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Volk und Wirtschaft

Gut für die Statistik, gut für die Karriere, schlecht für Arbeitslose: Das Geschäft mit MATs

Christian Huberts
mächtiger™ Kulturwissenschaftler und Kulturjournalist
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Christian HubertsMontag, 08.01.2018

Vor mehr als acht Jahren lief die unter anderem für den Grimme-Preis nominierte Dokumentation Die Armutsindustrie in der ARD. Sie zeigte eindrücklich, wie Arbeitslose von den Jobcentern in teilweise bizarre Maßnahmen vermittelt werden (etwa gebrauchte Puzzle auf Vollständigkeit prüfen) und wie private Dienstleister von diesen staatlich subventionierten Arbeitern umfangreich profitieren. Nebenbei ein gutes Mittel, um die Arbeitslosenstatistik zu frisieren, weil die betroffenen ALG-2-Empfänger darin einfach nicht mehr auftauchen. Heute ist die Dokumentation längst depubliziert und man findet sie bestenfalls noch auf YouTube-Kanälen mit einem Hauch von Wutbürger wieder. Verändert hat sich in den letzten Jahren jedoch wenig, wie eine aktuelle Analyse von Hannes Hoffmann und Christian Honey im Tagesspiegel zeigt.

Zu der oft sinnfreien 1-Euro-Job-Armutsindustrie hat sich unlängst eine profitable Fortbildungsindustrie gesellt. Mussten 2013 über 500.000 Arbeitslose an so genannten MATs (Maßnahmen bei einem Träger) teilnehmen, sind es 2016 schon rund 750.000. Die Zahl der erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger blieb in diesem Zeitraum jedoch relativ konstant bei etwa 4,4 Millionen. Also wieder prima für die Statistik und – wie Hoffmann und Honey aufzeigen – ebenso für die Jobcenter-Mitarbeiter. Es hat sich ein Anreizsystem etabliert, bei dem es sich lohnt, möglichst viele Arbeitslose in MATs zu vermitteln – trotz ihrer sehr zweifelhaften Wirkung und wachsender Kosten. Rebellischen Hartz-IV-Empfängern drohen Sanktionen und gewissenhaften Jobcenter-Angestellten entgehen Boni, Beförderungen oder Vertragsverlängerungen.
Über die Jahre ist so ein Milliardengeschäft entstanden. Private Kursanbieter verkaufen Jobcenter-Mitarbeitern mit den Kursen die „Zielerreichung“. Beide Seiten profitieren. Zum Leidwesen von Arbeitslosen und Steuerzahlern.

Gut für die Statistik, gut für die Karriere, schlecht für Arbeitslose: Das Geschäft mit MATs

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Kommentare 2
  1. Frederik Fischer
    Frederik Fischer · vor fast 7 Jahre

    Ich bin überrascht, dass dieses Thema so wenig Widerhall fand. Hier kann man sich endlich mal zurecht empören.

    1. Christian Huberts
      Christian Huberts · vor fast 7 Jahre

      Das mag sehr resigniert und polemisch klingen, aber ich fürchte in der breiten Bevölkerung würde es zu größerer Empörung führen, wenn ALG2-Empfänger NICHT mehr zu (oft sinnlosen und teuren) Maßnahmen gezwungen werden würden. Ich verweise in dem Zusammenhang gerne auf die Heitmeyer-Studien, die bis 2011 eine zunehmende gesellschaftliche Entsolidarisierung gegenüber Menschen, die ökonomisch als wertlos wahrgenommen werden, festgestellt haben. Die Hartz-Reformen haben da tiefe Spuren hinterlassen. Lieber ein bisschen Steuern verschwenden, als dass so ein Parasit auf der faulen Haut liegt! »Rohe Bürgerlichkeit«, wie es bei Heitmeyer heißt.

      Auch im vorliegenden Sondierungspapier von SPD und CDU/CSU finden sich eher Hinweise auf noch mehr finanzielle Förderung von MTUs. Ich sehe leider auch nicht, woher die kritische Masse kommen soll, die diese Politik abwählt. Die Betroffenen kämpfen tagtäglich um Würde und Existenz. Der Rest freut sich einfach, nicht (mehr) dazuzugehören und dass die Statistik stimmt. Für die Parteien sind politisch resignierte ALG2-Empfänger derweil als Wählergruppe problemlos zu vernachlässigen. Am Ende wählen sie dann aus »politischer Notwehr« (Eribon) die AFD.

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