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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Im Gespräch diskutieren Marcel Fratzscher (Präsident DIW Berlin) und Michael Hüther (Direktor des IW) die Frage einer Viertagewoche in der zukünftigen Arbeitswelt. Die Meinung des ifo Instituts vertritt Clemens Fuest in einem gesonderten Artikel. Womit drei wichtige deutsche Ökonomen zu Wort kommen.
Eine Viertagewoche kann natürlich sehr Verschiedenes meinen. Man kann die ursprüngliche Wochenarbeitszeit auf vier Tage verdichten. Man kann aber auch an vier Tagen weniger Wochenstunden arbeiten und das mit oder ohne Lohnausgleich. Wobei auch Modelle möglich sind, die weder auf feste Arbeitstage setzen noch auf Stundenzahl – das Ergebnis zählt.
Fragt man die Arbeitnehmer nach ihrem Wunschwochenpensum, zeigt sich, dass die meisten eher weniger Zeit im Job verbringen wollen. Laut Sozio-oekonomischem Panel wünschen sich die Menschen in Deutschland im Schnitt eine wöchentliche Arbeitszeit von 32,8 Stunden.
Das ist sogar etwas mehr als die vom IAB angegebene durchschnittliche Wochenarbeitszeit aller Berufstätigen von gut 30 Stunden. Aber es sind vor allem Berufstätige in Vollzeit, die ihr Arbeitspensum von gut 38 Stunden gerne reduzieren würden. Was aber spricht für eine kürzere Arbeitswoche. Dazu Hüther:
Wenn die Leute weniger arbeiten wollen, dann ist das Grund genug. Allerdings wird in den Diskussionen eine Münchhausen-Lösung vorgeschlagen: Es wird suggeriert, dass wir weniger arbeiten, aber das Gleiche herausbekommen können. Doch es gibt nichts umsonst: Wer weniger arbeitet, muss mit weniger Verdienst auskommen – oder belegen, dass seine Leistung entsprechend steigt.
Klar ist für ihn auch, mit der demografischen Entwicklung und der unzureichenden Zuwanderung von Fachkräften ist das derzeitige Arbeitszeitvolumen aller Erwerbstätigen kaum zu halten. Zumal es in den vergangenen drei Dekaden nur geringe Produktivitätszuwächse gab, obwohl Deutschland mitten in der digitalen Transformation ist. Dazu kommt:
Ein Erwerbstätiger in Vollzeit arbeitet bei uns jährlich knapp 300 Stunden weniger als entsprechende Beschäftigte in der Schweiz oder in Schweden. Das Jahresarbeitszeitvolumen ist eines der geringsten weltweit. Dennoch argumentieren Leute, dass wir aus Stressgründen weniger arbeiten sollen? Das kaufe ich nicht. Wir müssten schon gesünder als die meisten sein.
Fratzscher sieht das deutlich entspannter. Er ist sich sicher,
dass es kein Nullsummenspiel ist, wenn Menschen weniger arbeiten. Empirische Studien zeigen recht eindeutig, dass eine geringere Arbeitszeit die Produktivität erhöht, Zufriedenheit und Motivation verbessert und zu weniger Krankheitstagen führt. Der Schlüssel ist, den vielen Millionen Beschäftigten – meist Frauen –, die in Teilzeit arbeiten und gerne mehr arbeiten möchten, die vielen Hürden aus dem Weg zu räumen.
Das ifo Institut sieht aber das Problem durchaus auch beim Lohnausgleich, wenn die Arbeitszeit verkürzt wird:
…. hier wird es ökonomisch heikel: Die Arbeitszeit bei unverändertem Monatslohn um ein Fünftel zu kürzen, würde einer Erhöhung des Stundenlohns um 25 % entsprechen. Für die Unternehmen wäre das nur dann finanzierbar, wenn die Produktivität der Beschäftigten im gleichen Umfang steigen würde – sie also an vier Tagen das leisten, wofür sie heute fünf Tage brauchen.
Zwar zeigten Studien, dass die Leistungsfähigkeit nach mehr als acht Stunden am Tag in der Regel deutlich sinkt. Aber dieses Pensum ist auch nicht die Regel in Deutschland. Sicher, die Ausweitung freier Zeit ist ein legitimes Ziel. Man kann es auch als Konsumgut verstehen, das Nutzen und damit Wohlstand stiftet. Das heißt, wenn
Menschen sich für ein Leben mit mehr Freizeit und weniger Konsum von Gütern und Dienstleistungen entscheiden, ist das ökonomisch weder falsch noch irrational – und dennoch ein gesamtwirtschaftliches Problem. Denn wer Arbeitseinkommen erzielt und es für Konsum ausgibt, trägt mit Steuern und Abgaben zur Finanzierung des Staatshaushalts und der Sozialkassen bei. Wer seine Freizeit genießt, tut das nicht.
Durch die Umlagefinanzierung etwa der Rentenversicherung würden sinkende Arbeitseinkommen infolge der Viertagewoche auch zu sinkenden Renten führen. Ähnliches gilt bei der Kranken- und Pflegeversicherung. Mit sinkenden Einnahmen die wachsende Zahl älterer Menschen angemessen zu versorgen, ist kaum möglich, so Clemens Fuest.
Kommen wir zur oft propagierten Steigerung der Produktivität, wie sie angeblich eine britische Studie bei 60 Unternehmen, die vorübergehend die Viertagewoche bei vollem Gehalt eingeführt hatten, nachgewiesen haben soll. Dort soll die Produktivität im Vergleich zur Fünftagewoche sogar gestiegen sein. Dazu sagt der IW-Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer:
Bei diesem Versuch ist die Produktivität gar nicht gemessen worden, lediglich der Umsatz. Aber der ist kein geeignetes Maß für die Produktivität, denn Umsätze kann ich beispielsweise auch konstant halten, indem ich Leistungen extern zukaufe.
Zugespitzt formuliert er:
Es gibt keinen Beleg dafür, dass die Arbeitszeitverkürzung ursächlich ist für eine Produktivitätssteigerung: Auch beim Versuch in England, wo die Unternehmen berichtet haben, dass die Arbeit produktiver wurde, beruhte das auf Maßnahmen wie dem Kürzen und Weglassen von Meetings. Das sind Dinge, die man natürlich auch ohne Arbeitszeitverkürzung hätte umsetzen können.
Dann stünden Unternehmen, die eine dadurch steigende Produktivität für eine steigende Wettbewerbsfähigkeit nutzen, die besonders im internationalen Wettbewerb notwendig ist, Unternehmen gegenüber, die diese Steigerung in weniger Arbeit mit Lohnausgleich umsetzen. Die Frage ist, wer überlebt länger?
Die Frage, ob die Viertagewoche Segen oder Gefahr ist, kann man also klar mit "kommt drauf an" beantworten. Die Volkswirtschaft ist kein Perpetuum mobile. Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich erfordert große Produktivitätsfortschritte, die nicht wirklich absehbar sind. Auch wenn viele Tätigkeiten mit Bullshit-Charakter abgeschafft werden können. Besonders bei dem demografisch sinkenden Arbeitskräftepotenzial sehe ich Probleme mit einem ggf. volkswirtschaftlich sinkenden Arbeitsvolumen. Flexibilisierung der Arbeitszeiten und Rationalisierung würde sicher helfen, die Zufriedenheit zu steigern. Und falls es Deutschland gelingt, die Digitalisierung und Entbürokratisierung in einen echten Produktivitätssprung umzusetzen, ja dann wäre evtl. auch weniger Arbeiten bei steigenden Löhnen eine Option. Aber wenn die Prognose von Clemens Fuest stimmt, wird das dauern. Er warnt
vor einer Phase „mageren Wachstums“ für Deutschland. „Es wird leider kein Wirtschaftswunder geben, sondern eher etwas in Richtung Schweiß und Tränen“, sagte er dem „Handelsblatt“. Fuest widersprach damit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der aufgrund der Investitionen im Zusammenhang mit dem ökologischen Umbau von einem „neuen Wirtschaftswunder“ gesprochen hatte. „Da sollten wir uns nichts vormachen“ …
Quelle: Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft www.iwd.de
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ich weiß ja nicht, wer alles wie befragt wurde : - ), aber ich kenne viele, die sogar (kleine) Finanzellen Einbußen für die 4-Tage-Woche in Kauf nehmen würden. Alleine, damit man "ein Recht" darauf hätte, die Arbeitszeit zu reduzieren und man sich nicht rechtfertigen muss... Klar, letztendlich müsste sowas Teil eines größeren System-Umbaus sein, allein schon wegen Rente etc. Aber diese Probleme sind ja JETZT schon da, bei VZ=39 Stunden...
Da es hier eine Diskussion gibt. Heute verschickte das gewerkschaftsnahe Wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung diese empirisch unterfütterte Handreichung zur 4-Tage-Woche:
https://www.wsi.de/de/...
Im Fazit heißt es:
Unsere Ergebnisse zeigen: Der Wunsch nach einer
4-Tage-Woche ist dominant unter den abhängig
Beschäftigten. Es handelt sich dabei keineswegs
um eine kleine Gruppe mit avantgardistischen
Zeitwünschen. Vielmehr zeigt sich die Überzeu-
gung von Mehrwerten einer Arbeitszeitverkürzung
auf vier Arbeitstage pro Woche in allen betrachte-
ten Gruppen.
Wichtig ist dabei der Vorbehalt eines vollstän-
digen Lohnausgleichs: Für die Befragten kommt
eine Arbeitszeitreduktion in der Regel nur dann in-
frage, wenn sich hieraus keine Verminderung des
Einkommens ergibt. Dass diese Forderung gut be-
gründet ist, zeigen Evaluationsstudien zur 4-Tage-
Woche.
😁 Die gleichen Überlegungen hat es bei der Einführung der 5 Tage Woche auch schon gegeben.
Was überlegt werden muss, ist, wie die Gewinne, die mit immer weniger menschlichem Arbeitseinsatz gemacht werden, gerecht umverteilt werden. Sonst fängt es an, im gesellschaftlichen Gebälk heftig an zu knirschen, wenn es das nicht sowieso schon tut.
Die etablierten Parteien kriegen ja schon, fast tagtäglich, ihre Qiuttung, durch die jetzt schon gefährlich hohe Zustimmung, zur AFD.