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Feminismen

Erziehst du noch bedürfnisorientiert oder bist du schon rechts?

Theresa Lachner
Journalistin / Systemische Sexualberaterin / Gründerin von LVSTPRINZIP
Zum Kurator'innen-Profil
Theresa LachnerMittwoch, 30.08.2023

Elternschaft ist komplex. Tausend neue Eindrücke und Herausforderungen, dazu tausend mehr oder weniger kluge Ratschläge, Schlafentzug und: Sogar das Gehirn verändert sich nachweisbar. Forschende sprechen von einer Art "zweiter Pubertät" – nachzulesen im sehr spannenden Buch "Mutterhirn" von Chelsea Conaboy.

Viele frischgebackenen Mütter tauschen sich in Mama-Communitys auf Instagram aus, finden dort Halt und gute Tipps. Oft geht es dabei um "bedürfnisorientierte Elternschaft", ein Erziehungskonzept, das viel Wert auf die sichere Eltern-Kind-Bindung zur gesunden Entwicklung des Kindes legt. Klingt erst einmal gut, aber:

„Es zeigt sich immer wieder deutlich, dass es eine Überschneidung gibt zwischen bedürfnisorientierten Eltern und den verschiedenen Ideologien von Impfgegnern und Impfgegnerinnen, Verschwörungstheorieanhängern und -anhängerinnen und rechten Inhalten“, sagt Kleinkindpädagogin und Autorin Susanne Mierau, die Anne Dittmann für diese Recherche interviewt hat. 

Fachliche Expertise haben die wenigsten dieser Momfluencerinnen, dafür hauen sie beispielsweise solche Tipps raus:

Wenn Eltern Süßigkeiten und Fernsehen für ihre Kinder begrenzen, sei das Machtmissbrauch – eine Form von Gewalt. Die wiederum belaste die Eltern-Kind-Beziehung und könne somit Kinder erst recht in die Sucht führen.

Dabei berufen sie sich ferner auf die Thesen von Franz Ruppert, der unter anderem mit Verschwörungstheoretikern wie Ken Jebsen in Verbindung gebracht wird und in seinen Thesen immer wieder das Verhalten der Mutter und ihre Beziehung zum Kind in Zusammenhang mit Trauma, Krankheit und Tod thematisiert:

In einem Youtube-Video mit dem Titel „Frühes Trauma“ zum Beispiel warnt er Schwangere davor, über Abtreibung nachzudenken, denn das spätere Baby könne davon schon ab der Zeugung traumatisiert werden. Ungewollt Schwangere gibt es für Ruppert nicht. Er behauptet, dass es nach einer Befruchtung eine „gewisse Akzeptanz der Mutter“ gebe, „dieses Kind sich einnisten zu lassen“. Bei den Befruchtungsmöglichkeiten nennt er unter anderem Vergewaltigung. Zu Geburtskomplikationen sagt er: Die um den Hals gewickelte Nabelschnur eines Babys sei „vielleicht schon ein ganz früher Suizidversuch“, aufgrund von Traumatisierungen im Mutterleib. Auch auf „frühe Fremdbetreuung“ kommt er zu sprechen – in seinen Augen eine große Gefahr. Dabei werde das Kind traumatisiert, es könne eine Bindungsstörung zur Mutter entwickeln und in Folge eine „lebenslange innere Not“ erleiden.

Der AfD und christlich-konservativen Kreisen gefällt das.

Was zu den wenigsten durchdringt: „Die genannten ‚Fakten’ stellten sich nach einer Prüfung als falsch heraus“, sagt Kleinkindpädagogin Susanne Mierau. „Aber die falsch informierten Familien überprüfen sie nicht, weil sie sich ja gut informiert fühlen. Sie teilen die Informationen weiter, um andere Familien ebenfalls zu, schützen“.

Erziehst du noch bedürfnisorientiert oder bist du schon rechts?

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Kommentare 6
  1. Theresa Bäuerlein
    Theresa Bäuerlein · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

    Danke für diesen Piq, die Frage, warum es in Mama-Communities diese Tendenzen, also sowohl nach rechts, als auch zu Verschwörungserzählungen und Transfeindlichkeit gibt, interessiert mich schon lange! Ich habe dazu einmal diesen Artikel empfohlen: https://www.piqd.de/fu.... Interessant fand ich dabei die Beobachtung der Autorin, dass manche Frauen nach der Geburt ihres Kindes ein Gefühl der Isolation erleben, das in einer verletzlichen Zeit in ihrem Leben entsteht – und sie sich vielleicht erstmals vom "System" (Medizin, Politik) im Stich gelassen fühlen und dann radikalisieren. Ist nur eine Theorie, aber eine interessante. Und natürlich gilt das längst nicht
    pauschal für alle Mütter in Mütterforen etc.

    1. Theresa Lachner
      Theresa Lachner · vor einem Jahr

      Sehr gute Ergänzung, danke liebe Theresa! Ich glaube auch, diese Isolation, gepaart mit Schlafmangel und dem (total verständlichen) Wunsch, für das Kind nur das Beste zu wollen - da kommt es möglicherweise wirklich schneller zu Radikalisierung als anderswo.

  2. Monika Kienle
    Monika Kienle · vor einem Jahr

    Dieser Artikel stellt bedürfnisorientierte Erziehung pauschal ins rechte Eck. Das wird dem Trend und der Intention der Eltern nicht gerecht.
    Grundsätzlich hat jeder Erziehungsstil, wenn er übertrieben wird, seine Grenzen und ja, in Sachen Erziehung suchen Eltern gerne Rat bei Gleichgesinnten.
    Interessant aber, dass sich sich Rechtsideologen dort tummeln, ich hätte sie eher bei "Jedes Kind kann schlafen lernen" (ein Erziehungsrstgeber, völlig vorbei am Bedürfnis des Kindes) vermutet.

    1. Dominik Lenné
      Dominik Lenné · vor einem Jahr

      Ja, ich hätte diese Verbindung auch nicht vermutet.

  3. Lutz Müller
    Lutz Müller · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

    Der SPIEGEL hat mit Chelsea Conaboy, Wissenschaftsjournalistin und zweifache Mutter, über persönliche Erfahrungen und ihr Buch gesprochen. Studien der Hirnforschung werden vorgestellt. Den Artikel fand ich interessant nicht nur für junge Mütter und Väter - für alle, die sich in die Umstellungen des Familienlebens mit Kleinkindern stärker hineinversetzen möchten.

    https://www.spiegel.de...

    oder auf https://blendle.com/se...

    Die leidige Bezahlschranke --- wie kann Wissen eine bessere Verbreitung finden, als hyperschnelle Instagram-Posts?
    Der Untertitel des englischsprachigen Originals von Conaboys Buch, das es auch im Audio-Format gibt, lautet: "Separating Myth from Biology – the Science of the Parental Brain". https://books.google.d...

    1. Theresa Lachner
      Theresa Lachner · vor einem Jahr

      Danke für die Ergänzung, Lutz! Das Buch ist echt super.

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