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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Wir müssen bald Abschied nehmen von Mike Davis, einem der großen Soziologen und Historiker der USA. Der 76-jährige Autor von tiefgründigen Analysen und sehr guten Geschichten, etwa in seinem Los-Angeles-Buch "City of Quartz", ist unheilbar an einem metastasierenden Speiseröhrenkrebs erkrankt.
In einem vermächtnisartigem Gespräch kommt noch einmal die Bandbreite seines Wissens und seiner Erfahrungen zur Geltung. Da Mike Davis in "City of Quartz" bereits 1990 die Rassenunruhen 1992 vorhergesagt hat, will Sam Dean von der Los Angeles Times wissen, ob er immer noch ein Katastrophiker ist:
Ja. Aber ich meine katastrophistisch in zweierlei Hinsicht. Die eine ist, in Anlehnung an Walter Benjamin, der Glaube an das plötzliche Auftauchen von Möglichkeiten, Sprünge in eine fast utopische Zukunft zu machen. Aber natürlich auch katastrophistisch im anderen Sinne, im Sinne von, Sie wissen schon, Ereignissen wie Seuchen. Jetzt, in meinen letzten Tagen, sitze ich hier mit Verwunderung und lese die Zeitung: Leute sagen, wir brauchen mehr Kohle, wir brauchen mehr Öl, und das ein Jahr, nachdem der Bericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für den Klimawandel deutlich gemacht hat, dass wir ohne Frage in eine Welt mit mindestens 3 Grad Celsius mehr eintreten werden. Das ist fast unvorstellbar. Und ich habe versucht, darüber zu schreiben und die Menschen davon zu überzeugen, dass dies ein bereits vorweggenommener Völkermord ist. Eine große Minderheit, die ärmsten Menschen auf dem Planeten, sind in gewisser Weise dem Untergang geweiht.
Mike Davis ist in seinen letzten Tagen nicht altersmilde geworden, sondern bleibt wütend über die Verhältnisse in den USA:
Wie kommt es, dass die Rechte, die extreme Rechte, die Straßen beherrscht und nicht die Linke? ... Es gibt Millionen von Menschen wie [meinen 18-jährigen Sohn], aber wer sagt ihm, wo er kämpfen oder was er tun soll? Wer lädt ihn zu einem Treffen ein? Alles, was sie stattdessen bekommen, und was ich jeden Tag bekomme, sind zehn Aufforderungen von Demokraten, ihre Kandidaten zu unterstützen. Ich stimme für diese Kandidaten. Ich denke, man sollte sie unterstützen, aber die Bewegung ist wichtiger. Und wir haben vergessen, wie wichtig disziplinierter, aggressiver, aber gewaltfreier ziviler Ungehorsam ist. Nehmen Sie den Klimawandel. Wir sollten jeden Tag in der Woche vor den Hauptquartieren der Ölkonzerne sitzen. Man könnte leicht eine landesweite Kampagne auf die Beine stellen. Es gibt tonnenweise Leute, die bereit sind, sich verhaften zu lassen. Niemand organisiert das.
Blenden wir zurück auf einen älteren Text von Mike Davis, einen abgeschlossenen Artikel, der ein Auszug aus der deutschen Übersetzung seines Buchs Die Geburt der Dritten Welt darstellt.
Über die "große Zeit" der europäischen Imperien am Ende des 19. Jahrhunderts, die mit der Aufteilung Afrikas verbunden war, weiß er zu berichten:
Verheerende Malaria-, Pest-, Ruhr-, Pocken- und Choleraepidemien rafften Millionen von Menschen dahin, die bereits vom Hunger geschwächt waren. Diese Gelegenheit nutzten europäischen Reiche – zusammen mit Japan und den Vereinigten Staaten –, um neue Kolonien an sich zu reißen, Gemeindeland zu enteignen und neue Ressourcen an Arbeitskraft für die Plantagenwirtschaft und den Bergbau zu erschließen.
Was aus der Perspektive der Metropolen wie ein Aufleuchten imperialen Ruhms erschien, und zwar letztmals am Ende des 19. Jahrhunderts, war aus asiatischer oder afrikanischer Sicht nur der schreckliche Widerschein eines gigantischen Bestattungsfeuers.
Nur wenige andere Historiker haben das so deutlich erzählt und erklärt. Einer, in dessen Tradition Mike Davis steht ist Karl Polanyi. In seinem Klassiker aus dem Jahr 1944 "The Great Transformation" steht geschrieben:
Die eigentliche Ursache der Hungersnöte in den letzten 50 Jahren war die freie Vermarktung von Getreide in Verbindung mit dem Ausfall der lokalen Einkommen.
In seiner Geschichtschreibung zeigt Mike Davis wie sich diese "Entwicklungslücke" nach der Französischen Revolution auftat.
Die Unterschiede im Lebensstandard zwischen einem französischen Sansculotten und einem Bauern in Dhaka waren relativ unbedeutend im Vergleich zu der Kluft, die beide von ihren jeweiligen herrschenden Klassen trennte.
Am Ende der Regierungszeit der Königin Viktoria war jedoch die Ungleichheit der Nationen so groß wie die Ungleichheit der Klassen.
Die Menschheit war unwiderruflich geteilt.
In diesem kurzen piq zum langen Abschied noch eine gute Nachricht: Von Mike Davis erschien ein letztes Buch "Set the Night on Fire", das wohl bald auch übersetzt wird. Es ist eine enzyklopädische Geschichte von L.A. in den 60er Jahren.
Quelle: Mike Davis, Sam Dean EN www.latimes.com
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