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Zeit und Geschichte

Der Streit um den Genozid

Hauke Friederichs
Journalist und Autor
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Hauke FriederichsFreitag, 03.06.2016

Fast einstimmig hat der Bundestag die Verbrechen gegen die Armenier im Osmanischen Reich als Völkermord eingestuft. Der von der Türkei schon vorher angekündigte Protest kam wie erwartet heftig: Politiker in Ankara und Vertreter der türkischen Gemeinde in Deutschland kritisierten, dass ein Parlament gar nicht bewerten könne, ob ein Völkermord stattgefunden habe. 

Ein merkwürdiges Argument: Abgeordnete beschäftigen sich mit vielen Themen, die sie nicht studiert haben. Und einige Geschichtswissenschaftler gibt es ja durchaus in den Fraktionen. Zudem verfügt das Parlament über einige Expertise, so arbeiten für den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages selbstverständlich Historiker, Juristen und Politologen. 

Sie stellten bereits 2015 fest: "Obwohl es bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts zu Pogromen kam, gilt die Ermordung von armenischen Intellektuellen und Prominenten in Istanbul vor 100 Jahren als Auftakt einer Politik systematischer Vertreibungen, Massentötungen und ethnischer Säuberung, geprägt durch Deportationen und Todesmärsche in Wüsten, durch Internierung und Zwangsarbeit." Wie soll man das nennen, wenn nicht Völkermord?

Und betroffen waren nicht nur die Armenier, auch andere ethnische Minderheiten wurden nach Ansicht der Experten des Bundestages verfolgt: "Bis in die 1920er Jahre hinein wurden auch Angehörige assyrischer, aramäischer, griechischer, chaldäischer und anderer Minderheiten Opfer vergleichbarer Verfolgung und Ermordung durch die jungtürkische Regierung unter Tâlât, Enver und Cemal Pascha. Die Gesamtzahl der Getöteten wird auf bis zu 1,5 Millionen Menschen geschätzt."

Und so überrascht es nicht, dass der Bundestag zur Einschätzung kam, dass die Verfolgung der Armenier ein Völkermord war – es überrascht eher, dass es so lange gedauert hat. Andere Parlamente in Europa haben diese Feststellung schon vor Jahren getroffen. Der Türkei hat das deutsche Parlament übrigens überhaupt keine Schuld an den Verbrechen vor 101 Jahren gegeben – stattdessen aber eine deutsche Mitschuld eingeräumt.

Der Streit um den Genozid

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Kommentare 2
  1. Dirk Liesemer
    Dirk Liesemer · vor mehr als 8 Jahre

    Vor zehn Jahren erkannte das französische Parlament übrigens schon den Völkermord an den Armeniern an. Cem Özdemir kritisierte das damals im "Freitag"; sein Beitrag zeigt auch, wie sich die Debatte und die politischen Verhältnisse in der Türkei verändert haben http://www.oezdemir.de...

    1. Hauke Friederichs
      Hauke Friederichs · vor mehr als 8 Jahre

      Spannender Hinweis, Danke. Ich fand auch den von Dir bereits vor Woche geposteten Briefwechsel zwischen der türkischen Botschaft und GeoEpoche bemerkenswert! Auch darin ging es ja um den Konflikt um die Deutungshoheit über das Thema Völkermord. Nicht nur Politiker, auch Journalisten werden unter Druck gesetzt, wenn es um den Genozid an den Armeniern geht.

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