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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Ein japanischer Professor für Soziologie an der Konan-Universität in Kobe gab einen Kurs, genannt: «Shakai ishiki ron», auf Deutsch: „Lehre des sozialen Bewusstseins“. Bestandteil dieses Kurses von Daisuke Tanozu, kurz Tano genannt, war ein Praxistest im Mitläufertum am Beispiel des Hitlerfaschismus. In dieser Unterrichtseinheit
wählten die Studierenden zuerst aus wenigen Varianten ein Logo für die Gruppe aus. Dann wurde auf einem Sportplatz das Marschieren eingeübt. «Ich habe ihnen Schritt für Schritt gesagt, was sie zu tun haben», erzählt der Lehrer, vor sich ein Bier auf dem Tisch. «Ich musste mir nicht viel Neues ausdenken und konnte einfach den Hitlergruss und die Heil-Parole wiederverwerten.» Kaum einer der an die 2500 Studierenden, die über die Jahre seine Schule der Theorie des Faschismus durchlaufen haben, wusste direkt nach der Übung, dass er gerade die Nazis nachgeahmt hatte. Tano sagt: «Es war für mich beängstigend, wie schnell ich die Masse im Griff hatte.»
Eine Kurs-Teilnehmerin, die selbst in der Gruppe «Heil Tano!» rief, den Arm zum Hitlergruss hob und ein Liebespaar wegen unmoralischen Verhaltens bedrängte und vertrieb, berichtet:
«Ziemlich schnell war man voll drin», so erinnert sich die 23-Jährige. «Wenn alle um dich herum auf jemanden losgehen, dann machst du plötzlich mit und schreist wildfremde Leute an.» Nao Terasawa sagt, indem sie alle Verantwortung an Tano abgegeben habe, habe sie sich frei gefühlt. «In der Stärke der Gruppe ging man quasi unter.»
Solche Szenen hätten (ohne Führergruß natürlich) bis in die 70er Jahre auch in vielen sozialistischen Klassenzimmern so laufen können. In China versucht man es wohl wieder damit, die Partei weiß und befiehlt, was richtig ist. Das heißt auch, Mitläufer wird man schnell. Aber es gibt dennoch immer widerstrebende Individuen und Gruppen, die Anweisungen und Befehle hinterfragen. Vielleicht ist das sogar die interessantere Tatsache - einige machen einfach nicht mit im Mainstream. Was natürlich nicht heißt, dass sie grundsätzlich recht haben. Warum allerdings gerade diese und wie schlägt das um in Bewegungen gegen das Mitläufertum? Und werden deren Mitglieder dann nicht oft auch wieder Mitläufer?
Zunächst sollte Tano auf dem Campus ein Schild aufstellen, um zu zeigen, dass es sich bei der synchron schreienden und marschierenden Masse um eine Übung handelte. Im Jahr 2019, als die Universität offenbar Angst vor negativer Presse bekam, musste der Praxisteil dann ganz begraben werden. Daisuke Tano widerspricht dem Vorwurf, sein Experiment sei unethisch gewesen. «Die Teilnahme war weder verpflichtend, noch handelte es sich um echtes Mobbing. Die zwei Verliebten waren Schauspieler. Danach haben wir alles kritisch diskutiert.»
Vielleicht will eine Gesellschaft, wollen viele Bürger doch nicht in den Spiegel schauen?
Quelle: Felix Lill www.nzz.ch
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