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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Die taz widmet zwei Beiträge der kritischen Betrachtung unserer westlichen bzw. europäischen Rassismusdiskurse oder besser noch dem Kampf um die Deutungshoheit darüber. Und offenbart damit wohl auch die Zerrissenheit ihrer eigenen Community in diesen Fragen. Beginnen wir mit dem zweiten Artikel von Isolde Charim. Sie warnt davor, den sicher notwendige Widerstand gegen Rassismus in einen überschießenden Exzess zu verwandeln.
Es gibt einen rationalen und einen irrationalen Kampf. Das ist der Unterschied zwischen notwendigem Widerstand und überschießendem Exzess. Derzeit präsentieren sich beide Varianten als Herabstoßen alter Autoritäten von ihrem Sockel – metaphorisch und wörtlich. Es ist wichtig, hier festzuhalten: Der Unterschied liegt nicht darin, ob man gegen große Autoritäten oder gegen kleine Wörter – wie etwa das N-Wort – vorgeht. Auch in Wörtern, Abbildern, Filmen finden sich sedimentierte Hierarchien und Abwertungen. Sie dienen den kleinen diskriminierenden Alltagsentladungen. Der Exzess aber liegt woanders. Er setzt dort ein, wo ein Verdacht ausreicht, wo Meinungen geahndet werden. Ahnden – das ist das entscheidende Stichwort. Der wahre Exzess beginnt dort, wo an die Stelle der alten Autoritäten nicht einfach Freiheit, Gleichberechtigung, Inklusion tritt – sondern eine neue Autorität. Eine, die Vergehen ahndet.
Auch solche Protestkulturen können natürlich ein freudsches Über-Ich entwickeln. Die Instanz, die u.U. "Political Correctness" bis zum Exzess betreibt:
Beobachtung, Kontrolle, Urteil, schlechtes Gewissen, Tabus, Ahndung der Abweichung vom Ideal. Streng. Strafend. Unnachgiebig. Mit einer Tendenz zum Ausufern. Es war ein schönes Stück – gesellschaftlicher, kultureller, politischer – Arbeit, das alte Über-Ich mit seinen Normierungen und Vorschriften abzubauen. Umso erstaunlicher ist das Aufrichten einer neuen strafenden Instanz. Im Exzess zeigt sich das wilde Begehren, die Sehnsucht nach einer neuen Unerbittlichkeit. Hier kippt die liberale Freiheit und offenbart ihre Kehrseite ...-
Levent Tezcan, der Autor des ersten Artikels, ist geboren in Havza, einer anatolischen Kleinstadt und kam 1988 als politischer Flüchtling nach Deutschland. Heute ist er Professor am Institut für Soziologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Den Unsinn des exzessiven "Antirassismus" charakterisiert er wie folgt:
Nach der Logik der neuen Rassismuskritiker kann ich aber meinem germanischen Kollegen, einem beschlagenen Soziologen, der sich von einem Drittmittelantrag zum nächsten bis zur Rente durchschlagen muss, jederzeit seine „Privilegien“ vorwerfen und, bei Bedarf, daraus Rassismus ableiten. Schon die erste Regel, die Ausweisung der maßlos skandalisierten Frage: „Woher kommst du eigentlich?“ als rassistisch, belegt hinreichend die Maßlosigkeit. Man muss sich die perverse Logik genau vor Augen führen, die hier am Werke ist: Selbst wenn ich wollte, könnte ich mich dem neuen kulturellen Paradigma „Gestehe, wie rassistisch du bist“ nicht unterziehen. Während „Weiße“ nicht keine Rassisten sein können, kann ich gar nicht rassistisch sein. Welch ein Glück? Ich fühle mich ganz und gar diskriminiert, wenn mir die Möglichkeit genommen wird, rassistisch sein zu können. Rassistisch sein zu dürfen, ist und bleibt ein „weißes Privileg“.Nun haben "wir Europäer" also eine neue Ursünde? Wir spalten uns in unendlich viele Opfergruppen, die alle wechselseitig ihre Diskriminierungen beklagen. Selbst Nachfahren von Osmanen und Arabern übernehmen die Rolle von People of Color, allerdings gern mit farblichen Abstufungen. Auch die Linken zerlegen sich damit wieder einmal. Diesmal in Rassisten und in Kämpfer, die jedes auch noch so verborgene rassistische oder irgendwie diskriminierende Gefühl in allen Köpfen ausrotten wollen. Koste es, was es wolle? In einer schönen neuen Welt?
Quelle: Levent Tezcan Bild: Christophe Gateau... taz.de
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Dieser Artikel von Levent Tezcan beschreibt zwar eine Logik der Rassismusdebatte, aber verfehlt meines Erachtens vollumfänglich das Ziel dieser. Es geht nicht in erster Linie darum, den Menschen rassistische Aussagen u. dgl. Vor Augen zu führen, sondern "white privilege" und das ganze System zu hinterfragen. MeToo zeigte auf, dass Frauen nicht als gleichwertige Menschen im Arbeitsalltag gesehen und so im Alltag Übergriffe oder Verletzungen der psychischen und physischen Integrität erlebt haben. FridaysForFuture zeigen, dass die Wirtschaft eine (Vor-)Macht versucht zu erhalten, die sich über die Natur und den Respekt davor stellen möchte. Bewegungen zu den Frauenrechten, Gleichstellung, LGTBQ, Mutterschaft, Vaterschaft, etc. verweisen ebenfalls auf Fehler im System, wobei im Alltag wie auch in der Arbeitswelt Ungerechtigkeiten erfahren werden. BLM zeigt nun auf, was äusserliche Merkmale in Bezug auf die Nichterfüllung der Chancengleichheit und somit rassistische Diskriminierung bedeutet. Irrtümlicherweise wird von Rasse gesprochen, was genau das Problem der menschlichen Rasse aufzeigt. Wer die Frage stellt "woher kommst du wirklich?", Sagt eigentlich vor allem aus, dass diese Person aufgrund äusserlicher Merkmale nicht hierher gehöre. "Woher kommt das wirklich?" Wäre die richtige Debatte und da muss das postkoloniale Paradox angeschaut werden. Aufgrund von Wertungen durch besagte äusserliche Merkmale werden Chancenungleichheiten gefestigt und dies führt zum White Privilege. Da weisse, westliche Männer im Vergleich zu anders aussehenden und auch weiblichen Personen kaum Hindernisse oder Diskriminierung im beruflichen wie auch privaten Alltag erleben, spricht man vom Ziel der Chancengleichheit oder Chancengerechtigkeit. Diese sind im jetzigen System nicht vorhanden und so entstehen vererbte Armut, verminderte Chancen auf Bildung, Meinungsfreiheit, soziale Sicherheit und schlicht Zugehörigkeit, was zur Präkarität oder die Erfahrung von ungerechtfertigter Polizeigewalt und somit Bedrohung der physischen und psychischen Integrität führen kann. Bei all diesen Aufständen geht es wohl kaum darum, dass alle des Rassismus bezichtigt werden, sondern es wird die Systemfrage gestellt, wobei Chancengleichheit respektive Chancengerechtigkeit als Ziel steht. Bildung soll dabei ein Weg sein, keine Verzerrungen der Geschichte zu postulierten, sondern einen reflektierten Diskurs über die kolonialistische Vergangenheit zu führen, die Wertung von Menschen aufgrund von Hautfarbe zu thematisieren, die Globalisierung zu verstehen und schliesslich die "Rasse" als koloniales Konstrukt zu eliminieren. Dazu sollen keine Kolonialisten im Form von Statuen und Strassennamen geehrt werden, da sie nicht für etwas positives stehen. Es soll ja auch keine Hitler-Statue verehrt werden und eine solche braucht es auch nicht, um den 2. Weltkrieg nicht zu vergessen. Die Veränderungen und Fortschritte sollten vermehrt in den Kontext der Geschichte gesetzt werden. So kann ein Umdenken stattfinden und eine Generation heranwachsen, die keine Unterscheidung und Wertung aufgrund von Geschlecht, Sexualität, Hautfarbe oder Kultur macht, sondern darin einen Gewinn für die Gesellschaft sieht und Diversität feiert.