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Volk und Wirtschaft

Maduro's Linksdiktatur und ein venezolanischer Weg zur Demokratie

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlSamstag, 03.08.2024

Venezuela hat gewählt. Und alles spricht dafür, dass die Wahl vom amtierenden Präsidenten und linken Autokraten Nicolás Maduro gestohlen wurde. Die Gewalt eskaliert. In einem Land, das über die weltgrößten Ölvorkommen verfügt, aber seit Jahrzehnten heruntergewirtschaftet wird. Ein Land, in dem der Durchschnittslohn monatlich 130 Dollar beträgt, mehr als 50 % der Menschen unter dem Existenzminimum leben und fast acht Millionen vor Armut, Korruption und Unterdrückung geflohen sind. Ein Land, in dem gleichzeitig die korrupten Profiteure des Systems in Saus und Braus leben:

Reich geworden sind sie …. im korrupten Umfeld des staatlichen Erdölkonzerns Petróleos de Venezuela (PDVSA). Täglich setzt er Millionen um, obschon Venezuela nur noch einen Bruchteil des Öls fördert, das es vor zwanzig Jahren aus dem Boden geholt hat. Dank Ländern wie Russland und China kann Maduro sein Öl trotz internationaler Sanktionen auf den Markt bringen, wovon auch seine Günstlinge profitieren. Die meisten sind unter vierzig Jahre alt und werden höchstens dann bekannt, wenn ihre Namen im Zusammenhang mit internationalen Geldwäscheskandalen auftauchen. Vor einigen Jahren verprassten sie ihre Millionen noch in Paris, New York oder Monaco. Weil im Zuge der Sanktionen aber auch ihr Bewegungsradius eingeschränkt wurde, haben sie sich zu Hause eine Luxusblase erschaffen.

Sicher, Venezuela war immer eines der korruptesten Länder Lateinamerikas. Wie die NZZ schreibt, waren schon in den 1970er Jahren für jeden Staatsauftrag 10 Prozent Schmiergeld zu zahlen. Hugo Chávez ersetzte dann die öffentlichen Ausschreibungen durch eine vom Militär kontrollierte Auftragsvergabe, die noch undurchschaubarer ist. Chavez, der 1998 seine erste Wahl gewann und dreimal in Folge wiedergewählt wurde, konnte sicher von sich behaupten, demokratisch legitimiert zu sein. Wie damit auch große Teile seiner Bolivarischen Revolution.

Chávez’ Bolivarische Revolution bezog sozialistische und marxistische Ideen ein und nutzte nach der Verstaatlichung der Schlüsselindustrien den Ölreichtum Venezuelas zur Finanzierung seiner Vorstellung vom „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ in der Sozialpolitik sowie einer Klientelpolitik.

Diese Legitimation kann man nach wiederholten Versuchen Maduro's das gewählte Parlament abzusetzen und mehreren Vorwürfen von Wahlfälschungen, von dem nun diktatorisch herrschenden Maduro sicher nun nicht mehr behaupten. Aber was liest man z.B. in vielen deutschen Medien:

"Amtsinhaber Maduro sagt, er habe die Wahl gewonnen, …" (ZDF)

"Der autoritäre Staatschef wittert ein Komplott. Er will die Macht nicht abgeben." (SZ)

Nach teilweise blutigen Protesten und internationalen Appellen hat Venezuelas Präsident Maduro den Obersten Gerichtshof aufgefordert, die Ergebnisse der Präsidentenwahl zu überprüfen. (tagesschau)

Ein Schelm, der dieser Wortwahl Absicht unterstellt. Oder stimmt doch, was WELT vermutet?

Nicolás Maduro wird in zahlreichen Medien als „autokratisch“ bezeichnet. Das ist korrekt. Doch anderes als bei anderen Politikern wie Donald Trump, Jair Bolsonaro oder Javier Milei, die medial als rechtsextrem, rechtspopulistisch oder rechtslibertär definiert werden, fehlt in der Berichterstattung über die drei linksextremen Autokratien und Diktaturen Kuba, Venezuela und Nicaragua meist der kleine, aber entscheidende Zusatz „links“. Das legt die Vermutung nah, dass damit linke Ideologien von Morden, Folter und Vertreibung verbal und medial entkoppelt werden sollen. Also ist Nicolás Maduro in vielen Berichten eben nur „autokratisch“ und nicht „links autokratisch“. 

Wir haben es hier also mit dem Abgesang (hoffentlich) eines linksextremen Experimentes zu tun. Das aber nur nebenbei. Die Frage, die der eigentlich hier empfohlene Artikel aus "Foreign Affairs" stellt, ist eine andere: Gibt es trotz Maduro's Anspruch auf den Wahlsieg immer noch einen Weg zur Demokratie in Venezuela? Die Antworten auf diese Fragen sind natürlich aus dem Blickwinkel einer Zeitschrift formuliert, die sich selbst als politisch neutral sieht, die aber wohl eine US-amerikanische Sichtweise der Dinge bevorzugt.

Offensichtlich hat dieses linksextreme Regime auf unterdrückerische Methoden gesetzt. Mit Betrug und Einschüchterung versucht die Wähler zu regierungskonformen Abstimmungen zu bewegen.  Es gibt unzählige Berichte über Unregelmäßigkeiten in den Wahllokalen. Die nationale Wahlkommission (NEC) steht Maduro nahe und agiert intransparent. Aber so Foreign Affairs auch:

Bislang war Maduro ein gerissener, effektiver und risikoscheuer Autokrat, insbesondere nachdem er die Stärke der Opposition bei den Parlamentswahlen 2015 unterschätzt hatte. Dementsprechend scheint es unwahrscheinlich, dass er dieses Mal eine relativ wettbewerbsfähige Wahl zulassen wollte - wettbewerbsfähig genug, um dem Chavismo, der von Maduros Vorgänger und Mentor Hugo Chávez gegründeten Bewegung, zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert einen echten Wahlsieg zu verschaffen.

Es ist Maduro nicht gelungen, wie in den Präsidentschaftswahlen 2018 die Opposition zu spalten und die Wähler zu demobilisieren. Das liegt einerseits in der Einigkeit der Opposition, andererseits aber auch an dem internationalen Druck.

In den letzten zehn Jahren haben Washington und seine Partner das Maduro-Regime sowohl mit der Peitsche (z. B. Sanktionen) als auch mit Zuckerbrot (z. B. Aufhebung der Sanktionen) zu wettbewerbsfähigen Wahlen gedrängt. Ohne diese anhaltenden Bemühungen der verschiedenen US-Regierungen hätte die venezolanische Opposition die Wahlen 2024 möglicherweise ganz boykottiert, wie sie es in der Vergangenheit getan hat. Auch wenn Maduro seine Niederlage nicht eingesteht, hat eine relativ kompetitive Wahl die Unbeliebtheit Maduros deutlich gemacht. 

Das ist nun für alle sichtbar. Diesen Schwung gilt es jetzt für die Zukunft zu nutzen und den Druck zu erhöhen - so die Zeitung. Wobei sich in der Vergangenheit offensichtlich die amerikanischen Politiker über Parteigrenzen aktiv zu einer solchen langfristigen Politik bekannt haben.

Es ist nicht leicht, in den Vereinigten Staaten eine überparteiliche Politik zu finden. Aber das Vorgehen Washingtons gegenüber Venezuela liefert ein bemerkenswertes Beispiel. Im Jahr 2014 verabschiedete der US-Kongress den Venezuela Defense of Human Rights and Civil Society Act und leitete damit die Sanktionspolitik der Vereinigten Staaten gegenüber Venezuela ein. Im Jahr darauf erließ Präsident Barack Obama eine Durchführungsverordnung zur Ausweitung des Sanktionsregimes. Und Präsident Donald Trump baute auf dieser Strategie auf, indem er versprach, "maximalen Druck" auszuüben und ab 2019 noch weitreichendere Wirtschaftssanktionen gegen Maduros Regierung zu verhängen, mit besonderem Augenmerk auf das staatliche Erdöl- und Erdgasunternehmen Petróleos de Venezuela, S.A. (PDVSA). Im selben Jahr erkannte Trump zusammen mit 59 anderen Staatschefs Juan Guaidó, den Sprecher der venezolanischen Nationalversammlung, als Interimspräsidenten des Landes an. 

Im Anschluss gab es auch eine Reihe von persönlichen Sanktionen und Strafanzeigen gegen Maduro und 14 seiner Mitarbeiter wegen Korruption, Drogenhandel, Drogenterrorismus und anderer Verbrechen.

Dazu kam, dass internationale Organisationen auf die Unterdrückung In Venezuela aufmerksam wurden. Anfang 2019 zeigte der UN-Menschenrechtsrat schwere Menschenrechtsverletzungen auf. 

Zwei Jahre später eröffnete der Internationale Strafgerichtshof eine Untersuchung gegen Venezuela wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Andererseits drängte die Regierung Biden zusammen mit der mexikanischen und der norwegischen Regierung auf Verhandlungen zwischen dem Maduro-Regime und der Opposition. Diese Gespräche führten zu einer Absichtserklärung mit einem Entwurf für die Zulassung fairer Präsidentschaftswahlen. 

Nach einem dreijährigen Boykott der Staats- und Kommunalwahlen, der weithin als Farce angesehen wurde, nahm die Opposition die Wahlpolitik wieder auf. Maduro akzeptierte sogar eine Wahlbeobachtungsmission der Europäischen Union, die zur umfassendsten Diagnose des mangelhaften Wahlsystems des Landes führte.

Als eines von mehreren "Zuckerbroten" lockerte Biden 2022 einige Sanktionen und erteilte Chevron eine Lizenz für die Ölförderung in Venezuela. 

Außerdem ließ die Regierung zwei Neffen von Maduros Frau frei, die wegen Drogenvergehen in einem US-Bundesgefängnis saßen. Für Maduro und seine Verbündeten waren diese Zuckerbrot und Peitsche ein Vorgeschmack auf das, was sie erwartete, wenn sie weiterhin Fortschritte auf dem Weg zu relativ freien Wahlen machten.

Diese und andere Strafverschonungen werden auch als Hinweis an Maduro

gesehen:

Eine relativ freie Wahl zuzulassen, könnte als seine eigene "Komm-aus-dem-Gefängnis-frei"-Karte dienen. Für die Opposition könnte sich der Bau einer goldenen Brücke zur Amnestie für Maduro am Ende als entscheidend erweisen, um seinen Rücktritt sicherzustellen.

Die Opposition ist damit, wie die Wahlen gezeigt haben, jetzt stärker als je zuvor. Insgesamt empfiehlt der Autor Jose Ignacio Hernández weiterhin, den internationalen Druck aufrechtzuerhalten, um die Venezolaner für eine Zukunft nach dem Chavismus zu unterstützen. 

Washington und andere externe Akteure müssen Maduro eine klare Botschaft übermitteln: Ein revanchistisches Regime, das versucht, sich an die Macht zu klammern, obwohl es kein legitimes öffentliches Mandat hat, wird nicht in der Lage sein, die Beziehungen zur Außenwelt zu normalisieren oder die Versprechen einzuhalten, die es privaten Investoren gegeben hat.

Aber es gilt auch, einen "Übergangsrahmen"zu schaffen, der Maduros Kosten für Abgang von der Macht senkt. So hat die Opposition signalisiert, dass sie zu einer Amnestie für Maduro und seine Verbündeten bereit wären, um damit einen geordneten und nachhaltigen Übergang zu gewährleisten.

Maduro's Linksdiktatur und ein venezolanischer Weg zur Demokratie

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Kommentare 4
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor einem Monat

    Ergänzend sei BANKROTTER ERDÖLSOZIALISMUS empfohlen:
    https://www.ipg-journa...
    Sandra Weiss ist sich sicher:
    "Der Erdölsozialismus ist wirtschaftlich und ideologisch bankrott und hat den Rückhalt in der Bevölkerung verloren – Maduro will es nur noch nicht wahrhaben."
    Aber sie gibt zu bedenken:
    "Mittlerweile gibt es in Lateinamerika zahlreiche hybride Regime unterschiedlichster ideologischer Couleur. Und der Rückhalt für die Demokratie schwindet laut dem Institut Latinobarometro von Jahr zu Jahr. Die noch verbleibenden Demokraten können aus der Erfahrung Venezuelas fünf wichtige Lehren über den Umgang mit Populisten lernen."

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Monat

      Diesen Hinweis auf "hybride Regime unterschiedlichster ideologischer Couleur" finde ich interessant. Im Grunde mischen sich zunehmend in den politischen Bewegungen linke und rechte Ideen und Strategien. Was wiederum die Klassifizierung in linke und rechte Schubladen entwertet.

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor einem Monat

      @Thomas Wahl Strategien mischen sich, aber war das nicht häufig so?

      Die Unterteilung in Rechts und Links dagegen ist im letzten Jahrzehnt schärfer geworden. Während der Zeit des verlogenen Dritten Wegs von Schröder und Blair war das unklarer.

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Monat · bearbeitet vor einem Monat

      @Achim Engelberg Ja, das ist wohl so. Strategien, Denkmuster und Argumente wurden immer schon mehr oder weniger gemischt. Letztlich ist ja die Positionierung links oder rechts immer eine Zuschreibung in der politischen Auseinandersetzung. Oft eine Selbstzuschreibung. Die eine, reine Lehre hat es nie gegeben. Wohl aber den Satz "Die Partei hat immer recht". Egal was gerade als reine Lehre gegolten hat. Allerdings scheint sich in problematischen Zeiten das Ausprobieren unterschiedlicher Kombinationen, inklusive der Konkurrenz, zu verschärfen. Parteien, Gruppen und Splittergruppen suchen ihre Klientel. Suchen Lösungen für Probleme.

      Warum der dritte Weg von Blair und Schröder verlogen war, erschließt sich mir nicht. Weil er letztendlich nicht erfolgreich war? Das gilt ja wohl für fast alle stramm linke oder rechte Strömungen. Und auch moderate Ideen haben oft nur ein Stück des Weges Erfolg gehabt.

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