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Europa

Europas Interessen – zwischen Amerika und China?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
Zum Kurator'innen-Profil
Thomas WahlFreitag, 03.09.2021

Radoslaw Sikorski war von 2007-2014 polnischer Außenminister und ist heute Europaabgeordneter. Als Vorsitzender der Delegation EU-USA im Europäischen Parlament liegt sein Schwerpunkt nun auf der europäischen Außenpolitik als Machtblock "zwischen" den USA und China. Für ihn, wie für viele Europäer, wirft aktuell nicht nur der demütigende und chaotische Abzug amerikanischer Truppen aus Afghanistan einige Fragen auf; besonders über den künftigen amerikanischen Einfluss in der Welt – vor allem mit Blick auf China. Woraus sich wiederum Fragen zur europäischen Strategie ergeben. Für Sikorski steht am Anfang die Selbstkritik:

Zunächst sollten wir zugeben, dass das gegenwärtige internationale System von westlichem Wunschdenken und Selbstüberschätzung geprägt wurde. Zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs der Sowjetunion haben Amerika und Europa eine Reihe von Annahmen und Wetten abgegeben - die meisten davon haben wir verloren. Wir wetteten, dass Russland, wenn wir ihm bei der Integration in den Westen helfen würden, zum Verbündeten würde. Wir wetteten, dass der Arabische Frühling für die muslimische Welt das tun würde, was 1989-91 für Osteuropa getan hat. Und wir wetteten, dass, wenn wir China vorzeitig den Status einer freien Marktwirtschaft gewähren und in die Welthandelsorganisation aufnehmen würden, es schließlich seine Wirtschaft und vielleicht auch sein politisches System liberalisieren würde.

Dazu kommt die dramatische Fehleinschätzung der USA bei der Bedrohung durch den fundamentalistischen islamischen Terrorismus. Auch wenn die Dschihadisten viele unschuldige Menschen töten können und Amerikas Gefühl der Unverwundbarkeit erschüttert haben: sie waren nie auf dem Weg zur Weltherrschaft.

Aber er sieht auch einen strategischen Fehler auf chinesischer Seite:

Das Land hat der Lehre seines ehemaligen Führers Deng Xiaoping "Ihre Stärke zu verheimlichen, für die Zeit zu spielen" ein Ende gesetzt, und sie durch die Ideen seines derzeitigen Führers Xi Jinping und seiner Methode der Bedrohung, des Streits, … ersetzt. 

Dadurch hat China den amerikanischen Fokus verändert und andere Länder davon überzeugt, amerikanischen Schutz zu suchen. Womit eine Gegenkoalition in Asien entstanden ist. 

Hier sieht Sikorski die Gefahr, dass China und Amerika in die "Thukydidenfalle" tappen – mit Taiwan im Brennpunkt. Eine Falle, die A. Engelberg in einem piq wie folgt charakterisierte:

…. die Kriegsgefahr wächst, wenn eine Macht eine andere überflügelt. Wegen der schwindenden Hegemonie der USA und dem Aufstieg Chinas ist die Frage nach der Thukydides-Falle aktuell. 

Sikorski verweist auf Briefings, die im Europäischen Parlament kursieren. Die signalisieren, dass China um Taiwan eine regionale militärische Parität mit Amerika erreicht hat und dass es in den nächsten fünf Jahren seine Fähigkeiten ausbauen wird. Was sollte Europa und der Westen also seiner Meinung nach tun? Als Erstes sollte Europa versuchen Rußland stärker wirtschaftlich an sich zu binden. Er vermutet sogar:

Vielleicht war das Amerikas Logik bei der Aufhebung der Sanktionen für die Nord Stream 2-Pipeline, die gebaut wird, um Erdgas von Russland nach Deutschland zu transportieren. Es bindet Russland wirtschaftlich an Europa und beseitigt eine Irritation in Amerikas Beziehungen zu Deutschland. 

Auch wenn das den Interessen der Ukraine und Mitteleuropas schaden wird. Die europäischen Beziehungen zu China sind viel komplexer, als es die Rivalität des Westens mit der Sowjetunion je war. So ist etwa zweitens klar:

Europa kann seinen Lebensstandard nicht aufrechterhalten, ohne mit China, seinem größten Wirtschaftspartner, Handel zu treiben. 
Der Albtraum wäre, wenn sich Europa zwischen dem Handel mit Amerika oder dem Handel mit China entscheiden müsste. So wie es die Trump-Administration im Falle des Iran durchgesetzt hat. Und Europa sollte sich darauf einstellen, dass die Rivalität mit China dazu führt, dass Amerika seine militärischen Prioritäten ändert und die Sicherheitsgarantien gegenüber seinen traditionellen NATO-Partnern schwächt. Sikorski's Schlussfolgerung aus allem:
Deshalb habe ich mich dafür ausgesprochen, dass Europa einen "Drei-C"-Ansatz verfolgt: co-operate where possible, compete where needed and confront where necessary.  

Es bleibt die Hoffnung, mit viel "Staatskunst" und etwas Glück der  "Thukydidenfalle" zu entkommen. Vielleicht behält ja auch Minxin Pei in seinem parallelen Beitrag im ECONOMIST recht und China schafft es nicht Amerika zu überrunden.

Europas Interessen – zwischen Amerika und China?

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Kommentare 2
  1. Silvio Andrae
    Silvio Andrae · vor 3 Jahren

    Zur "Thukydiden-Falle" hat Graham Allison 2017 das Buch "Destined for War: Can America and China Escape Thucydides's Trap?" veröffentlicht. Er zeigt darin, wie aufeinander treffenden Mächte in der Vergangenheit den Frieden bewahrt haben - und welche schmerzhaften Schritte die Vereinigten Staaten und China unternehmen müssen, um eine Katastrophe zu vermeiden.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      Ja, die Konfrontation zeichnete sich ja schon länger ab. Aber dieser Schwenk in China durch Xi Jinping hat mich in ihrer Heftigkeit schon überrascht. "In China lernen Schülerinnen und Schüler ab sofort im neuen Unterrichtsfach die Ideologie von Staatschef Xi Jinping. Das Fach heißt "Xi Jinpings Gedankengut über den Sozialismus chinesischer Prägung für eine neue Ära" und wurde zum Beginn des neuen Schuljahres auf den Lehrplan gesetzt."

      https://www.zeit.de/ge...

      Aber Trump war ja für die USA auch ähnlich einschneidend. Nur an den Schulen und Universitäten wird wohl noch kein Trumpismus gelehrt.

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