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Volk und Wirtschaft

Ist ein grüner Kapitalismus möglich?

Jürgen Klute
Theologe, Publizist und Politiker
Zum Kurator'innen-Profil
Jürgen KluteMittwoch, 04.08.2021

„Ist ein grüner Kapitalismus möglich?“ Über diese Frage streiten die taz-Finanzexpertin Ulrike Herrmann und der Energieexperte Patrick Graichen vom Thinktank Agora in dem hier empfohlenen Beitrag.

Ulrike Herrmann beantwortet die Frage mit einem Nein, da für sie Kapitalismus auf Wachstum basiert, Wachstum aber einer klimaverträglichen Wirtschaft entgegensteht.

Patrick Graichen setzt dagegen auf die Möglichkeit einer demokratisch-politischen Steuerung des Kapitalismus, die seine klimazerstörenden Dynamiken neutralisiert.

Es ist ein spannendes Streitgespräch zwischen den beiden Expertinnen (Männer sind wie immer mit gemeint). Am Ende bleibt die Frage, ob es einen grünen Kapitalismus geben kann, offen. Das Streitgespräch schärft aber das Bewusstsein für Grenzen und Möglichkeiten, innerhalb des bestehenden Wirtschaftssystems die Klimaerwärmung zu begrenzen. Wobei m. E. nicht aus dem Blick geraten sollte, dass jede wirksame Maßnahme zur Bekämpfung der Klimaerwärmung auch das bestehende Wirtschaftssystem verändert.

Ist ein grüner Kapitalismus möglich?

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Kommentare 12
  1. Uwe Protsch
    Uwe Protsch · vor mehr als 3 Jahre

    Am meisten gelacht habe ich beim Lesen des Satzes "dafür werden der technische Fortschritt und kluge Politik sorgen". Wenn wir darauf vertrauen, dass "kluge Politik" für irgendetwas sorgen wird, dann sind wir schon verloren.

    Aber lustig ist auch der magische Glaube daran, dass (steigende) CO2-Preise alle Probleme lösen würden. Als ob nicht in der Vergangenheit Lobbyisten und als Politiker verkleidete Marionetten der Großindustrie für Rabatte und Gratiszertifikate gesorgt hätten!

    Der Kapitalismus ist zweifellos hoch dynamisch und hat für den Wohlstand der Massen gesorgt. Nur geht das eben auf Kosten des globalen Südens und der Natur. Die Party wird bald zu Ende sein.

  2. Dominik Lenné
    Dominik Lenné · vor mehr als 3 Jahre

    Wichtiges Thema.
    Ich sehe als Problem, dass der Begriff "Wachstum" nicht auseinandergenommen wird. Ökonomisch ist das Sozialprodukt, auf das sich der Begriff bezieht, die Summe des in Geld ausgedrückten Wertempfindens der Menschen. Es enthält zunächst einmal keinerlei Information über Ressourcenverbrauch. Diese Information, dieser Zusammenhang entsteht erst über das praktische Wertempfinden der Menschen: Größere Wohnungen und Autos, weitere Flugreisen werden als wertvoller empfunden.
    "Praktisches Wertempfinden" deshalb, weil wir ja auch ein "theoretisches Wertempfinden" haben, das sich in Sätzen wie: "Mehr Natur wäre besser. Mehr Ruhe wäre besser. Mehr Kultur wäre besser. Mehr Sport wäre besser..." äußert, aber nicht richtig auf die Handlungsebene durchdringt. Es ist nicht ganz zufällig, dass diese Begriffsschöpfung an Kants "praktische Vernunft" erinnert.
    Das praktische Wertempfinden kann sich ändern und ändert sich auch: mehr Bio-Lebensmittel, geringerer Fleischkonsum, mehr Elektroautos, mehr Windstromgeneratoren &c. Es kann sich weiter ändern: mehr Inlandsreisen, weniger, aber sorgfältiger hergestellte und langlebigere Produkte usw. Auch das Bedürfnis nach einer Welt ohne Überflutungen, Waldbrände und Missernten gehört dazu, die sich in Wertschätzung für Energieeffizienz und Erneuerbare ausdrückt.
    Wenn sich das praktische Wertempfinden ändert, ist ökonomisches Wachstum ohne Wachstum an Ressourcenverbrauch möglich; wie gesagt ist das Sozialprodukt ja nur eine Geldsumme, die per se nichts über die Energie- und Materialströme aussagt, die ihr zugrunde liegen.
    Eine interessante Frage ist, ob unser praktisches Wertempfinden durch eine Art genetische feste Verdrahtung in unseren Hirnen an höheren Ressourcenverbrauch gekoppelt ist. Dafür spricht Vieles. Nicht nur das Klischee vom Mann, der ein dickes Auto "braucht". Bequemlichkeit und eigener Raum um uns sind einfach angenehm. Macht über Energie- und Materialströme wird wohl evolutionär verankert in unserem System durch angenehme Gefühle belohnt.
    Wenn das so ist, dann ist Ressourcenschonung so ähnlich wie auf Süßigkeiten zu verzichten: es macht nicht so viel Spaß, bewahrt aber die Zähne vor der völligen Zerrüttung.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      Genau. Dazu kommt, das eine demokratische Gesellschaft entscheiden muß, worauf sie verzichten will und kann. Bei aller Reduktion muß ja die Gesellschaft resilient bleiben oder werden, das Vorsorgeprinzip sollte eingehalten und die Menschenrechte gewahrt bleiben.

      Übrigens, auch der Begriff "Kapitalismus" wird nur auf einer oberflächlichen Vorurteilsebene gebraucht.

    2. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor mehr als 3 Jahre

      Hm, ich stolpere über die genetische "feste" Verdrahtung, die an einen höheren Ressourcenverbrauch gekoppelt ist. Denken wir an die Zeit vor der Erfindung der Landwirtschaft, erscheint mir das nicht so passend. Je mehr Ballast man damals zu tragen hatte, desto mühsamer war das Wandern. Vorräte wurden kaum angelegt, stattdessen ging es darum, genügend Kalorien für heute und die ganz nahe Zukunft zu sammeln - und zwar für alle Gruppenmitglieder. Das war meist in 3 Stunden/Tag erledigt, wie Experten wissen. Wäre der Wachstumsdrang genetisch, hätten die Menschen damals doch sicher mehr gesammelt und gejagt, oder nicht? Oder geht es hier um zweierlei: Wachstum und Besitz?

    3. Dominik Lenné
      Dominik Lenné · vor mehr als 3 Jahre

      @Gabriele Feile Guter Punkt. Habe keine erschöpfende Antwort darauf.

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Gabriele Feile Ich denke, man kann diese Gesellschaftsstadien nicht vergleichen. Im übrigen ist in dieser Frühzeit die Population wohl langsam aber stetig gewachsen. Bis es nicht mehr möglich war in so kurzer Zeit die Lebensmittel zu generieren. Die natürlichen Ressourcen waren erschöpft - durch Wachstum. Und wahrscheinlich galt diese Kurze Zeit für den Erwerb auch nicht in allen Klimazonen.

    5. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Das heißt, der Drang nach Wachstum ist evolutionär bedingt, nicht genetisch. Und: Die Ressourcen wurden damals auch knapp, das war ja mit ein Grund für die "Erfindung" der Landwirtschaft - übrigens durch die Frauen. Fluch und Segen zugleich.

    6. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      @Gabriele Feile Andererseits hat es ja auch Völker gegeben, die über tausende Jahre kaum gewachsen sind. Andere sind sehr schnell an die Grenzen ihrer Habitate gekommen - die Osterinseln z.B.
      Das ist ja eines der Beispiele, die Jared M. Diamond in seinem Buch „Kollaps: Warum Gesellschaften überleben oder untergehen“ bringt.
      https://de.wikipedia.o...
      Lesenswert - es zeigt, warum es zu Wachstum und/oder Kollaps kommt hängt von vielen Faktoren, Variablen und auch Zufällen ab.

      Heute haben wir auch durch Wissenschaft und Technik mehr Freiheitsgrade für Wachstum. Es wäre eigentlich genug Energie da u.a. mit Kernkraft geschlossene Stoffkreisläufe etc. zu realisieren. Und so den Verbrauch materieller Ressourcen drastisch zurückzufahren. Auch das Wachstum der Bevölkerung läßt sich beschränken. Die Erdbevölkerung wird schrumpfen, sollte schrumpfen. Auch das würde wachsenden „Naturverbrauch“ begrenzen. Aber sicher nicht in den nächsten zehn Jahren.

  3. Der Barde Ralph
    Der Barde Ralph · vor mehr als 3 Jahre

    Ein sehr spannendes, informatives und sachlich geführtes Gespräch

  4. Sebastian Gallehr
    Sebastian Gallehr · vor mehr als 3 Jahre

    Ich würde mich über eine Trennung der Begriffe Kapitalismus und Marktwirtschaft freuen. Grüne beziehungsweise nachhaltige und wachstumsorientierte Marktwirtschaft halte ich für zielführend, wenn der Wachstumsbegriff anders gesetzt wird. Zum Beispiel durch Wachstum ist gleich Stärkung der Lebensgrundlagen. Dr. Daniel Dahm hat dazu in seinem Buch Benchmark Nachhaltigkeit sehr interessant ausgeführt. (https://www.transcript...)
    Kapitalismus bedient immer das Dogma der Kumulation von Kapital. Und das ist mit Nachhaltigkeit oder Grün nicht kompatibel.

    1. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 3 Jahre

      ich möchte das nur unterschreiben - genau diese Unterscheidung ist absolut relevant.

  5. Leon Leuser
    Leon Leuser · vor mehr als 3 Jahre

    Spannendes Gespräch. Leider aber etwas kurz geraten.

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