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Kurator'in für: Fundstücke Zeit und Geschichte
Seit der ersten Stunde als Kurator bei Forum dabei: Dirk Liesemer arbeitet als Journalist für Magazine wie mare und G/Geschichte. Er hat Politik, Philosophie und Öffentliches Recht studiert, die Henri-Nannen-Journalistenschule besucht, immer mal wieder in Redaktionen gearbeitet und ehrenamtlich eine Reihe von Recherchereisen mitorganisiert und begleitet. Bisher fünf Bücher, darunter "Café Größenwahn" (2023), ein Ausflug zu den großen Kaffeehausliteraten des Fin de Siècle. Foto: Andreas Unger
Bei Adolf Hitler und Literatur fällt mir zuerst die Bücherverbrennung im Frühsommer 1933 ein – hier eine Liste der damals verbrannten Werke. Dass der Diktator ein begeisterter Sammler von Büchern war, wusste ich bisher nicht. Und ich hätte es mir nicht vorstellen können. Bildung ist nichts, was man mit diesem Menschen in Verbindung bringt. Und fördert Lesen nicht das Verständnis und die Empathie? Klar, es kommt darauf an, was man liest.
Tatsächlich besaß Hitler am Ende seines Lebens nicht weniger als 16.000 Bücher, darunter auch solche, die 1933 verbrannt worden waren, etwa vom jüdischen Kulturjournalisten Max Osborn. Schulabbrecher Hitler soll intensiv in seinen Büchern gelesen haben, wenngleich sicher nicht in allen, zumal er nicht wenige geschenkt bekam. Er strich dieses und jenes an und machte sich Notizen, beispielsweise in dem kriegsverherrlichenden Roman "Feuer und Blut" von Ernst Jünger. Nicht zuletzt wollte er sich mit seinem Werk "Mein Kampf" als belesen präsentieren.
Der anderthalbstündige Film von Jascha Hannover und Claus Bredenbrock erzählt, wie lückenhaft und zufällig er seine Sammlung anlegte, wenngleich eine genaue Einordnung des einstigen Bestands ausbleibt. Auch ein paar mehr Bücher hätten an einer Stelle im Film summarisch erwähnt werden können. Zudem wird – bis auf Jüngers Buch – kein Roman genannt. Der Film verdeutlicht, dass Hitler ideologisch nicht aus dem Nichts kam, sondern sogar einige seiner Behauptungen auf vermeintlich wissenschaftlich solide Theorien stützen konnte. Er war also auch in dieser Hinsicht ein Kind seiner Zeit und eben kein Genie.
Was eine Bibliothek über einen Menschen erzählt und über das Zeitalter, in dem er lebt, darum geht es in dieser essayistischen Dokumentation. Immer wieder werden auch erhellende Blicke auf die heutige Zeit unternommen: Hanau, Utøya, Pittsburgh. Denn die ideologischen Traditionslinien sind unübersehbar: Bücher über Rassentheorien werden bis heute von der Neuen Rechten studiert. Statt von "Rassen" sprechen die Rechtsradikalen jedoch von "Ethnomorphose" und vom "großem Austausch".
Der Film ist auf Arte bis zum 21. Oktober 2023 abrufbar.
Quelle: Jascha Hannover, Claus Bredenbrock Bild: Jascha Hannover, ... www.arte.tv
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