetzung ...
Liest sich ein wenig so als hätte es in den Ministerien keine geeigneten Kompetenzen gehabt für ein rasches Handeln das den Versprechen der Vergangenheit angemessen war.
...und es wird wieder viele geben die der AMPEL die Schuld geben werden.