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Liebe, Sex und Wir

Männer, wir brauchen eure Stimme

Theresa Bäuerlein
Journalistin. Autorin. Seit (gefühlt) schon immer.
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Theresa BäuerleinMittwoch, 11.09.2024

Dies ist ein sehr schwieriger Text, hart zu lesen, es geht um sexuellen Missbrauch. 

Um einen der härtesten Fälle, der in Frankreich je ans Licht kam – vielleicht hast du von ihm schön gehört. Es geht um den unglaublichen Mut des Opfers, Gisèle Pélicot, die ausdrücklich von den Medien und in der Öffentlichkeit mit Namen genannt werden will, die ihr Gesicht zeigt, um anderen Betroffenen ein Vorbild zu sein. Pélicot wurde von ihrem Ehemann Dominique Pélicot jahrelang immer wieder nachts betäubt und dann von Männern vergewaltigt, die er eingeladen hatte.  Fremden Männern, denen er seine Frau auf der anonymen Chatseite „coco.gg“ auf seinem Kanal „À son insu“, also „Ohne ihr Wissen“ fremden Männern zum Sex anbot. Gisèle und Dominique Pélicot waren etwa 50 Jahre verheiratet. 

In diesem Text, einem Substack-Newsletter, schreibt die Autorin, die britische Autorin und Journalistin Caroline Criado-Perez Gedanken auf, die sie angesichts dieses Falls in Bezug auf Männer hat. Gedanken, die sicher viele Frauen haben, die von solchen Fällen hören, sie aber nicht zu so direkt in Worte fassen würden. Vielleicht ist es aber wichtig, das zu tun. 

Denn schockierend an dem Fall ist zum anderen nicht nur die Brutalität. Sondern dass die mutmaßlichen Täter, 83 an der Zahl, Männer waren, die völlig „normal“ wirkten. 51 konnte die Polizei identifizieren, darunter einen Krankenpfleger, einen Feuerwehrmann, einen Journalisten, einen Gärtner, Familienväter. Einer war HIV-positiv. Diese Männer sind jetzt gemeinsam mit dem Ehemann angeklagt. 

Die zweite Sache, über die wir einfach nicht aufhören können zu reden, ist, wie viele von ihnen es gab. Und das in nur einem kleinen Gebiet in Frankreich. Was sagt das darüber aus, wie viele andere Männer so etwas tun würden, wenn sie die Chance dazu hätten? Wie viele Männer in unserem Leben? Männer, die verheiratet sind. Mit Kindern und Enkelkindern. Die wie hingebungsvolle Ehemänner und Väter wirken?

Das ist die Frage, die wir Frauen uns nach dieser Geschichte stellen, wenn wir die Männer um uns herum betrachten. Die Männer, die wir lieben. Die Männer, die wir kennen und denen wir vertrauen. Die Männer, die, anders als wir, nicht über diese Geschichte sprechen, es sei denn, wir sprechen sie an.

An diese vertrauten, geliebten Männer richtet die Autorin eine wichtige Frage: 
Warum sprecht ihr nicht darüber? Beunruhigt euch diese Geschichte nicht genauso sehr wie uns? Seid ihr nicht genauso entsetzt wie wir, dass wir wieder einmal damit konfrontiert werden, wie viele solche Männer es gibt? Wie sie unter uns leben, so gut versteckt, hinter glücklichen Vorstadtehen? Warum sprechen Sie nicht mit Ihren männlichen Freunden darüber? Warum sprecht ihr nicht in der Öffentlichkeit darüber? 

Vielleicht, meint sie, liegt es daran, dass diese Männer glauben, es würde sie nichts angehen, weil sie ja nicht zu denen gehören, die Frauen missbrauchen würden. 

 Es geht euch etwas an.  Männer müssen anfangen, darüber zu reden. Sie müssen sich der Krankheit stellen, die in ihrer Gemeinschaft herrscht, und sie müssen sich damit auseinandersetzen, wie weit verbreitet sie ist. Denn dieses Denken, dieses Verhalten gedeiht im Stillen. Männer, die so denken, müssen wissen, dass ihre Mitmenschen sich nicht insgeheim wünschen, sie könnten es auch tun, wenn sie nur den Mut oder die Möglichkeit dazu hätten. Verdammt, Frauen müssen das wissen. Wir müssen es hören. Wir müssen sehen, wie ihr miteinander darüber diskutiert, und wir müssen wissen, dass es euch genauso beunruhigt wie uns. Wir müssen wissen, dass ihr genauso verzweifelt wie wir nach einer Lösung für diese Geißel der männlichen Gewalt gegen Frauen sucht.

Wenn Gisèle Pélicot darüber kann, kann es wirklich jede:r.

Gisèle ist eine Heldin. Sie hatte das Recht, dass dieser Fall unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wird. Sie hatte das Recht, die schrecklichen Details dessen, was ihr von dem Mann, dem sie über fünfzig Jahre lang vertraut und geliebt hatte, angetan wurde, hinter verschlossenen Türen zu halten. Aber sie hat sich dagegen entschieden. Sie entschied sich dafür, dass ihr Name veröffentlicht wird. Sie entschied sich, auszusagen. Und sie tat dies, weil sie die „Schande“ dessen, was ihr angetan worden war, auf die Männer abwälzen wollte, die es getan hatten. Sie entschied sich, für „jede Frau, die unter Drogen gesetzt wurde, ohne es zu wissen, auszusagen... damit keine Frau leiden muss“. Alles andere, so sagte sie, hieße, ihren Angreifern zu geben, was sie wollten.
Männer, wir brauchen eure Stimme

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Kommentare 4
  1. Lutz Müller
    Lutz Müller · vor 27 Tagen · bearbeitet vor 27 Tagen

    Danke für den Pick.
    Wie Antje Schrupp schon vor einigen Jahren schrieb, gehörte das Thema Vergewaltigung eigentlich nicht in den Kanal "Liebe, Sex und Wir", denn dabei handelt es sich weder um Liebe, noch um Sex: https://forum.eu/liebe....
    Es sind krankhafte Vorstellungen, die das, was Gisèle passiert ist, ermöglichen. Ihre Liebe war gegangen, doch wuchs sie über ihren Schmerz hinaus - eine Heldin, zweifellos.

    Auch in Deutschland erregte der Fall Aufsehen. Gisèle P. „habe durch die Verbrechen ihres Mannes zehn Jahre ihres Lebens verloren, die sie nie zurückbekommen werde. Die Polizisten, die auf ihren Mann aufmerksam wurden, hätten ihr das Leben gerettet“, berichtete vor einer Woche https://www.tagesschau...

    Und gestern ausführlich die taz: https://taz.de/Vergewa...

    Die Beweislast in diesem extremen Fall ist erdrückend. Aber wie oft erleben Frauen nach Übergriffen noch Hindernisse bei der Anzeige von Tätern (Tatverdächtigen) bis hin zu einer Täter-Opfer-Umkehr und neuen seelischen Qualen: https://forum.eu/funds...

    1. Theresa Bäuerlein
      Theresa Bäuerlein · vor 27 Tagen

      Ja, ich habe darüber nachgedacht, in welchem Kanal ich das posten sollte und sehe es in diesem Fall anders. Denn das Thema, die Botschaft des Textes ist Zusammenhalt, es geht tatsächlich um ein “wir”… “die Männer, die wir lieben und denen wir vertrauen”, wie im Text steht. Ich habe mich daher bewusst für diesen Kanal entschieden.

    2. Lutz Müller
      Lutz Müller · vor 27 Tagen · bearbeitet vor 27 Tagen

      @Theresa Bäuerlein In diese Richtung ging auch meine Überlegung, und noch weiter:
      Das "Wir" für Liebe, Nähe, Vertrauen, aber auch für die gesellschaftliche Wahrnehmung von Missbrauchsfällen, nach denen sich viele Betroffene auch in Zeiten sexueller Aufklärung immer noch allein fühlen.

  2. Ferdinand H
    Ferdinand H · vor 28 Tagen

    Danke für diesen Artikel

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