Der 1942 geborene Michael Haneke ist einer der wichtigsten Filmregisseure. Früh begann er im Theater und Fernsehen; als sein erster Kinofilm DER SIEBENTE KONTINENT lief, war er schon 47 Jahre.

Mittlerweile gewann er fast alle wichtigen Filmpreise von der Goldenen Palme, die er zweimal bekam, bis zum Oscar.

Nun sind bis zum 13. Mai 2024 in der arte Mediathek seine 11 Kinofilme zu sehen - außer der amerikanischen Fassung von FUNNY GAMES.

Sie sind eine Geschichte der Erziehung der Gefühle, die auch zu einer Vergletscherung der Gefühle führen kann.

Unter diesem Titel fasste Haneke seine ersten drei Kinofilme zusammen:

Nach dem schon erwähnten DER SIEBENTE KONTINENT sind es die beiden Meisterwerke BENNYS VIDEO und 71 FRAGMENTE EINER CHRONOLOGIE DES ZUFALLS.

Charakteristisch für Michael Haneke ist, dass er ein deutschsprachiges wie ein französisches Werk hat. Seinen Film CACHÉ - VERSTECKT, herausragend besetzt mit Juliette Binoche und Daniel Auteuil, kann man als Einbruch des Kolonialismus und dessen Folgen in die Welt des Pariser oberen Mittelstand charakterisieren.

Der viel gesehene und häufig ausgezeichnete Film DAS WEISSE BAND - EINE DEUTSCHE KINDERGESCHICHTE (2009), hier im Hauptlink, ist historisch genau wie aktuell.

Selten ist das frühe 20. Jahrhundert auf dem Lande, also das späte Kaiserreich, so genau gefilmt worden und wird es wohl auch nicht mehr jenseits von Computeranimationen. So konnte u. a. die Filmproduktion die Asphaltierung einer Kopfsteinpflasterstraße in Netzow (Mecklenburg-Vorpommern) für den Dreh verschieben.

Kein nostalgischer Kostümfilm, kein papierender Geschichtsfilm entstand, sondern ein Werk von bestürzender Aktualität, da er in einer Vorkriegszeit Ursachen der kommenden Gewalt zeigt. Der Film spielt 1913 am Vorabend des Ersten Weltkriegs, der oft als Urkastrophe des 20. Jahrhundert gesehen wird.

Haneke bemerkte zu seinem "schönen", grausamen und analytischem Meisterwerk:

Ideologie ist eine verabsolutierte Idee. Überall, wo es Unterdrückung, Demütigung, Unglück und Leid gibt, ist der Boden bereitet für jede Art von Ideologie. Deshalb ist ‚Das weiße Band‘ auch nicht als Film über den deutschen Faschismus zu verstehen. Es geht um ein gesellschaftliches Klima, das den Radikalismus ermöglicht.

Haneke wollte nicht, dass DAS WEISSE BAND, trotz des Untertitels, nur als deutsche Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs gesehen wird. Im Stoff von Gestern sah er Gefahren von Heute, die relevanter geworden sind:

Das eigentliche Thema ist, jedenfalls war das meine Absicht, zu zeigen, wie Menschen, die unter Druck stehen, empfänglich werden für Ideologie, das heißt wie sie sich sogar selber eine Ideologie schaffen; wie sie eine Idee verabsolutieren und dann mit Hilfe dieser verabsolutierten Idee diejenigen, die ihnen die Idee gepredigt haben, aber anders leben als die Idee fordert, bestrafen.

Vor oder mit der Ideologisierung brechen die Stützen der Gesellschaft weg:

ein Baron, der keine Souveränität mehr ausstrahlt, ein Arzt, der seine Tochter missbraucht, und ein Pfarrer, der die Seelen seiner Kinder mit protestantischen Dogmen vergiftet.

Wer mehr über Michael Haneke wissen will, für den gibt es den Dokumentarfilm DER HANEKE CODE von Marie-Eve de Grave.