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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Als Francis Fukuyama 1989 seine These vom Ende der Geschichte veröffentlichte, sprach in der Tat vieles dafür, "dass etwas sehr Grundlegendes in der Weltgeschichte geschehen" war. Es fehlte noch die Einordnung in einen größeren theoretischen Rahmen. Aber es war zu spüren, das hinter den damaligen Schlagzeilen ein zusammenhängender Prozess und eine Ordnung lag.
Im 20. Jahrhundert erlebte die entwickelte Welt einen Paroxysmus ideologischer Gewalt, als der Liberalismus zunächst mit den Überresten des Absolutismus, dann mit dem Bolschewismus und dem Faschismus und schließlich mit einem aktualisierten Marxismus konkurrierte, der zur endgültigen Apokalypse eines Atomkriegs zu führen drohte. Doch das Jahrhundert, das voller Selbstvertrauen in den endgültigen Triumph der westlichen liberalen Demokratie begann, scheint an seinem Ende wieder dorthin zurückzukehren, wo es begann: nicht zu einem "Ende der Ideologie" oder einer Konvergenz zwischen Kapitalismus und Sozialismus, wie früher vorhergesagt, sondern zu einem unverhohlenen Sieg des wirtschaftlichen und politischen Liberalismus.
Die einst so mächtigen real-sozialistischen Alternativen hatten sich offensichtlich erschöpft. Das sozialistischen Weltsystem wurde durch Reformbewegungen, die sich an Demokratie, Freiheit und Menschenrechten orientierten, sowie durch den Kollaps der Wirtschaften zum Zusammenbruch gebracht. Die kapitalistische liberale Demokratie hatte sich als das dauerhafteste, erfolgreichste politische und wirtschaftliche System gezeigt. Schon bei Hegel und Marx findet man ja den Gedanken die Geschichte sei dialektischer Prozess mit einem Anfang, einer Mitte und einem Ende. Und so lag Fukuyamas Schlußfolgerung nahe:
Was wir vielleicht erleben, ist nicht nur das Ende des Kalten Krieges oder das Ende einer bestimmten Periode der Nachkriegsgeschichte, sondern das Ende der Geschichte als solcher: das heißt, der Endpunkt der ideologischen Evolution der Menschheit und die Universalisierung der westlichen liberalen Demokratie als endgültige Form der menschlichen Regierung. Das soll nicht heißen, dass es keine Ereignisse mehr geben wird, die die Seiten der jährlichen Zusammenfassungen der Foreign Affair über die internationalen Beziehungen füllen, denn der Sieg des Liberalismus hat sich in erster Linie im Bereich der Ideen oder des Bewusstseins vollzogen und ist in der realen oder materiellen Welt noch unvollständig. Es gibt jedoch gewichtige Gründe für die Annahme, dass der Liberalismus das Ideal ist, das die materielle Welt auf lange Sicht beherrschen wird.
Aber heute sehen wir, der Geschichtsprozess, er galoppiert wieder. Andere Gesellschaftsmodelle melden in China, Rußland oder China ihren Anspruch als alternative Konkurrenten an. Insofern ist es wichtig heute noch mal solche Prophezeiungen kritisch unter die Lupe zu nehmen, wie es Matt Johnson in "Quillette" tut. Sein Befund, grob zusammengefasst: Fukuyama wurde oft fehlinterpretiert. Aber in seiner Kernthese ist vieles auch so gelaufen. Doch es gibt keine Sicherheit.
Die Beweise für Fukuyamas Behauptung, dass das Ende des Kalten Krieges den "unerschrockenen Sieg des wirtschaftlichen und politischen Liberalismus" gebracht hat, sind allgegenwärtig. In Westeuropa herrscht seit dem Zweiten Weltkrieg Frieden. Die Gesamtzahl der Demokratien ist stark angestiegen. Die liberal-demokratische Welt ist weitaus wohlhabender als jede andere Zivilisation in der Geschichte - allein das jährliche BIP der Vereinigten Staaten beträgt fast 28 Billionen Dollar, während das globale BIP (inflationsbereinigt) etwa 23 Billionen Dollar betrug, als "The End of History?" 1989 ursprünglich veröffentlicht wurde. Unterdessen scheitern die autoritären Herausforderer der Demokratie. Russlands sinnloser Krieg gegen die Ukraine hat das Land zu einem globalen Paria gemacht (Moskaus beste Freunde sind jetzt Nordkorea und der Iran), den Wert des Rubels in den Keller getrieben und seine ohnehin schon magere Petro-Wirtschaft unter immensen Druck gesetzt. China sieht sich unterdessen einer lähmenden demografischen und wirtschaftlichen Krise gegenüber. Die chinesischen Aktien sind in nur drei Jahren um fast 6 Billionen Dollar geschrumpft, da eine massive Immobilienblase geplatzt ist und sich das Wachstum erheblich verlangsamt hat.
Aber all diese Fortschritte konnten die wachsende Unzufriedenheit gerade der westlichen Bevölkerungen nicht stoppen. Es wächst die Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien, es sinkt das Vertrauen in die demokratischen Institutionen. Nach dem beispiellosen Aufstieg der Demokratie in den letzten Jahrzehnten ist
der bürgerliche Verfall in den Vereinigten Staaten … Teil einer größeren Bewegung weg von der Demokratie auf der ganzen Welt. Die Welt ist heute weniger demokratisch als zu Beginn des 21. Jahrhunderts - von der Ausbreitung des nationalistischen Autoritarismus in den USA, Europa und Indien bis hin zum Aufstieg des kriegerischen chinesischen Totalitarismus (insbesondere nach Xi Jinpings Abschaffung der Amtszeitbegrenzung im Jahr 2018) und dem Wiederaufleben des russischen Imperialismus. Während die liberal-demokratische Welt mit gefährlicheren externen Bedrohungen konfrontiert ist als jemals zuvor seit dem Kalten Krieg, könnten die internen Probleme noch gefährlicher werden. Wer hätte sich vor einem Jahrzehnt vorstellen können, dass ein amerikanischer Präsident versuchen würde, eine Wahl zu stehlen? Oder dass er dann mit der Nominierung durch seine Partei belohnt und eine realistische Chance haben würde, ins Oval Office zurückzukehren?
Da tröstet es wenig, wenn Johnson einen Satz Fukuyamas aus dem Jahr 2020 zitiert:
Ich habe noch niemanden gehört, der eine andere politisch-ökonomische Form als die liberale Demokratie in Verbindung mit der Marktwirtschaft vorgeschlagen hat, die meiner Meinung nach eine höhere Form der menschlichen Zivilisation sein wird.
Das ist sicher richtig, ich kenne auch keinen realistischen Entwurf und vielleicht kann es den für einen offenen evolutionären Prozess wie die Menschheitsgeschichte auch nicht wirklich geben. Klar ist, dass der Prozess der Demokratisierung viel schwieriger und widersprüchlicher war und ist, als erwartet. Fukuyama selbst hatte sich in seinen Fortsetzungen von "The End of History and the Last Man" mit den möglichen Ursachen für den politischen Verfall auseinandergesetzt. Diese reichen von der zunehmenden Trägheit der Institutionen über die wachsenden Einschränkungen für Entscheidungsträger (als "Vetokratie" bezeichnet), die "Repatrimonialisierung" (kleine, rentenorientierte Gruppen übernehmen die Kontrolle über die öffentliche Politik und die Ressourcen) bis zur raschen Zunahme der Identitätspolitik. Letztere führt dazu, das Menschen sich auf ihre Zugehörigkeit zu immer kleineren identitätsstiftenden "Stämmen" konzentrieren. Und damit ihre Rolle als Bürger in einer großen und pluralistischen liberalen Gesellschaft vernachlässigen.
Im Jahr 2020 fasst Fukuyama das Argument in nur vier Worten zusammen: "Die Menschen wollen Kampf." Für viele sind Frieden und Wohlstand nicht genug. Die Bürger der heutigen liberalen Demokratien gehören zu den glücklichsten Menschen, die je gelebt haben. Ihre Gesellschaften sind stabil, reich und frei. Sie haben Zugang zu Technologien und Ressourcen, die noch vor wenigen Jahrzehnten unvorstellbar gewesen wären. Es stimmt zwar, dass die Ungleichheit zunimmt, aber der Anteil der Sozialausgaben am BIP ist seit den 1960er Jahren drastisch gestiegen. Die Lebenserwartung, das Pro-Kopf-BIP und die Freizeit sind gestiegen, während Umweltverschmutzung, Kriege und Gewaltverbrechen zurückgegangen sind. Dennoch ist es schwierig, sich an eine Zeit zu erinnern - insbesondere in den Vereinigten Staaten - in der die Politik mehr von Stammeshass, Verschwörungsdenken und Zynismus geprägt war.
Ich bin mir nicht sicher, wie weit diese Erklärung trägt, aber ja, politische Vernunft und menschliche Leidenschaften oder auch Rationalität und Gefühl, laufen oft nicht in die gleiche Richtung. Von der Dummheit ganz zu schweigen. Fukuyama hat schon 1989 in seinen Thesen befürchtet, die Bürger würden sich nach Konflikten und großen Ideologischen Herausforderungen sehnen und dann nach Wegen suchen, um die Geschichte wieder in Gang zu bringen.
Das Ende der Geschichte wird eine sehr traurige Zeit sein. An die Stelle des Kampfes um Anerkennung, der Bereitschaft, sein Leben für ein rein ideelles Ziel zu riskieren, des weltweiten ideologischen Kampfes, der Kühnheit, Mut, Phantasie und Idealismus erforderte, werden wirtschaftliches Kalkül, die endlose Lösung technischer Probleme, Umweltbelange und die Befriedigung anspruchsvoller Konsumwünsche treten. In der post-historischen Periode wird es weder Kunst noch Philosophie geben, sondern nur noch die ständige Pflege des Museums der menschlichen Geschichte. Ich spüre in mir und sehe in meinem Umfeld eine starke Sehnsucht nach der Zeit, in der die Geschichte noch existierte. Eine solche Nostalgie wird auch in der posthistorischen Welt noch eine Zeit lang für Wettbewerb und Konflikte sorgen. ….. Vielleicht wird gerade diese Aussicht auf Jahrhunderte der Langeweile am Ende der Geschichte dazu dienen, die Geschichte wieder in Gang zu bringen.
Ein Motor, der die Geschichte wieder beschleunigt könnte - so Fukuyama - die Frage sein, ob es der liberalen Demokratie gelingt "den Wunsch der Bürger nach Anerkennung angemessen" individuell und im gleichen Maße zu befriedigen. Ausgleichende Prozesse wie die Gestaltung umfangreicher Wohlfahrtsstaaten, steigendes Bildungsniveau, breite wohlhabende Mittelstandsgesellschaften, Meinungsfreiheit, Freiheiten seinen Lebensstil selbst zu gestalten sowie demokratische und individuelle Rechte haben nicht zum abebben der politischen Leidenschaften geführt. Sind doch der Gleichheit, die der Liberalismus (wie jede Gesellschaft) bieten kann, natürliche Grenzen gesetzt.
Es gibt eine ungleiche Verteilung von Talent, Arbeitsmoral und all den anderen Merkmalen (einschließlich Glück), die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden, was zu "notwendigen und unausrottbaren" Unterschieden sowie zu bitteren Ressentiments führt. "Die Tatsache, dass große soziale Ungleichheiten selbst in den perfektesten liberalen Gesellschaften bestehen bleiben werden", erklärt Fukuyama, "bedeutet, dass es eine anhaltende Spannung zwischen den beiden Prinzipien der Freiheit und der Gleichheit geben wird, auf denen solche Gesellschaften basieren."
Einerseits gäbe es unter den Menschen den Wunsch nach gleicher Anerkennung und Gleichbehandlung (Isothymie). Andererseits das Streben als überlegen anerkannt zu werden (Megalothymie). Fukuyama meinte daher, dass Gesellschaften mit zunehmender Gleichheit noch sensibler für bestehende Ungleichheiten und Differenzen werden:
"Die Leidenschaft für gleiche Anerkennung - die Isothymie - nimmt nicht notwendigerweise mit dem Erreichen von größerer faktischer Gleichheit und materiellem Überfluss ab, sondern kann sogar dadurch stimuliert werden". Dies ist der Grund für einige der prominentesten Formen des politischen Aktivismus heute - ein Trend, den Fukuyama schon vor über drei Jahrzehnten kommen sah: Schon jetzt haben Formen der Ungleichheit wie Rassismus, Sexismus und Homophobie das traditionelle Klassenthema für die Linke auf den heutigen amerikanischen College-Campus verdrängt.
Und wir sehen auch, dass in dem Maße, wie Rassismus, Sexismus und Homophobie zurückgegangen sind, die Empörung über diese Vorurteile wächst. Maarten Boudry hat das in einem anderen sehr lesenswerten Artikel als eines der sieben Gesetze des Pessimismus bezeichnet - als "Gesetz der Erhaltung der Empörung":
Unabhängig davon, wie viel Fortschritt die Welt macht, bleibt die Gesamtmenge der Empörung konstant.
Ein Grund ist, bei der Isothymie geht es nicht um das Niveau des Wohlstands - Anerkennung ist immer relativ. Menschen mag es weitaus besser gehen als früheren Generationen oder als Menschen in anderen Teilen der Welt. Aber da sich die Standards für sie und ihre Nachbarn ständig verändern, bleibt das Gefühl von Ungerechtigkeit und Demütigung ständig gleich. Boudry formuliert dies so:
Einer der Vorteile des Fortschritts besteht darin, dass man es sich leisten kann, höhere Ansprüche an die Welt zu stellen; wir müssen nicht mehr das gleiche Maß an Elend und Leid ertragen wie früher. Aber wenn man nicht merkt, dass man seine eigenen Ansprüche erhöht hat, kann man den Eindruck gewinnen, dass die Welt immer schlechter wird. Dies führt zur Erhaltung der Empörung: Egal, wie viele Fortschritte die Welt macht, die Gesamtzahl der Beschwerden und des Gejammers bleibt in etwa konstant, wie wir sehen, …..
Wir sollten uns also darüber verständigen, wie nahe wir dem Ideal der "Gleichheit" eigentlich kommen können? Was überhaupt wir unter „Gleichheit“ verstehen wollen? Wer soll dies sicherstellen? Eine Gerechtigkeitsbehörde, die ständig überprüft, was man unter sich veränderten Bedingungen nachjustieren muß? Und was bedeutet das für die Freiheit. Diese führt ja nicht selbst zu allgemeiner Gleichheit, eher im Gegenteil. Wie man an der Ausdifferenzierung von Gruppen, Leidenschaften und Interessen sieht. Wie müssen wir Freiheit beschränken um Gleichheit und Zufriedenheit zu erreichen? Und Gleichheit ist auch nicht dass selbe wie Gerechtigkeit. Auch hier oft im Gegenteil. Im Grunde genommen sind die vier Kant'schen Fragen für Gesellschaften auf der Suche nach Zufriedenheit noch immer und ewig aktuell:
Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?
Quelle: Matt Johnson EN quillette.com
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