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Zeit und Geschichte

Die oft vergessenen Seiten der Sklaverei

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
Zum Kurator'innen-Profil
Thomas WahlSonntag, 23.08.2020

Der heute im Westen meist erzählte Teil der Geschichte besagt zu Recht, dass zwischen 1519 und 1867 rund elf Millionen Afrikaner als Sklaven in die Neue Welt verschleppt wurden. Es geht sicher nicht um eine Aufrechnung, aber wissen sollte man schon:

Über 17 Millionen Menschen habe Afrika in den letzten dreizehnhundert Jahren an araboislamische Sklavenhändler verloren, und dabei sei die noch weit größere Zahl derer nicht mitgerechnet, die bei der Versklavung ganzer Dörfer umgebracht wurden.

Klar ist auch, das wäre ohne aktive Beteiligung afrikanischer Herrscher und Stämme nicht möglich gewesen

Als aufstrebende Dritte partizipierten die Europäer vom 17. bis 19. Jahrhundert an einem System, das zuvor jahrhundertlang Afrikaner in Sklavenkarawanen durch die Sahara und auf dem Seeweg in die araboislamischen Welt deportiert hatte.

 Das Schicksal von Daniel Defoes „Robinson Crusoe“ liefert dafür eine interessante Metapher. Der junge, weiße Engländer Robinson Crusoe wird auf einer seiner ersten Seefahrten vor der Küste Nordafrikas von türkischen Korsaren überfallen und versklavt. Nach zweijähriger Gefangenschaft in der marokkanischen Hafenstadt Salé gelingt es ihm mit einem kleinen Segelschiff, zusammen mit dem ebenfalls versklavten afrikanischen Schicksalsgenossen Xury, zu fliehen. Sie werden auf hoher See von einem portugiesischen Schiff aufgenommen. Das bringt sie über den Atlantik nach Brasilien. Robinson verkauft Xury an den portugiesischen Kapitän, lässt sich von ihm aber schriftlich zusichern, dass Xury nach zehn Jahren Dienst, wenn er ein Christ geworden sei, freigelassen wird. Dann wird Robinson Plantagenbesitzer in Brasilien, eines der Hauptabnehmer des transatlantischen Sklavenhandels zählte.
Erst von dort brach er endlich zu jener fatalen Reise auf, die ihn auf seine einsame Insel beförderte. Was aber war deren Zeck? Der Kaufmann Crusoe hatte seine brasilianischen Geschäftsfreunde überredet, unter Umgehung des spanisch-portugiesischen Monopols ein Schiff nach Guinea zu schicken, um dort „Neger in großer Anzahl für die Sklavenarbeit in Brasilien zu kaufen“.

Als aufstrebende Dritte profitierten die Europäer damals an einem System, das schon jahrhundertlang Afrikaner mit Sklavenkarawanen durch die Sahara und auf dem Seeweg in die araboislamischen Welt exportiert hatte. Die Europäer kauften die Sklaven von örtlichen Potentaten. Oder wie es in einem Spiegel-Artikel heißt:

Sklaverei war in vielen afrikanischen Kulturen selbstverständlich - ganze Reiche im Inneren Afrikas profitierten wirtschaftlich stark von der Jagd auf Menschen und vom Handel mit ihnen. Die Europäer bedienten sich vorhandener sozialer Strukturen und Handelswege. Mühsame und gefährliche Raubzüge ins Innere des Kontinents konnten sie sich darum lange ersparen: Man wartete in Posten an der Küste auf die dorthin gelieferte Ware.


Die oft vergessenen Seiten der Sklaverei

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Kommentare 5
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor mehr als 4 Jahre

    Um einen neuentdeckten Service auszuprobieren, hier ein Auszug aus Tidiane N'Diaye Der verschleiert Völkermord. Ist wohl ein Klassiker in diesem Feld ... Wer lesen will, anklicken:

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  2. Dominik Lenné
    Dominik Lenné · vor mehr als 4 Jahre · bearbeitet vor mehr als 4 Jahre

    Interessant. Es weist auf den alten Fehlschluss hin, demzufolge der unterdrückte Mensch ein besserer Mensch sei. Außerdem zeigt es, dass die Welt verdammt komplex ist. Es deutet auch darauf hin, dass ein großes Problem Afrikas, nämlich seine oft korrupten Eliten, nicht nur - wie oft behauptet - eine Folge der durch die Kolonialisierung bewirkten sozialen Zerstörung ist, sondern auch eine lokale Traditionslinie hat.
    Der Artikel ist zwar nicht antimuslimisch, daran schrammt er mit einiger argumentativer Mühe vorbei, aber doch antiarabisch. Was wir uns davon kaufen können, ist fraglich. Eine leichte Erhöhung des Selbstwertgefühls vielleicht. Immerhin haben "wir" doch die Kurve noch gekriegt und die Sklaverei als Institution abgeschafft, im Kontext der Entwicklung des Kapitalismus.
    Folgt daraus etwas Praktisches? Schwer zu sagen. Das Beste wäre noch eine Wachsamkeit in Schwarzafrika gegenüber den üblen eigenen Traditionslinien der schlechten Herrscher. Frei nach K. Marx: die Trennlinie verläuft nicht zwischen den Nationen, sondern zwischen Oben und Unten. Aber das muss man zwischen den Zeilen herauslesen.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 4 Jahre

      Wenn der Artikel der Wahrheit nahe kommt, kann er eigentlich nicht antiarabisch sein. Sollte das Behauptete nicht stimmen, dann müssen wir weiter nach der Wahrheit suchen ......

  3. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor mehr als 4 Jahre

    kann man also Robinsons Geschichte auf der Insel mit "Freitag" als Erweckungsgeschichte lesen? Dass da jemand der Sklavenhandel für normal hielt, erkennt dass der "Schwarze Wilde" ein mensch wie er selbst ist?
    hm.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 4 Jahre

      Auch so kann man es lesen. Es waren ja die "Weißen" aus dem Westen, die das Verbot der Sklaverei erkämpften und dann gewaltsam durchsetzten ....

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