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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Das deutsche Trauma des Nationalsozialismus verdrängte hier zu Lande oft die Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Regime. Im Frühjahr 1998 erschien dann in deutscher Übersetzung "Das Schwarzbuch des Kommunismus", mit einem ergänzenden Kapitel zur DDR fast tausend Seiten stark. Für viele eine aufklärender Schock, für andere eine Provokation. Das Buch belegte,
dass die kommunistischen Regime rund 100 Millionen Menschen umgebracht haben, während es im Nationalsozialismus etwa 25 Millionen waren.
Der Hauptherausgeber war Stéphane Courtois. Er war in seiner Studentenzeit Anfang der 1970er-Jahre Maoist und agierte später als unabhängiger linker Intellektueller. Nach
dem Untergang der Sowjetunion 1991 in Moskauer Archiven den Verbrechen des Marxismus-Leninismus nachforschte. Abtrünnigen einer extremen Ideologie wie ihm haftet der Ruch an, sie blieben meist radikal, nur in die andere Richtung.
Was man dann gern dazu nutzt, ihre Anliegen und Erkenntnisse zu diffamieren. In Deutschland wurde das Schwarzbuch als besonders provokativ empfunden
galt hierzulande doch seit dem „Historikerstreit“ 1986/87 ein informelles „Vergleichsverbot“ zwischen Nationalsozialismus und Kommunismus, das von Linken in Wissenschaft und Medien mit allen Mitteln verteidigt wurde. Auf gar keinen Fall dürfe die „Singularität des Holocaust“ in Frage gestellt werden, hieß es: ein für Historiker seltsam ahistorisches Argument, weil damit der Mord an rund sechs Millionen europäischen Juden aus den Umständen seiner Zeit herausgelöst wurde.
Aber das Buch listete in der Einleitung kaum zu widerlegende Schätzungen für durch Kommunisten ermordete Menschen auf, die Courtois als „grobe Annäherungen, basierend auf inoffiziellen Quellen“ bezeichnete:
Diese Zahlen wurden in den Detailaufsätze des „Schwarzbuches“ dann durchaus seriös mit Daten und Fakten unterlegt. Wir sollten sie nie vergessen.
Was mich dabei immer wieder irritiert, ist, mit welchem gläubigen Enthusiasmus, viele Linke und gerade linke Intellektuelle damals diese kommunistischen Experimente aktiv unterstützt haben. Experimente, denen sie aus theoretischen Erwägungen anhingen. Die sie aber oft nie selbst erlebt hatten. Wolfgang Ruge, damals ein glühender Kommunist, schildert z.B. seine Ankunft im erträumten Paradies "Sowjetunion" in das er und seine Familie 1933 flüchteten, in seiner Biografie "Gelobtes Land, Meine Jahre in Stalins Sowjetunion" - geschrieben nach der Wende - wie folgt:
Fasziniert starrte ich auf den großen Holzbogen, der den nicht befahrenen Schienenstrang aus der alten in die neue Welt überspannte. Zwar konnte ich die fremdländischen Buchstaben nicht lesen und die Worte nicht verstehen, doch wusste ich, was dort stand: «Proletarier aller Länder, vereinigt euch!» Mich übermannte ein unbeschreibliches Gefühl – wie es ein religiöser Mensch beim Anblick der Jungfrau Maria empfinden mag. So betrat ich meine neue Welt.
Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion wurde er in ein Arbeitslager nach Kasachstan verbannt. Seine Strafe wurde später in „Ewige Verbannung“ umgewandelt. Er durfte den Lagerort per Dekret zeitlebens nicht mehr verlassen. Erst 1956 konnte er nach Stalins Tod in die DDR zurückkehren.
Nachdem er das erlebt hatte, wurde Ruge einer der bekanntesten Historiker der DDR, Spezialgebiet Weimarer Republik und Aufstieg des Faschismus. Ruge wurde Mitglied der SED, Nationalpreisträger und erhielt diverse Auszeichnungen. Er beschrieb, durchaus im Sinne der im sozialistischen Lager verbreiteten, grob eindimensionalen Theorie, den Faschismus als „terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“ als Konsequenz das kapitalistischen Systems. Die Auswüchse des kommunistischen Systems waren in Ruge's Büchern kein Thema, davon erfuhr man offiziell nichts während einer Jugend in der DDR. Und schon gar nichts über mögliche systembedingte Ursachen. Es war halt der böse Stalin. Kein Täter wurde öffentlich je verurteilt. Heute soll das mit Sozialismus alles nichts zu tun gehabt haben.Quelle: Sven Felix Kellerhoff Bild: pa/World History ... www.welt.de
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Nicht das referenzierte Werk, jedoch den Hauptartikel der WELT hätte ich, auch unter Berücksichtigung der Diskussion zu dem ersten Kommentar unten, als Unpick bezeichnet.
Nicolas Werth ist Autor des mehr als 200 Seiten umfassenden ersten Teils „Ein Staat gegen sein Volk. Gewalt, Unterdrückung und Terror in der Sowjetunion“.
In einem taz-Interview (1997, die deutsche Übersetzung war noch nicht erschienen) wendet sich Werth gegen Courtois‘ Vorwort und die darauf folgende politische Instrumentalisierung des Schwarzbuchs in Frankreich.
Er schreibt, ein Vergleich des kommunistischen Terrors „... mit dem Nazismus war nicht Thema des Buchs. ...
Der Vergleich ist sicher legitim. Aber nachdem man ein paar ziemlich banale Dinge über die Ideologie der Ausgrenzung und Führerkulte gesagt hat, muß man anfangen weiterzuarbeiten, wie es auf seriöse Art Historiker wie Jan Kerschow und Moshe Lewin vorgemacht haben. Das läßt sich nicht auf fünf Seiten erklären, wie Courtois das in seinem Vorwort tut.“ https://taz.de/!1370869/
Der deutsche Historiker Gerhard Zwerenz (1925-2015) hat über das Schwarzbuch einen längeren Artikel verfasst. Auf S. 11 nimmt er zu Teil 1 Stellung, und auf S. 10 f. greift er einen entscheidenden Unterschied zwischen Klassenmord und Rassenmord auf. Die von Zwerenz beschriebenen Details legen nah, dass das Thema des kommunistischen Terrors noch viel komplexer ist, als es das Schwarzbuch mit den offengelegten Fakten zu analysieren vermochte. https://www.rosalux.de...
Die Verbrechen von Machthabern egal welcher Ideologie zu vergleichen, ist sicher legitim. Wird doch damit die Missachtung und Auslöschung des Wertvollsten, des Menschenlebens, offengelegt.
Der Gulag war Ideengeber für das KZ, lange Zeit wurde das unterdrückt. Eine bittere Erkenntnis.
Was an dem WELT-Artikel befremdet:
die Singularität des Holocaust in Frage zu stellen, sei „ein für Historiker seltsam ahistorisches Argument, weil damit der Mord an rund sechs Millionen europäischen Juden aus den Umständen seiner Zeit herausgelöst“ werde –
welche Umstände dieser Zeit sollten das sein? Gab es andere Gewaltregime, die aus einer rassistischen Ideologie heraus Massenmorde an Menschen begingen, um eine ganze Ethnie auszurotten? Vergleichbar ist nur die ebenfalls von den Nazis beabsichtigte Vernichtung der Sinti und Roma.
Allerdings hinkt aus meiner Sicht, wenn auch durch Courtois möglicherweise nicht intendiert, der konkrete Vergleich der Opferzahlen.
1) Es werden kommunistische Regime weltweit mit dem faschistischen eines einzelnen Landes verglichen.
2) Kommunisten kamen erstmals vor 100 Jahren an die Macht.
Wie würde ein Vergleich in längerer Geschichte aussehen, unter Einbeziehung der Opfer brutaler kolonialer Unterdrückung etc.?
3) Angriffskriege sind völkerrechtlich geächtet, ihre Auslösung allein gilt jedoch nicht als Kriegsverbrechen. In der Schule lernten wir, dass der von deutschem Boden ausgegangene Zweite Weltkrieg mehr als 50 Millionen Menschenopfer forderte. Aktuelle Schätzungen kommen auf 65 Millionen: https://de.wikipedia.o...
Hierzu die WELT: „Nicht eingerechnet hingegen waren die direkten und indirekten Opfer des deutschen Überfalls auf die UdSSR ab dem 22. Juni 1941, denn auch wenn Stalin seine Generäle die eigenen Rotarmisten rücksichtslos hinschlachten ließ, starben diese Opfer bei internationalen Konflikten. Nach denselben Kriterien hatte Courtois die Opferzahl des nationalsozialistischen Deutschlands geschätzt.“
Eine seltsame Argumentation. Die beschriebene Rücksichtslosigkeit war ein Fakt. Jedoch sind 14 Millionen getötete sowjetische Soldaten – Russen, Ukrainer und anderer Nationen – auch ein Resultat des unerwarteten Blitzkriegs und der anfänglich wirtschaftlichen und militärischen Übermacht Deutschlands. Sie hätte es ohne den Weltkrieg nicht gegeben, gefallen sind sie auch für unsere Freiheit.
Das sollten wir nicht vergessen.