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Zeit und Geschichte

Der Zauberberg des Neoliberalismus

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergMittwoch, 16.02.2022

Der Neoliberalismus ist eine Selbstbezeichnung - das unterscheidet ihn von vielen anderen geistigen Strömungen, die von anderen im nachhinein benannt worden sind.

Theresia Enzensberger, die einige noch hier von Piqd kennen, nähert sich dieser wirkmächtigen Ideologie in Form einer Reportage.

Sie reist dorthin, wo alles begann:

Hier, im ehemaligen «Hôtel du Parc» trafen in der Oster­woche 1947 39 Wirtschafts­wissenschaftler, Journalisten, Historikerinnen und Philosophen zusammen – eine Gruppe bedeutender Köpfe, die auf den weiteren Lauf der Weltgeschichte einen nicht zu unterschätzenden Einfluss haben sollte.

Wenige dachten außerhalb dieses Zirkels wie wirkmächtig der Neoliberalismus einmal werden würde; bald gehörten der Mont Pèlerin Society fünf Regierungs­chefs und etliche Finanz- und Wirtschafts­minister an, ihre Mitglieder berieten und beraten in internationaler Thinktanks die Politik vieler Staaten.

Der sogenannte Wirtschaftsnobelpreis ist anders als die anderen Auszeichnungen nicht von Alfred Nobel gestiftet, was aber meist untergeht. Eigentlich heißt diese von Neoliberalen gestiftete Auszeichnung "Alfred-Nobel-Gedächtnis­preises für Wirtschafts­wissenschaften". Kein Wunder, das bislang acht Mitglieder der Mont Pèlerin Society einen Nobelpreis erhielten.

Diese Verschleiungstaktik ist originär diesem Zirkel, der nur intern Klartext redet. So befand Friedrich Hayek, der den "Wirtschaftsnobelpreis" erhielt:

Die Frage, wie die Macht von Gewerkschaften angemessen eingeschränkt werden kann, sowohl rechtlich als auch tatsächlich, ist eine der wichtigsten Fragen, denen wir unsere Aufmerksamkeit schenken können.

Theresia Enzensberger bringt viele sinnliche Details, die uns die Entstehung des Neoliberalismus plastisch vor Augen führen:

Wie Ola Innset in seinem Buch «Reinventing Liberalism» beschreibt, erinnert sich Dorothy Hahn, die junge Studentin aus dem ausgebombten London, noch heute daran, dass es beim Mittagessen Orangen gab. Sie hatte in ihrem Leben noch keine Orange gegessen und wusste nicht, wie man sie schält. Hayek kam ihr zu Hilfe, was Hahn ungemein peinlich war. Diese Anekdote sagt viel darüber aus, wie sehr die Tage am Mont Pèlerin von den Realitäten der Nachkriegs­zeit geprägt waren.

Heute gehört das ehemalige "Hôtel du Parc" dubiosen Geschäftsleuten, die aber gut dazu passen:

Eine kasachische Oligarchen­familie, die der Geldwäsche bezichtigt wird. Der ehemalige Bürger­meister von Almaty, der sich während der rapiden Privatisierung postsowjetischer Staaten massiv bereichert haben soll. Ein russischer Mobster, der mit Donald Trump Immobilien­geschäfte macht.

Ein Belle-Époque-Hotel, das entkernt wird und als Kopie seiner selbst im Plattform­kapitalismus wieder­aufersteht.

Ihr Fazit, da der Neoliberalismus im Strom der Geschichte sich wandelte:

Eines jedenfalls ist sicher: «An der Macht befindliche Verrückte», wie es bei Keynes heisst, nehmen keine Rücksicht auf die Feinheiten akademischer Differenzierung. Das intellektuelle Erbe ist unkontrollierbar. Selbst die ernsthaften, Zigarre rauchenden Begründer der Mont Pèlerin Society waren dazu nicht in der Lage. Denn die Macht der Ideen liegt ja gerade in ihrer Veränderlichkeit.

Eine Idee ist kein Fixpunkt, sie existiert nicht im luftleeren Raum, sie ist angewiesen auf Auslegung und Interpretation. Und so spiegeln sich die Ideen des Neoliberalismus in allen glänzenden Oberflächen des «Pèlerin Palace».

Für diese ungewöhnliche Darstellung kam Theresia Enzensberger auf die Shortlist des WORTMELDUNGEN-Literaturpreis 2022.

Wer es stärker analytisch haben will, ist im Beitrag HAYEKS BASTARDE. DIE NEOLIBERALEN WURZELN DER RECHTSPOPULISTEN gut aufgehoben, der ebenso in der Reihe in der "Republik" erschien, in der auch Theresia Enzensbergers essayistisch angereicherte Reportage erschien.

Der Wirtschaftswissenschaftler Quinn Slobodian erläutert darin die Verbindungen zwischen Neoliberalen und Rechtsextremen.

Vielmehr stellten sie (die Neoliberalen, A. E.) fast ein Jahrhundert lang Über­legungen an, wie der Staat neu gedacht werden muss, um die Demokratie einzuschränken, ohne sie abzuschaffen, und wie nationale und überstaatliche Institutionen benutzt werden können, um Wettbewerb und Handel zu schützen.

Wenn wir Neoliberalismus als ein Projekt verstehen, den Staat umzubauen, um den Kapitalismus zu retten, dann beginnt sich sein angeblicher Wider­spruch zum Populismus der Rechten aufzulösen.

Der Zauberberg des Neoliberalismus

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