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Zeit und Geschichte

Gestern & Heute: In der Sache Heinar Kipphardt

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergDienstag, 08.03.2022

Am 8. März 1922 kam Heinar Kipphardt, der nun 100 Jahre alt geworden wäre, aber schon 1982 starb, zur Welt. Obwohl er mit meiner aus Schlesien stammenden Familie mütterlicherseits verbunden war, hätte ich hier beinahe nichts empfohlen.

Seine Themen wie die Rolle des Einzelnen zwischen Befehl und Gewissen sind zwar noch aktuell, aber seine Stoffe wirkten noch vor zwei Wochen nicht so brisant und aktuell.

Der Weltstar der 1960er Jahre, der neben Peter Weiss und Rolf Hochhuth der dritte im Bunde der Dokumentardramatiker war, schien Vergangenheit zu sein. Nur in deutschen Landen spielte man noch ab und zu ein Stück, aber auf den großen internationalen Bühnen war er verschwunden.

Die Frage, ob und wie Wissenschaftler sich bei der Herstellung von Massenvernichtungswaffen engagieren sollten, wird behandelt in seinem Welterfolg "In der Sache J. Robert Oppenheimer" und das Hauptstück dieses piqs ist die Fernsehinszenierung aus dem Jahre 1964 des legendären Burgtheaterdirektors Gerhard Klingenberg.

In den 1980er Jahre, die Gefahr eines Atomkriegs war wieder real, erlebte das Stück eine Renaissance, die Kipphardt so kommentierte:

Die Ursachen liegen in dem Mißverhältnis zwischen den weit entwickelten Naturwissenschaften und ihrer Technologie und der Rückständigkeit in den Formen des menschlichen Zusammenlebens, die bisher entwickelt sind, im privaten und im gesellschaftlichen Leben.

Aus dieser Zeit, genau aus dem Jahr 1982, stammt diese Hörspielfassung von In der Sache J. Robert Oppenheimer, die der mdr wieder zugänglich macht.

Der kürzlich verstorbene Schauspieler und DT-Intendant Dieter Mann spricht im Hörspiel eine Rolle, aber liest auch Kipphardt im wundervoll sarkastischen Briefwechsel mit Peter Hacks, den man in Auszügen hier findet.


Darin bemerkt Hacks, dass er Kipphardts Erzählung "Der Hund des Generals" für das beste deutsche Buch zu Weltkrieg Zwo empfindet. Darüber kann man streiten, aber die ungeheure Gewalt, die die Ukraine erleiden muss, wirkt heute so, als ab Kipphardt nicht selbst erlebte Vergangenheit darstellte, sondern Zukunft beschreibt. Sie ist aktuell wie die Tagesnachrichten und in diesem Band kann man sie finden.

Hier ein Beitrag von Helmut Böttiger, der Kipphardt zu seinem 100. im Deutschlandfunkt als radikaldemokratischen Dramatiker vorstellt, der in der DDR arbeitete und wegging und auch in der ehemaligen BRD aneckte.

(Eine kleine Korrektur: Der Vater des Schriftstellers, der mit meinem Großvater im frühen KZ Breslau-Dürgoy inhaftiert war, kam als Sozialdemokrat und Antikommunist ins Lager und verließ es als Kommunist.)

Die Süddeutsche Zeitung bringt einen älteren Text, der Heinar Kipphardt in Bayern verortet, wo er begraben liegt. Hier durchdachte und beschrieb Heinar Kipphardt die Katastrophen seiner Zeit; zuletzt in BRUDER EICHMANN.

Die schweren Gedanken an solche "monströse Figuren" erleichtert dann allerdings der Blick auf die Landschaft mit den Hügeln des Holzlandes und der mäandernden Strogn auf dem vom Kirchturm gewiesenen Weg nach Reichenkirchen. Dort können sich Literatur-Wanderer erst einmal im Gasthaus Pfanzelt stärken. Hier saß auch der "Herr Doktor" und Schriftsteller nicht selten am Stammtisch. Wie es sich gehört in einer bayerischen Ortschaft, sieht man von hier aus auch die Kirche und den Friedhof. Dort wurde Heinar Kipphardt 1982 beerdigt. Es kommt nicht von ungefähr, dass der Schriftsteller ein Grab auf dem Gottesacker bekam, obwohl er der katholischen Kirche alles andere als zugetan war. Der Schriftsteller hatte seinen Nachbarn einfach imponiert.

Gestern & Heute: In der Sache Heinar Kipphardt

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