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Zeit und Geschichte

Entmenschlichung als Wurzel aller Grausamkeit? Die Wahrheit könnte noch schlimmer sein.

David Kretz

Studium der Philosophie und Germanistik an der University of Chicago, davor Geistesgeschichte, Literatur und politische Philosophie in Paris, Berlin und Wien.

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David KretzSonntag, 26.11.2017

Von der Sklaverei bis zum Holocaust, von den Unterdrückungen des indischen Klassensystems bis zur Frauenfeindlichkeit im 21. Jahrhundert – was Gewalt und Grausamkeit in allen ihren Formen eint, ist die Objektifizierung und Entmenschlichung des Gegenübers. Wer im Anderen nur Tier oder Gegenstand sieht hat keine Skrupel zu misshandeln. 

So eine gängige These aus der historischen Gewaltforschung. Einige jüngere Studien melden hoch interessante Zweifel an. Ihre Gegenthese: gerade weil wir wissen und implizit anerkennen, dass die Misshandelten Menschen sind, sind Herabwürdigung und Objektifizierung als Mittel der Gewalt so effektiv. 

Die Implikation dabei ist, dass Gewalt oft nicht trotz, sondern wegen ethischer Normen stattfindet. Gerade weil wir jemanden als Menschen anerkennen, sehen wir ihn als frei, gefährlich und verantwortlich, und können mit verteidigender oder bestrafender Gewalt antworten.

Man will einwenden, dass Normen, die solche Gewalt rechtfertigen keine wirklichen, guten Normen sind, dass sie verzerrte und partielle Ethiken darstellen. Wenn man allerdings einige der erwähnten Beispiele bedenkt, scheint es durchaus nicht selbstverständlich, dass universalistische Normen besser abschneiden als "stammesorientierte" Normen. 

The limitations of the dehumanization thesis are hardly good news. There has always been something optimistic about the idea that our worst acts of inhumanity are based on confusion. It suggests that we could make the world better simply by having a clearer grasp of reality ... The truth may be harder to accept: that our best and our worst tendencies arise precisely from seeing others as human.
Entmenschlichung als Wurzel aller Grausamkeit? Die Wahrheit könnte noch schlimmer sein.

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