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Ulla Lenze, geb. 1973, lebt und schreibt in Berlin. Sie veröffentlichte die Romane „Schwester und Bruder“ (2003), „Archanu" (2008), „Der kleine Rest des Todes" (2012) und „Die endlose Stadt" (2015). Für ihr Gesamtwerk erhielt sie 2016 den Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft. Sie war Stadtschreiberin in Damaskus, Writer-in-Residence in Istanbul, Mumbai und Venedig.
Ich gebe zu, ich bin ein bisschen spät dran mit Karl Ove Knausgard, dem norwegischen Star-Autor. Mir war mulmig. Nie wurde mir ein Autor so massiv empfohlen – von Freunden, von Schriftstellerkollegen, von Kritikern. Wer ihn nicht gerade verdammte („infantil“, „banal“, „spannungslose Antiliteratur“), der tat so, als sei ihm der Heiland erschienen. Öfter tauchte die Begründung auf, Knausgards autobiografisches Projekt biete die Möglichkeit „sich einem fremden Menschen absolut nah zu fühlen.“ Ich war nicht sicher, ob ich das wollte. Oder, im Umkehrschluss, in Erfahrung bringen, wem sich meine Freunde also nah fühlen. Wenn ich die Lektüre weiterhin vertagte, versuchte man mich über die nie-dagewesene-entwaffnende Wirkung seiner Prosa zu ködern: Dass man über dieses konsequente, keine Peinlichkeit scheuende Erzählen vordringe in subtile Räume des eigenen Ichs, man Verworfenes und Verdrängtes wiederfinde, überhaupt die Wahrnehmungskraft sich steigere.
Man empfahl mir als Einstieg LIEBEN, den zweiten Band seines Romanzyklus. „Da geht es um den Konflikt zwischen Alltag und Kunst, könnte dich interessieren.“ Meine erste Beobachtung war: Wenn man Knausgard liest, liest man nicht nur Knausgard, sondern die eigenen Freunde gleich mit. Die ihn ablehnen, die, die ihn toll finden. Man fragt sich, wer nun Recht hat. Man fragt sich, wie man Knausgard lesen würde, wäre man quasi sein Entdecker. Und ich glaube, genau daran lässt sich die Begrenztheit festmachen. Ich behaupte: Dostojewski, Tolstoi oder Don Delillo würde ich einfach nur lesen, egal, welchen Hype sie gerade hinter sich hätten. Sie wären stärker.
Aber es gibt auch in LIEBEN starke Momente. Es sind Inseln in einem Meer, dessen Wellen einen spielerisch mal hier und mal dorthin werfen. Momente, in denen sich etwas unglaublich verdichtet, man plötzlich Grund unter den Füßen spürt und versteht, dass die vorangegangenen hundert Seiten Langeweile sich doch irgendwie gelohnt haben, weil sie Vorbereitung waren. Ich habe diese Stellen angestrichen, doch isoliert vom Kontext stehe ich wiederum ratlos davor. Sie wirken wie Sätze aus der Therapie (was sagt das nun über mich, dass ich diese Stellen anstrich?) oder pamphlethaft. „Was ist ein Kunstwerk, wenn nicht der Blick eines anderen Menschen? Nicht über und auch nicht unter uns, sondern auf Augenhöhe mit unserem eigenen Blick.“
Ich möchte dem Band LIEBEN nicht nachsagen, er verweigere die Augenhöhe. Dafür ist er zu aufrichtig. Aber er lässt den Teil in mir, der Literatur als Möglichkeit kennt, sich selbst anders zu werden, leer ausgehen. Dafür scheint er, egal ob man Knausgard nun mag oder nicht, zur Selbstbefragung anzuregen. Und man lernt seine Freunde ein bisschen besser kennen.
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Liebe Ulla, hast Du gesehen, was Annett in ihrem Bücherstapel-Text dazu geschrieben hat? "Einen Mann meines Alters dabei zu beobachten, wie er durch Alltag, Niederlagen, Größenwahnsinn, Alkoholräusche hindurch zum Schriftsteller wird. Es gibt für mich nichts Langweiligeres. Mein ganzes erwachsenes Leben waren da Männer neben mir, die nichts anderes wollten als der Held von SterbenLebenTräumen."
Knausgard hat in seiner Rede zum Welt-Literaturpreis etwas gesagt, das mir nicht mehr aus dem Kopf geht. Er sprach darüber, dass die Medien geflohene Menschen durch die Verwendung von Worten wie Strom, Lawine etc. zu einem "it" machen würden, also entmenschlichen. Das war nichts Neues, aber er sagte dann auch noch, dass seine Romane genau den entgegengesetzten Weg einschlagen würden: nämlich vom "it" zum "they" zum "you" zum "I". Und so habe ich noch nie über das politische Potential von Romanen nachgedacht. Mich hat das überzeugt.
Ich habe Knausgard bisher noch nicht gelesen, trotz massiven Empfehlungsdrucks ("du kannst nicht mitreden", "du weißt nicht, was dir entgeht"," gerade du als Schriftsteller, der ständig im Konflikt steht zwischen Leben und Schreiben", etc.) Das Problem ist: In meinem Bücherschrank stehen seit Jahren "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit", "Unterwelt", "Unendlicher Spaß". Der Konflikt besteht zwischen Leben und Lesen.