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Zeit und Geschichte

"Die Selbstbefreiung der Frau" – oder: Die weltreisende Philosophin Ágnes Heller

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
Zum Kurator'innen-Profil
Achim EngelbergMittwoch, 15.05.2019

Am 12. Mai ist Ágnes Heller 90 Jahre alt geworden. Auf piqd ist sie keine Unbekannte, aber die vielen Geburtstagsbeiträge fanden bislang kein Echo.

Wenn sie auf DLF Kultur redet, enthüllt sie quicklebendig ihr Jahrhundertleben und Denken. 

Knapp entging sie der Shoa, eine Philosophie-Vorlesung von Georg Lukács erweckt sie. Nichts verstehend, weiß sie,

dass es das Wichtigste war, was ich je hörte.

Sie wird seine Meisterschülerin und Vertraute.

Sie erhofft 1956 eine Reform des Sozialismus in Ungarn. Nach der Niederschlagung durch sowjetische Truppen erlebt sie eine dunkle Zeit mit Bespitzelungen.

Gescheiterte Revolutionen immer wieder, aber die Selbstbefreiung der Frau gelingt.

Nach Berufsverbot emigriert Heller 1977 nach Australien. 1986 übernimmt sie Hannah Arendts Lehrstuhl in New York.

Wer lieber liest, dem sei dieser Artikel empfohlen.

Im Radio erzählt sie vom Kindheitstraum, Weltreisende zu werden. Elisabeth von Thadden berichtet, dass sie sich per Mail verabreden als Ágnes Heller in ihrer zweiten Stadt New York ist, am Vortag des Treffens in der Budapester Wohnung kommt sie um Mitternacht von einem Seminar aus Amsterdam - und sie diskutieren fünf Stunden.

Ágnes Heller lebt ihren Traum - und ist widerständig geblieben.

Was ist für die Philosophin das hohe Alter, Frau Heller, so sollte das Gespräch beginnen. Mit einer der klassischen "Was-ist-Fragen" also, die Hellers Werk lange bestimmt haben, zuletzt in ihrem Buch Was ist komisch?. Sie wendet ein, diese Was-ist-Fragen seien überholt. Heute sei alles Deutung. Philosophen schüfen nicht mehr aus sich heraus eine eigene Welt, auch Derrida und Foucault, die ihr viel bedeuten, hätten doch nur Texte und Institutionen interpretiert, Wittgenstein sei der Letzte gewesen, der es anders versucht habe, und sie selbst sei in ihren jüngeren Arbeiten über die Komik, die Bibel, Europa, die autobiografische Erinnerung, nun die Tragödie geradezu wider Willen ebenfalls zur Hermeneutin geworden, die denkt, indem sie andere deutet.


"Die Selbstbefreiung der Frau" – oder: Die weltreisende Philosophin Ágnes Heller

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