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Volk und Wirtschaft

Die unsichtbare Hand des Plans im digitalen Kapitalismus

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
Zum Kurator'innen-Profil
Thomas WahlDonnerstag, 17.02.2022
Mit der zunehmenden Computerisierung und Vernetzung unserer Gesellschaften und Wirtschaften wird eine Idee wiederbelebt, die man eigentlich für erledigt gehalten hatte – volkswirtschaftliche Planung bzw. Planwirtschaft. So fragt sich die Rosa-Luxemburg-Stiftung:
Gleichzeitig ist zu prüfen, inwieweit bestehende Elemente Solidarischer Ökonomie nicht nur nach innen, in der Organisation ihrer Beziehungen innerhalb des Unternehmens, sondern auch in den Außenbeziehungen ihren solidarischen und alternativen Charakter bewahren können. Sind dies schon "Vorboten" der Planwirtschaft? Muß ein Plan den Markt ersetzen? Was bedeutete der "Marktsozialismus"? Was sind überhaupt "Planung" und "Markt"? Warum sind die Planwirtschaften gescheitert? Wo könnte der Platz eines linken Planungskonzeptes zwischen den eher technokratisch anmutenden Vorstellungen des "Computersozialismus" und den Vorstellungen eines unendlich scheinenden basisdemokratischen Abstimmungsprozesses einer "partizipativen Ökonomie" nach M. Albert zu finden sein? Wie hängen Planung und Wirtschaftsdemokratie zusammen?
Die Idee der grundsätzlichen Planbarkeit von Wirtschaft und Gesellschaft scheint intuitiv als so bestechend, dass sie selbst (oder gerade?) in ihrer simplen Version und trotz der Erfahrungen mit dem Plan im real existierenden Sozialismus viele Menschen weiter fasziniert.

"Soziopolis" hat vor einigen Monaten eine Rezension zu einem Sammelband veröffentlicht, der sich der Diskussion zu diesem Thema widmet – "Die unsichtbare Hand des Plans. Koordination und Kalkül im digitalen Kapitalismus". Sicher geht es nicht einfach um einen Rückgriff auf das klassische Modell einer Planwirtschaft oder genauer auf die Zentralverwaltungswirtschaft, wie sie Walter Euken mal genannt hat, vereinfacht gesagt, eine Wirtschaftsordnung,
in der das gesamte wirtschaftliche Geschehen von einer zentralen Stelle nach politischen und wirtschaftlichen Zielvorstellungen geplant, gelenkt und verwaltet wird. Der Staat bzw. staatliche Planungsbehörden auf allen Planungsebenen bestimmten die gesamte Produktion (d. h., wer welche Güter womit herstellt), die Verteilung (d. h., wer welche Güter wo erhält) und die Preise aller Güter und Dienstleistungen.
Die zentrale Idee ist heute eher die, dass moderne Informations- und Kommunikationstechnologien, globale digitale Netze und Algorithmen eine wesentlich besser funktionierende demokratische, nichtkapitalistische und nachhaltige Form der Wirtschaftsplanung ermöglichen könnten. Jedenfalls im Vergleich mit den planerischen Möglichkeiten des Realsozialismus. Und dass es damit auch gelingt, einen autoritären Zentralismus à la Realsozialismus zu umgehen.

Die Rezension bescheinigt den Autoren, über-optimistische Erwartungen an die emanzipatorischen Potenziale digitaler Technologien vermieden zu haben. 
Der im Buch vertretene Ansatz ist nüchterner: Es will Vergangenheit, Gegenwart und mögliche Zukünfte des Planungskonzepts darstellen und mit offenem Ende diskutieren.

Klar ist auch, dass große Unternehmen selbst Planinstrumente nutzen – sei es zur Finanzplanung, zur Steuerung der Logistik, von Absatz und Produktion. Das Ganze zunehmend digitalisiert über Algorithmen. Sicher ist es richtig, eine gewisse Skepsis gegenüber diesen algorithmischen Systemen zu behalten. Ob es aber die ist, die im Sammelband angesprochen wird, darüber wäre zu diskutieren:

Diejenigen Informationen, die der Markt und mit ihm die Preise liefern, seien, anders als Mises und Hayek behauptet hatten, nicht objektiv, sondern würden eine Umgebung schaffen, „in welcher der ‚Profitinstinkt‘ handlungsleitend werden kann“. Die Informationstechnologien, Logistikapparate und Datensammlungen eines Plattformunternehmens wie Amazon stünden daher eher für einen perfektionierten Kapitalismus, wie ihn Hayek nicht für möglich gehalten hatte, anstatt für einen „Cybersozialismus“ nutzbar zu sein.

War doch die Effizienz der kapitalistischen Wirtschaft für Marx die eigentliche Voraussetzung für den Sozialismus. Also die Fähigkeit, mit möglichst geringem Aufwand zu produzieren, schnell und flexibel auf Nachfrage zu reagieren und dabei Überschüsse für weitere Investitionen zu generieren. Um vielleicht einmal zu ermöglichen:
Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!
Das nicht zu beherrschen, ist dem real-existierenden Sozialismus und seinen planenden Akteuren fürchterlich auf die Füße gefallen. Ich meine, ein „Cybersozialismus“, der dem Gewinn skeptisch gegenübersteht, ist sicher wieder nicht überlebensfähig. Insofern stimmt es wahrscheinlich, was Autoren des Bandes konstatieren:
dass es nicht darum gehen könne, ob Wirtschaftsplanung sinnvoll in einer Kombination verschiedener ökonomischer Institutionen zur Anwendung kommen kann oder nicht. Die eigentliche Frage sei vielmehr, welche Form der demokratischen Deliberation man der postkapitalistischen Planung zugrunde lege – was zuallererst eine komplexe politische Problemstellung sei, während technologische Aspekte nachrangig wären.

Also die Frage, was konkret will, soll und kann die Gesellschaft eigentlich planen? Wer sind die Planakteure, mit welchen Befugnissen (Macht?), Rechten und Pflichten. Wie findet man Konsens? Wie wird der Staat in einem „Cybersozialismus“ aussehen, gibt es ihn dann noch?
Denn es ist kaum davon auszugehen, dass sich eine einzige alternative Ökonomie, organisiert nach einem auf allen Ebenen umsetzbaren Prinzip, herausbilden könnte.

So etwa das Problem, dass sich 

Commons als nichtexklusive Eigentumsformen zur kollektiven Verwaltung oder Bewirtschaftung von (natürlichen) Ressourcen ... meist auf die lokale Ebene (beziehen), während die Planungsdebatte häufig gesamtgesellschaftliche Maßstäbe anlegt.

Das eigentlich Interessante wäre also der Übergangsprozess hin zu einer postkapitalistischen Gesellschaft. Und ein solcher Evolutionsprozess ist, genau wie im 20. Jahrhundert, nicht planbar. Es gäbe höchstens empirische Erfahrungen und Analogien aus der damaligen Geschichte. Die m.E. leider zu wenig genutzt werden. Wurden doch viele Fehler schon mal begangen. Es bleibt Versuch und Irrtum, Aushandlungsprozesse ohne Schaum vorm Mund – was gerade Linken oft schwer fällt. Meist scheitert ja eine Idee nicht an ihrer Größe, sondern am Streit über Details bzw. an scheinbaren „Kleinigkeiten". Es bleibt spannend.

Die unsichtbare Hand des Plans im digitalen Kapitalismus

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Kommentare 5
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre

    Hier noch ein interessanter Artikel zum Problem der Planung bei Schumpeter:

    "Der Siegeszug der Aktiengesellschaften wies indessen noch eine andere Facette auf. Im Grosskonzern war es nicht mehr der Einzelunternehmer, der mit seiner Intuition und mit unkonventionellen Ideen die Neuerungen vorantrieb. Für die innovativen Impulse waren jetzt Forschungs- und Entwicklungsabteilungen zuständig. Auf diese Weise wurde der Fortschritt verheissende Innovationsprozess entpersonalisiert und automatisiert und der Routine einer «bürokratisierten industriellen Rieseneinheit» unterstellt.

    Wehmütig konstatierte Schumpeter: «Die frühere Romantik des geschäftlichen Abenteuers schwindet rasch dahin, weil vieles nun genau berechnet werden kann, was in alten Zeiten durch geniale Erleuchtung erfasst werden musste.»

    Das war nun der Punkt, an dem nach der Ansicht von Schumpeter die Entwicklung zwangsläufig Richtung Sozialismus verlaufen musste. War die Funktion des Kapitalisten entbehrlich, war auch der Kapitalismus überflüssig. Und was eine bürokratisierte industrielle Rieseneinheit zustande brachte, konnte eine zentrale Industrieverwaltung mindestens so gut, wenn nicht besser leisten.

    Die sozialistische Planwirtschaft, argumentierte Schumpeter, sei dem Kapitalismus überlegen, da sich der Grundplan «auf einer höheren Stufe der Rationalität» bewege. Die Behörde habe den Vorteil, ihre Entscheidungen nicht in Unsicherheit treffen zu müssen. Und tatsächlich: Wenn sich, wie in einem Grosskonzern, die gesamte Volkswirtschaft zentral leiten liesse, sollten sich die Ungewissheiten und Risiken, die mit der Marktwirtschaft verbunden sind, ausmerzen lassen. Die Behörde werde in Zukunft die Funktion des Marktes übernehmen und die Preise der Konsumgüter festlegen, meinte Schumpeter. Dank dem Plan sollte es auch gelingen, Konjunkturzyklen zu überwinden und das Problem der Arbeitslosigkeit ein für alle Mal zu lösen."

    https://www.nzz.ch/wir...

  2. Leopold Ploner
    Leopold Ploner · vor mehr als 2 Jahre

    Würde mich jetzt interessieren, auf welche empirischen Erfahrungen wir konkret zurückgreifen können, beim Übergangsprozess hin zu einer postkapitalistischen Gesellschaft.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre · bearbeitet vor mehr als 2 Jahre

      Vielleicht mal genau analysieren, im Detail zur Kenntnis nehmen, warum die verschiedenen Versuche den Kapitalismus zu überwinden gescheitert sind? Warum flossen die "Springquellen des Reichtums" nicht wie erwartet nach der Enteignung der Kapitalisten? Warum versiegten die Innovationskräfte so schnell. Warum führte staatliche Planung der Volkswirtschaft immer wieder zu undynamischen Ökonomien?

    2. Uwe Protsch
      Uwe Protsch · vor mehr als 2 Jahre

      @Thomas Wahl Zentrale Planung führt regelmäßig zu Machtkonzentration. Machtkonzentration führt regelmäßig zu Korruption, Angst vor Machtverlust und Unterdrückung abweichender Meinungen. Dies gilt für Staaten, Körperschaften und Unternehmen.

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre

      @Uwe Protsch Genau …..

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