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Volk und Wirtschaft

Nicht Abgehängte, sondern Ängstliche wählen die AfD

Christian Huberts
mächtiger™ Kulturwissenschaftler und Kulturjournalist
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Christian HubertsDienstag, 15.08.2017

Obwohl sich die Wählerschaft der AfD aus allen sozialen Schichten zusammensetzt, herrscht dennoch häufig die Überzeugung vor, es handele sich in erster Linie um die Abgehängten, Arbeitslosen oder relativ Armen, die sich dem Rechtspopulismus der Partei zuwenden. Die Ergebnisse einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung legen jedoch nahe, dass weit weniger die konkrete Lebenssituation ausschlaggebend für die Wahlentscheidung ist und viel mehr die größtenteils subjektive Wahrnehmung von Kontrollverlust und Fremdbestimmung. Begünstigt wird diese – nicht immer rationale – negative Selbstwahrnehmung vom Wegfallen unbefristeter Arbeitsplätze, von den Effekten der Digitalisierung und Automatisierung auf den Arbeitsmarkt sowie von aktuellen weltpolitischen Krisen. In der Studie heißt es dazu:

Es sind also weniger reale Entbehrungen, sondern vor allem eine Kombination aus wahrgenommenem Abstieg in der Vergangenheit und Abstiegsängsten – auch in der Arbeitswelt – in Bezug auf die Zukunft, die dazu führen, dass Menschen AfD wählen oder es grundsätzlich in Erwägung ziehen. Menschen, die AfD wählen oder es in Erwägung zie- hen, befinden sich somit überwiegend nicht in einer finanziell prekären Situation, aber sie fühlen sich vor möglichen Krisen in der Zukunft nicht ausreichend geschützt.

Aus Sicht der Gewerkschaften gilt es nun ganz klar, wieder für langfristige und planbare Arbeitsverhältnisse zu sorgen. Auch der Soziologe Wilhelm Heitmeyer macht mit seinen Studien zur »rohen Bürgerlichkeit« bereits seit Jahren auf das zersetzende Potential von solchen »Anerkennungsdefiziten« in der bürgerlichen Mitte aufmerksam. Finden Menschen mangels subjektivem Sicherheitsgefühl keine Anerkennung mehr in Arbeit und Gesellschaft, wenden sie sich Anerkennungsquellen wie dem Rechtspopulismus zu.

Nicht Abgehängte, sondern Ängstliche wählen die AfD

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Kommentare 2
  1. Frederik Fischer
    Frederik Fischer · vor 7 Jahren

    Ich halte den Arbeitsplatz-Fetisch für ebenso nachvollziehbar wie gefährlich. Wenn unsere Zukunft an Job-Modellen wir vor 30 Jahren hängt, wird es sehr schwer, die Zukunft zu gestalten.
    Gegen die Angst, die hier thematisiert wird, gibt es aber glücklicherweise noch andere Mittel. Konstruktiver Journalismus kann durchaus einen Teil dazu beitragen, dass die Zukunft ihren Schrecken verliert. Dazu passend eine sehr spannende Studie vom Tow Center (werde dazu morgen einen piq verfassen): https://t.co/4cGmSyYcz8

    1. Christian Huberts
      Christian Huberts · vor 7 Jahren

      Spannend, das werde ich mir in jedem Fall anschauen!

      Ich halte es auch für zu kurz gedacht, nur an der Arbeitsplatz-Front nach Lösungen zu suchen. Die ist sicher wichtig, aber es ist ebenso gut dokumentiert, dass sich »Anerkennungsdefizite« und die daraus resultierenden Unsicherheiten und Ängste auch auf vielen anderen Ebenen entwickeln (Stadt/Land, Regional/Global, Alt/Jung etc.). Ich bin da ganz bei Heitmeyer:
      »In unserem Verständnis geht es erstens darum, ob jemand Zugang zu den Funktionssystemen wie z. B. Arbeit hat und dadurch Anerkennung erwerben und genießen kann. Zweitens stellt sich die Frage, ob man als Einzelner oder als Gruppe bei öffentlichen Angelegenheiten eine Stimme hat und wahrgenommen wird, denn dadurch entsteht moralische Anerkennung als Bürger. Drittens geht es um die Anerkennung der individuellen Integrität und die der eigenen Gruppe, um dadurch emotionale Anerkennung und Zugehörigkeit zum Gemeinwesen zu entwickeln. Unsere Untersuchungen zeigen sehr deutlich: Überall, wo es massive Anerkennungsdefizite gibt, kommt es zu Abwendungen oder Rückzügen.«

      Die Vorschläge vom Tow Center – die ich jetzt nur kurz überflogen habe – klingen da sehr zielführend!

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