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Studium der Philosophie, Politikwissenschaft und Geschichte in Freiburg und Paris, Promotion in Frankfurt am Main. Er lehrt Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Siegen und lebt als freier Autor und Dozent in München. Radiobeiträge für Bayerischer Rundfunk, Deutschlandfunk und Südwestrundfunk, Artikel unter anderem für Blätter für deutsche und internationale Politik, Der Freitag, Jungle World, Telepolis.
Jüngste Buchveröffentlichungen: Richtig falsch. Es gibt ein richtiges Leben im falschen (2019); Kulturarbeit. Progressive Desillusionierung und professionelle Amateure (2022)
Nach langen Verhandlungen und Warnstreiks in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld kam es letzte Woche zu einem Tarifabschluss für die Metallindustrie. Der Abschluss regelt nicht nur die Entgelte und Arbeitszeiten für eine gewisse Zeit, er eröffnet auch eine Reihe von Spekulationen und Deutungskonflikten. Der Kommentar der "Süddeutschen Zeitung" schreibt daher zurecht: "Tarifrunden haben eine Eigenart: Das Ergebnis muss hinreichend kompliziert sein. Komplexität eröffnet einen Deutungsspielraum, den Arbeitgeber wie Gewerkschafter für sich nutzen können."
Die Deutung, für die sich der Kommentar dann entscheidet, schreibt dem Abschluss eine positive Modellfunktion für die Zukunft zu: den Weg zu einem Einstieg in die 4-Tage-Woche:
Schon beim vorangegangenen Abschluss 2018 haben die Tarifparteien vereinbart, Mitarbeiter wählen zu lassen zwischen einer Sonderzahlung und zusätzlichen freien Tagen. Das führen sie jetzt mit der Vier-Tage-Woche fort: In Firmen, in denen es schlecht läuft, sollen die Beschäftigten ihre Arbeitszeit reduzieren und einen Teil des Lohnausfalls ausgeglichen bekommen. Das Kalkül: Wenn alle etwas weniger arbeiten, bleiben insgesamt mehr Jobs erhalten.
Der Autor sieht Gewerkschaften und Arbeitgeber also auf einem klugen Weg: Der technologische Strukturwandel auf dem Weg vom Verbrennungs- zum Elektromotor steht beispielhaft für einen sozial-ökologischen Umbau, dessen Kern wohl darin bestehen dürfte, dass Industriearbeit zwar weiterhin enorm produktiv ist, aber immer weniger Arbeit benötigt. Insofern wird mittelfristig an der Reduktion der Normalarbeitszeit und an einer Umverteilung der Produktivitätsgewinne kein Weg vorbeiführen.
Diese Sicht der Dinge ist nicht unplausibel. Andere Publikationen, die nicht gemäßigt linksliberal sind wie die SZ, sondern eher konservativ wie die "Frankfurter Allgemeine", oder links, wie das "Neue Deutschland" oder die "Frankfurter Rundschau", sehen den Abschluss denn auch weit nüchterner. Sie betonen eher, dass die Arbeitgeberseite in der Lohnfrage kaum Zugeständnisse machen musste, und dass dieser Abschluss zwar ein gutes Zeichen darstellt, aber eben nur ein Zeichen, wie schon 2018, und noch keinen wirklichen Paradigmenwechsel mit klarem Zukunftsversprechen. Also nur "Schwach glänzend", wie der Leitartikel der "Frankfurter Rundschau titelt.
Man wird also letztlich sowohl der "Rundschau" in ihrer Skepsis, als auch der "Süddeutschen" in ihrer verhaltenen Euphorie zustimmen müssen, die ja, am Ende des Artikels, ebenfalls den zentralen Schwachpunkt aller bisherigen Tarifabschlüsse überhaupt aller Gewerkschaften in den letzten Jahrzehnten zugibt: dass für die Masse der Beschäftigten eben bisher immer noch bei der eigentlichen Machtfrage kaum Terrain gewonnen wurde. Diese liegt darin, ob uns gesellschaftlich ein Strukturwandel gelingt, der bei reduzierten Arbeitszeiten existenzsichernde Löhne für alle sichert. Dieses einzig wahre politische Projekt ist bisher noch immer am Widerstand ebenso der privaten wie staatlichen und kommunalen Arbeitgeber gescheitert.
Und an diesem Punkt steht die Gesellschaft seit Jahrzehnten am selben Punkt. Es scheint mir evident, dass wir an diesem Punkt nur im Rahmen einer gesellschaftspolitischen Gesamtoffensive weiterkommen. Die Gewerkschaften sind mit ihrer eher defensiven Position und ihrem Zurückschrecken vor massiven, flächendeckenden Streiks nur ein Spiegelbild einer mutlosen Gesellschaft, die rein defensiv Besitzstände verteidigt und verzagt vor der Aufgabe, einen neuen, visionären Gesellschaftsvertrag zu vereinbaren, in dessen Rahmen dann "alle weniger arbeiten, damit alle arbeiten, und besser leben können", wie es der große Sozialökologe und Gewerkschaftsvordenker André Gorz nannte.
Die Vier-Tage-Woche ist somit ein Ausdruck der Krise, sie weist aber auch darüber hinaus. Im Kleinen setzt sie eine Entwicklung fort, die schon vor mehr als hundert Jahren begonnen hat: Die technische Entwicklung schreitet immer weiter voran, der Mensch arbeitet immer kürzer, zumindest in der Industrie. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass man sich die Arbeitszeitverkürzung leisten können muss. Metaller verdienen im Schnitt so viel, dass sie auch mit 34 bezahlten Wochenstunden (vier Tage plus Lohnausgleich) gut hinkommen. Altenpfleger zum Beispiel können davon nur träumen. Sie sind aber gewerkschaftlich auch lange nicht so gut organisiert wie die Metaller.
Quelle: Benedikt Peters Bild: imago images www.sueddeutsche.de
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Das wäre wirklich wichtig. Dabei klingt der Satz "Das Kalkül: Wenn alle etwas weniger arbeiten, bleiben insgesamt mehr Jobs erhalten" schon etwas nach Postwachstumsökonomie.
Vor einem Jahr wurde eine Folge von "mal angenommen" zur 30 Stunden Woche empfohlen, die ich sehr gut finde: https://www.piqd.de/us...
Und mir fiel auch direkt dein piq aus dem August 2020 zum Interview mit dem IG-Metall-Vorsitzenden ein, in dem dieser sich bereits für die 4-Tage-Woche aussprach https://www.piqd.de/vo...
4 Tage Woche, ein längst überfälliger Schritt, der für alle Bereiche einzuführen ist. Nötige Fortschritte müssen in Deutschland aber immer hart erkämpft werden, da damit auch immer Veränderung von Besitzständen verbunden sind.