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Europa

Polen - der unbekannte Wirtschafts-Champion?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlSamstag, 14.09.2024

Polens Staatsgebiet ist mit einer Fläche von 312.696 km² das neuntgrößte Land in Europa sowie mit knapp 37 Mio. Einwohnern auf Platz acht nach der Bevölkerungszahl. Polen ist ein ziemlich wohlhabendes Land. Aber es wird gerade wirtschaftlich immer noch unterschätzt. Wie Noah Smith richtig bemerkt, hat das Land die gefürchtete "Middle-Income Trap" schon vor Jahren überschritten. Die These zu dieser Falle, in die Staaten mit mittleren Einkommen hineinlaufen können, besagt, dass es ein Land nach dem erfolgreichen Aufstieg zum Schwellenland oft schwer hat, den nächsthöheren Status eines Industriestaates zu erreichen und damit bei mittleren Einkommen dauerhaft hängen bleibt. Polen hingegen ist seit längerem ein Land mit hohem Einkommen (vgl. Grafik).

Polens wirtschaftlicher Aufstieg ist einer der bemerkenswertesten der Welt. Im Jahr 1991 war das Land nur ein Drittel so reich wie Länder wie das Vereinigte Königreich, Japan oder Spanien. Aber nach dreieinhalb Jahrzehnten fast ununterbrochenen Wachstums ist das Land fast so reich wie diese Länder und hat bereits Portugal und Griechenland überholt. Polen ist noch nicht so reich wie die Spitzenreiter - die USA, Singapur, die Schweiz oder Dänemark. Das Einkommensniveau ist in etwa so hoch wie das Amerikas im Jahr 1991, als der Aufstieg Polens begann.

Im Gegenteil zu Deutschland nimmt die polnische Industrialisierung zu. Wie die NZZ schreibt, entdecken nicht nur internationale Konzerne wie Mercedes-Benz, ABB, Intel oder Nestlé Polen als wichtigen Standort für die Fertigung sowie zunehmend auch für die Erbringung von Dienstleistungen im IT-Bereich.
In den vergangenen Jahren sind auch einheimische Unternehmer als Investoren verstärkt aktiv geworden. In der Regel handelt es sich um Zulieferer, die sich erfolgreich in einer Nische eine führende Position erarbeitet haben und grosse Konzerne aus dem Ausland zu ihren Kunden zählen.

Einen ähnlichen Prozess hat es damals während der Hochkonjunktur der 1960er und 1970er Jahre auch in westeuropäischen Ländern gegeben: der Aufstieg mittelständischer Unternehmen durch große Investitionen im eigenen Land.

Bei den meisten Firmen (in Polen) steht noch immer die erste oder höchstens die zweite Generation in der Verantwortung. Es sind hungrige Persönlichkeiten, die Grosses schaffen wollen. Von der depressiven Stimmung, wie sie in manchen Regionen Westeuropas herrscht, ist in Polen wenig zu spüren.

Wie die NZZ auch belegt ist die kaufkraftbereinigte Konsumkraft der polnischen Bevölkerung damit auf 86 Prozent des europäischen Durchschnitts gestiegen. Sie liegt damit leicht über dem Niveau Spaniens (85 Prozent) und nur knapp hinter dem Irlands (87 Prozent). Was unter anderem dazu führt, das Polen zu einem Land der Arbeitsmigration wird.

Weiterhin mit Abstand die grösste Gruppe unter den Immigranten bilden Ukrainer, viele von ihnen Kriegsflüchtlinge, vor Weissrussen. Angehörigen beider Nationen fällt es leicht, die polnische Sprache zu lernen. Die grosse Mehrheit von ihnen ist denn auch erwerbstätig. Aber auch Kasachen, Inder, Nepalesen und Filipinos arbeiten in wachsenden Gruppen in Polen.

Bei einer sehr niedrigen Geburtenrate von nur nur noch 1,16 wird das Land allerdings auch zukünftig noch mehr Einwanderung brauchen. Trotzdem ist zu erwarten, dass  Polen nach dem nächsten EU-Finanzrahmens (2027 bis 2033) zum neuen Nettozahler werden könnte.

Wenn ein Land jahrzehntelang ein schnelles Wachstum vorweisen kann, steht die Frage, ob und wie man das Wachstum weiter aufrechterhalten kann, um in den nächsten Jahrzehnten möglicherweise in die Spitzengruppe der reichen Länder aufsteigen zu können. Noah Smith gibt dazu Polen in dem von mir empfohlenen Text sechs „Anregungen", aus denen man m.E. einiges über Polens Wirtschaft lernen kann:

  • Im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg muß Polen seine Verteidigungsfähigkeit sicherstellen. Das bedeutet höhere Militärausgaben.

Polens Ausgaben werden in diesem Jahr voraussichtlich 5 % des BIP erreichen, verglichen mit nur 2 % in Deutschland - ….. Aber Geld ist nur ein Teil der Gleichung - Polen braucht die inländischen Produktionskapazitäten, um seine Waffen tatsächlich in großen Mengen herstellen zu können, anstatt nur zu hoffen, dass es die Waffen von jemand anderem beziehen kann. …. Dabei sind Drohnen und Raketen nicht nur für die Verteidigung unverzichtbar - sie sind auch ein potenziell lukrativer Markt in einer Welt, die sich auf einen neuen kalten Krieg vorbereitet und versucht, sich von China abzukoppeln. 
   Dies wäre also eine Chance für eine weitere polnische Wachstumsindustrie.
  • Als zweites benötige Polen größere nationale Banken, die Venture- und Wachstumskapital bereitstellen können. Eine von Banken gestützte Industrialisierung sollte also ein weiterer Teil der mehrgleisigen Strategie sein.
  • Polen hat alle grundlegenden Voraussetzungen, die für den Bau von E-Fahrzeugen erforderlich sind. 
Wie bereits erwähnt, ist das Land der zweitgrößte Batteriehersteller der Welt. Jahrzehntelange ausländische Direktinvestitionen von Autokonzernen wie Volkswagen haben eine riesige Basis von polnischen Ingenieuren und Arbeitern mit fundierten Kenntnissen im Automobilbau geschaffen. Das Land verfügt auch über zahlreiche Unternehmen, die Elektromotoren herstellen. Inzwischen beeilt sich die Welt, Zölle auf chinesische Elektroautos zu erheben.
    Mit den weltweiten Zöllen gegen die billigen chinesischen E-Autos wächst natürlich die Chance eine eigene Industrie aufzubauen um europäische Märkte zu beliefern.
  • Eine weitere Idee wäre es, ausländische Unternehmer und Erfinder bewußt anzureizen in das Land zu kommen. Etwa nach dem Vorbild der USA, wo etwa die Hälfte der großen Unternehmen von Migranten oder deren Kindern gegründet wurden.
  • Als fünfte Anregung gibt Smith den Rat, Warschau zu einer Art von moderner Megalopolis zu machen, die die Menschen aus den dynamischen Regionen Asiens in die osteuropäischen Länder lockt. Womit sechstens auch tiefere Beziehungen etwa zu Südkorea und Japan aufzubauen wären.
Das Beispiel Polen zeigt sehr klar, wie stark Wirtschaftswachstum, Wohlstand und gesellschaftliche Dynamik von der Stimmung, den Erwartungen und dem individuellen Einsatz der einzelnen Bürger abhängt. Politik kann dabei hilfreich sein (oder nicht), ist aber nicht der Motor.


Polen - der unbekannte Wirtschafts-Champion?

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