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Die Wunden der Frauen, die Welt — Leslie Jamisons grandiose ‚Grand Unified Theory of Female Pain'

Tino Hanekamp
Autor

Tino Hanekamp war Journalist und Musikjournalist, hat in Hamburg zwei Musikclubs gegründet (Weltbühne, Uebel & Gefährlich), einen Roman geschrieben (‚So was von da‘) und unlängst ein Buch über Nick Cave ('... über Nick Cave'). Er lebt im Süden Mexikos.

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Tino HanekampFreitag, 21.10.2016

Männer kämpfen, um zu siegen, Frauen leiden und werden Wunden: Mimi in 'La Bohéme‘, Madame Bovary, Stephen Kings ‚Carrie‘, ‚The Girl with the Dragon Tattoo’, die Schmerzsirenen der Neunziger: Björk, Tori Amos, Kate Bush, Ani DiFranco, die Jungfrauen der katholischen Kirche, Britney, Lena und Anna Karenina —

"The pain of women turns them into kittens and rabbits and sunsets and sordid red satin goddesses, pales them and bloodies them and starves them, delivers them to death camps and sends locks of their hair to the stars. Men put them on trains and under them. Violence turns them celestial. Age turns them old. We can’t look away. We can’t stop imagining new ways for them to hurt."

In diesem ausuferndem, im besten Sinne erschöpfenden, in ihrem Buch ‚The Empathy Exams‘ erschienenen Essay, erforscht Leslie Jamison den Schmerz der Frauen, die Kultur- und Sozialgeschichte der weiblichen Wunden. Sie sucht nach einer Form, einer Haltung: Wie zu den eigenen Schmerzen stehen, ohne Scham und Opferrolle? Sie kommt von ihren Narben zu Anna Karenina und Lena Dunhams ‚Girls‘, die sich aus Angst, melodramatisch zu sein, anschreien: „You are the wound! No, you’re the wound!“ Jamison nennt sie die "post-wounded women", die nicht auf ihre Schmerzen reduziert werden wollen und sich retten, indem sie vorgeben, von all dem (dem Leben, der Liebe) nicht berührt zu werden. Jamison, die bewundernswert kraftvolle, literarische und essayistische Reportagen verfasst, wie sonst vielleicht nur noch John Jeremiah Sullivan, schreibt:

„I’m tired of female pain and also tired of people who are tired of it."

Und ohne zu viel vorweg nehmen zu wollen, und überhaupt gibt dieses Textlein hier naturgemäß nur einen Bruchteil dieses wundervoll suchenden und aufrichtigen Essays wieder — hier ihr Fazit:

„The wounded woman gets called a stereotype and sometimes she is. But sometimes she’s just true. I think the possibility of fetishizing pain is no reason to stop representing it. … I want our hearts to be open."

Die Wunden der Frauen, die Welt — Leslie Jamisons grandiose ‚Grand Unified Theory of Female Pain'

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