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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Lässt sich über die Figur des Pöbels also eine den engen Zeitraum der Industriegesellschaft überdauernde Geschichte der unteren Klassen und vor allem ihrer Abwertung schreiben?In der frühen Bundesrepublik erschien der Pöbel als etwas, das der Vergangenheit angehört. War doch mit dem Wechsel von der ständischen zur "ökonomisch-klassenmäßigen Sozialstruktur" das selbstbewusste Proletariat entstanden. Der Begriff des Pöbels wurde ungebräuchlich und bekam wieder die abwertende Bedeutung – etwa als der wirtschaftlich, intellektuell und sozial abgehängte Rest. Aber Zeiten und Bedeutungen ändern sich:
Heute klingt die Rede vom Proletariat, selbst die von der Arbeiterklasse für viele antiquiert, vom Pöbel hingegen ist wieder die Rede.Der Autor Roman Widder taucht zunächst ein in die Geschichte des Begriffs und charakterisiert ihn schon damals als eine Missachtungsformel, die früh im politischen und ökonomischen Kampf benutzt wurde:
Martin Luther etwa schrieb gegen die Bauern: »Der esel will schleg haben || vnd der pöffel will mit gewalt geregiert seyn || das wüßte Gott wol || darumb gab er der oberkayt nicht ainen fuchsschwantz || sonder ein schwert in die hand.«In der Frühen Neuzeit verwendete man daneben oft den präziseren und positiveren Begriff des »gemeinen Mannes« für den dritten Stand der Bürger und Bauern. Der Pöbel, das waren und blieben immer die anderen, nicht anwesenden, die unberechenbaren.
Der Pöbel – das waren hier also die revoltierenden Bauern, unter denen sich allerdings ebenso städtische Handwerker fanden.
Erst die militante Gegenwehr gegen die polizeiliche Macht der Obrigkeit machte den gemeinen Mann in den Augen der Fürsten und Gelehrten zum Pöbel. Mit der Missachtungsformel des Pöbels wurde an den Gehorsam der Untertanen appelliert, an ihre Bereitschaft, in den engen Begrenzungen ihres Stands gottgefällig das eigene Schicksal zu ertragen – ein Appell, der in Krisenzeiten von städtischer Polizei und fürstlichen Armeen unterstützt wurde. Die Militanz des gemeinen Manns wurde durch die militärische und diskursive Disziplinierung des Pöbels beantwortet.Wobei die "Gelehrten" und Dichter der frühen Neuzeit oft bemüht waren, durch die Verunglimpfung des gemeinen Mannes als Pöbel Anerkennung bei den aristokratischen Autoritäten zu finden.
Die Pöbel-Polemik taucht seit der frühen Neuzeit überall dort auf, wo die elitäre Segmentierung der Öffentlichkeit brüchig wird, und auch der sogenannte Populismus ist in diesem Sinn zuallererst das, was die saubere Hierarchisierung und Kontrolle kommunikativer Sphären durchkreuzt und herausfordert.Feedback durch den "Pöbel" (des nicht dem Ideal entsprechenden Volkes) ist dort nicht vorgesehen. Der hatte auch nie eine Möglichkeit, Feedback auf der kommunikativen Ebene mit vergleichbaren Kommunikationsmitteln einzubringen. Was sich vielleicht durch die sozialen Medien jetzt ändert.
der durch seine erfundenen Reportagen über amerikanische Provinzen, albanische Blutrache, jemenitische Gefangene oder deutsche Eltern behinderter Kinder Dutzende Preise gewonnen hat. Wie selten zuvor wurde hier die Geschlossenheit mancher Teile der publizistischen Öffentlichkeit deutlich, das heißt die Abwesenheit von Publikums-Rückkopplungen, das Fehlen von Feedback. Diejenigen, über die geschrieben wird, gehören auf geradezu konstitutive Weise nicht zu den Lesern und Leserinnen – wie sonst hätte der fiktive Charakter jener in die Gattung der Reportage gekleideten Erdichtungen unbemerkt bleiben können?Gute Frage und Zeit, neu über das Volk nachzudenken.
Quelle: Roman Widder www.merkur-zeitschrift.de
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Klar. Pöbel sind immer die anderen. es ist allerdings nicht so dass es ihn gar nicht gebe in seiner negativen Form (der dann die Abwertungsformel zu recht trägt): einerseits der aggressive spontan entstehende Mob und andererseits der dem Populismus komplett anheim fallende Diskriminierende/othering-Machende.
unabhängig davon: ja mir ist auch aufgefallen dass niemand mehr Proletarier sein will. Jeder ist irgendwie Mitte und wenn nicht, Prekariat (ohne Stolz klasse Existenzminimum und teilhabe).