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Medien und Gesellschaft

Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlMontag, 12.06.2023

Ein Studienergebnis geht in Deutschlands Medien viral – mehr als ein Drittel 

der deutschen Männer bis 35 Jahre sollen es akzeptabel finden, wenn im Streit mit der Partnerin gelegentlich Gewalt angewendet werde. Die Ergebnisse sind natürlich «repräsentativ», es lassen sich also Rückschlüsse auf die gesamte Bevölkerung ziehen. So gab es die «Tagesschau» wieder, bevor zum Sport geschaltet wurde. Ein schockierendes Ergebnis.

Und keiner fragt (wie so oft), kann das stimmen, ist das plausibel? Stimmt das wirklich mit meinen lebensweltlichen Erfahrungen überein. Der Auftraggeber der Studie "Plan International

is an independent development and humanitarian organisation that advances children’s rights and equality for girls. We strive for a just world, working together with children, young people, our supporters and partners.

Man fragt sich unwillkürlich, wie kritisch sind Medien und Politiker mit sogenannten repräsentativen Studienergebnissen aus einem nichtwissenschaftlichen Kontext, wenn diese in ihren Bias passen? Eine NGO mit hehren Zielen, wer kann da zweifeln? Ulrich Kohler tut es. Er ist Professor für Methoden der empirischen Sozialforschung an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam und seit 2003 u.a. wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Ungleichheit und soziale Integration am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Der Professor sollte es wissen.

Nach der Veröffentlichung der gesamten Umfrage, bleibt für ihn zweifelhaft, wie «repräsentativ» die Ergebnisse sind. 

In einer Fussnote der Plan-Befragung über die Methodik ist zu lesen, dass tausend Männer und Frauen aus einem sogenannten Online-Access-Panel befragt worden seien.

Diese Panels stellen Marktforschungsunternehmen meist aus Personen zusammen, die sich freiwillig online dazu bereit erklären, an mehreren Umfragen des Instituts teilzunehmen.

 «Das Hauptproblem ist dieser erste Schritt», sagt Kohler. Denn Teilnehmer von Online-Access-Panels seien Menschen, die zunächst Medien läsen, in denen Umfrageaufrufe publiziert würden. Danach entschieden sie sich dazu, an der Umfrage teilzunehmen, und sie seien letztlich dazu bereit, sich für weitere Umfragen zu registrieren. «Auf jeder dieser Stufen werden die Menschen, die teilnehmen, spezieller und unterscheiden sich in bestimmten Merkmalen von der deutschen Durchschnittsbevölkerung.»

Es sei dann vollkommen irrelevant, wie viele Menschen für die Studie ausgewählt wurden. 

Kohler. «Aus meiner Sicht ist es problematisch, dass die Personen für diese Umfrage von Anfang an nicht zufällig, sondern nach einem Selbstselektionsprozess ausgewählt wurden.»

Auch die Verwendung des Begriffes «repräsentativ» im Zusammenhang mit der Befragung sieht Kohler kritisch. Im Forschungskontext wird der nur noch selten verwendet, da die Bedeutung unscharf sei. 

«Das Problem ist, dass die Leser bei ‹repräsentativ› eigentlich etwas im Kopf haben, was aber diese Umfrage sicherlich nicht einhält.» Tatsächlich sei das Risiko einer maximalen Verzerrung bei Umfragen mit einer solchen Selektion «sehr, sehr erheblich». Für Kohler sind die Ergebnisse solcher Befragungen daher eine «Fata Morgana», da zwar Zahlen herauskämen, aber nicht seriös feststellbar sei, ob die Werte denjenigen Zahlen entsprächen, die man habe ermitteln wollen.

Also liebe Medien, liebe Politiker, bitte kritisch prüfen, ehe man sich an Studien bindet …

Wer hat Angst vorm bösen Mann?

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Kommentare 1
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

    "……."Jeder dritte junge Mann findet Gewalt gegen Frauen okay." In der Studie stecken noch mehr spannende Aspekte, die sich mit dem Selbstbild junger Männer befassen. Männer machen tendenziell mehr gefährliche Sachen, um sich ihrer eigenen Männlichkeit gewiss zu sein, gehen ungern zum Arzt und noch weniger gern reden sie über ihre Gefühle. Klingt nach Herbert Grönemeyer. Die Zahlen dahinter schockieren, und dementsprechend schnell schwoll das mediale Echo an. Vielleicht etwas zu schnell.

    Denn es gibt Probleme mit dieser Umfrage: Plan International hat ein Institut mit der Befragung beauftragt, das tendenziell keine Erfahrung damit, sondern bisher eher Business-Umfragen erstellt hat. Die Umfrage wurde online durchgeführt, weder die konkrete Fragestellung ist ersichtlich, noch aus welcher Menge heraus die Befragten kontaktiert wurden. Sie behauptet zwar, repräsentativ zu sein, aber der Begriff ist gar nicht präzise definiert.

    Rainer Schnell, Inhaber des Lehrstuhls für Empirische Sozialforschung an der Universität Duisburg-Essen, beschreibt das so: "Wenn Sie aus Angaben zu Bildungsgrad, Wohnort und ähnlichen Merkmalen nachträglich eine Zufallsstichprobe erstellen wollen, aber die Befragung dann nur an eine Mailingliste von Männern schicken, die sich vorher für Muskelaufbaupräparate interessiert haben, dann ist das keine Zufallsstichprobe mehr." Schnell sagt: "Das ist, als würde man aus einem Rührei ein Huhn brüten wollen." ….."

    https://www.zeit.de/ge...

    Aber das Problem ist ja "bekanntlich" groß und muß groß bleiben. Die Frage, wie gut/treffend das Bild unserer Gesellschaft durch solche Befragungen und ihrer medialen Interpretation wirklich ist, wird nicht gestellt.

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