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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
"Manipulierte Gemüter" hat die finnische Schriftstellerin Sofi Oksanen ihren Artikel zur „Finnlandisierung" genannt. Dieses Rezept wird ja aktuell öfter für die Ukraine oder Georgien vorgeschlagen. Es klingt zunächst einmal einfach und harmlos. Aber was bedeutet es für die Bürger dieser Länder?
Die finnische Schriftstellerin Sofi Oksanen schildert ihre Erfahrungen, ihre Sicht auf die komplizierte Geschichte ihres Heimatlandes. „Finnlandisierung" bedeutete für Finnland
die Unterwerfung unter den Willen eines starken Nachbarlandes, … Das prägte nicht nur die Außenpolitik, sondern auch die Landesverteidigung, die Wirtschaft, die Medien, Kunst und Wissenschaft. Es war nicht erwünscht, dass die Forschung sich mit der katastrophalen Wirtschaftslage in der Sowjetunion befasste, und Themen, die als antisowjetisch galten, musste man meiden, wenn man auf eine erfolgreiche Karriere hoffte. Als die finnische Zollverwaltung bemerkte, dass der sowjetische Thunfisch dreimal mehr Quecksilber enthielt als zugelassen, wurde der Referent, der ein Verkaufsverbot empfohlen hatte, kritisiert, er habe den Wert wohl "zu theoretisch" interpretiert. Und die finnische Seebehörde änderte ihre Vorschriften, als Teboil, eine Gesellschaft im Besitz der Sowjetunion, Jollen zum Verkauf anbot, die die Sicherheitsprüfungen nicht bestanden hatten.
Das sind Zustände, wie sie jeder kennt, der im Ostblock groß geworden ist. Auch in unseren Schulbüchern wurde die "fröhliche Sowjetfamilie" idealisiert, genau wie die angeblich freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Völkern und Staaten.
Während die Probleme der Vereinigten Staaten im Erdkundebuch Raum fanden, wurden im Zusammenhang mit der Sowjetunion keine negativen Adjektive verwendet. Dort war alles großartig und imposant und unser Handel mit seinen Clearing-Verträgen "ein einziges Ostwunder".
Finnland dagegen war eigentlich eine unabhängige westliche Demokratie, ich hätte diese weitgehende Anpassung daher nicht vermutet.
Und für die Finnlandisierung bedurfte es nicht einmal irgendwelcher Gesetze: Jede Aktion, die sich gegen den Geist der sowjetischen Freundschaft richtete, scheiterte auch ohne amtliche Zensur oder Strafen. Der Konsens war robust, die Reinwaschung der UdSSR Landessitte.
Oksanen meint (und ich würde ihr zustimmen), dass Finnland das Testlabor für viele psychologische Operationen der Sowjetunion war. Auch, dass es aus sowjetischer Sicht eine Erfolgsgeschichte war.
Unser Staat, der wie eine nordische Demokratie wirkte, schien ein Beweis dafür zu sein, dass die Sowjetunion zu einem friedlichen Zusammenleben mit seinen Grenznachbarn fähig war. Das hübsche Schaufenster namens Finnland konnte Außenstehende dazu verleiten, zu glauben, diese Praxis sei eine passable Alternative. Wir durften amerikanische TV-Serien sehen, die mit außergewöhnlichem Eifer konsumiert wurden, und reisten frei in westliche Länder. Wir wurden gleichzeitig verwestlicht und finnlandisiert, was gerne verklärt wird: Ja, das finnische Volk wusste wirklich, was in der Sowjetunion geschah. Allerdings reiste stets nur ein kleiner Teil der Bevölkerung über die Grenze nach Osten. Die Finnen bekamen dort nur das zu sehen, was propagandistisch als zweckdienlich galt. Und so wuchsen diese Finnen im festen Glauben an die Sowjetliturgie auf.
So ähnlich ging es wohl auch vielen linientreueren, gutgläubigen Bürgern im Ostblock. Zumindest bis zum Ende der 70er-Jahre, wo der Machtverfall, das stagnierende Wirtschaftswachstum und der technologische Rückstand nicht mehr zu übersehen waren. Als der Warschauer Pakt, die Sowjetunion zusammenbrachen, verschwanden auch die aufgezwungenen Verträge und Bekundungen über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand.
Viel schwieriger aber war es, sich von den eingeübten Praktiken zu lösen. Das Unterbewusstsein lernt schnell, historisch unpassende Formulierungen zu vermeiden, und die einmal erlernte Sprache ändert sich nicht ohne eine bewusste Entscheidung dazu. Im Baltikum hat man diesen Sprachwechsel 1990 vollzogen. Hier durfte man die sowjetische Besatzung endlich beim Namen nennen. In Finnland verlief dieser Prozess langsamer.
Es stimmt wohl, was Oksanen sagt, und es gilt nicht nur für Finnland – es ist oft nicht leicht
zu erkennen, welche der mit dem Osten verbundenen politischen Beschlüsse auf einer tatsächlichen Bedrohung und auf Zwang basieren, welche auf Selbstzensur und welche auf Selbsttäuschung.
Mit den jüngsten militärischen Drohgebärden scheint das jetzt klarer zu werden. Klar ist aber auch, da die
Finnlandisierung vom Standpunkt der Sowjetunion aus eine Erfolgsgeschichte war, liegt es nahe, dass Russland ihre Lehren wiederholen will. Aus russischer Sicht wäre eine Finnlandisierung ganz Europas ideal, nicht nur der Ukraine. Dieses Bestreben manifestiert sich in zahllosen russischen Versuchen, außerhalb seiner Landesgrenzen Einfluss zu nehmen. Die Methoden sind bekannt: Eine Manipulation der Gemüter und der Sprache, der abwechselnde Einsatz von Zuckerbrot und Peitsche, die Androhung von Gewalt.
Oksanen malt dann das erschreckende Szenario eines finnlandisierten Europas – europäische Grundwerte ade und von Moskau bezahlte Entscheidungsträger. Wir würden wahrscheinlich immer noch Westautos fahren, vielleicht auch chinesische – gute russische PKW wird es auch dann noch nicht geben. Wir könnten auch noch reisen wohin wir wollen und unsere Lebensstandard wäre hoffentlich weiterhin hoch.
Die Freiheit des Wortes aber hätten wir nicht mehr, und unsere Medien würden die Presseverlautbarungen Russlands publizieren. Einige Generationen später würden unsere Nachkommen bei dem Gedanken lachen, Russland verletze die Menschenrechte, und diejenigen, die es beklagten, würden als Störenfriede abgestempelt werden, die unter Verfolgungswahn leiden. An den Oppositionsführer Alexej Nawalny würde man sich erinnern als einen Terroristen vom Schlage Osama bin Ladens. Und die Ukraine? Sie wäre ein selbstverständlicher Teil Russlands, ebenso wie das übrige Osteuropa, die Balten wären wahrscheinlich selbst schuld an irgendeinem neuen Krieg, auch wenn vermeintliche "Rassisten" oder "Faschisten" sich noch so sehr bemühten, die Verantwortung dafür Russland in die Schuhe zu schieben. Und die Ostsee wäre eine Kloake, was niemand laut sagen würde.
Man kann nur hoffen, dass Putins aggressive Politik Europa die Augen öffnet und die Länder zusammenschweißt. Und das nicht eintrifft, was "Foreign Affairs" für den Fall einer wie auch immer gearteten russischen Dominanz über die Ukraine an die Wand malt:
"If Russia achieves its political aims in Ukraine by military means, Europe will not be what it was before the war. Not only will U.S. primacy in Europe have been qualified; any sense that the European Union or NATO can ensure peace on the continent will be the artifact of a lost age. Instead, security in Europe will have to be reduced to defending the core members of the EU and NATO. Everyone outside the clubs will stand alone, with the exception of Finland and Sweden. This may not necessarily be a conscious decision to end enlargement or association policies; but it will be de facto policy. Under a perceived siege by Russia, the EU and NATO will no longer have the capacity for ambitious policies beyond their own borders. The United States and Europe will also be in a state of permanent economic war with Russia."
Quelle: Sofi Oksanen Bild: Toni Harkonen www.zeit.de
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