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Selbstoptimierung hilft nicht gegen Stress – eine gesunde Arbeitswelt braucht radikale Maßnahmen

Teresa Bücker
Journalistin
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Teresa BückerMittwoch, 08.01.2020

Das neue Jahr starten viele Menschen mit dem Vorsatz, es gelassener angehen zu lassen und erinnern sich an ein anstrengendes Vorjahr. Dieses Jahr will ich achtsamer sein! Mehr schlafen. Gesünder leben. Öfter Freund*innen treffen. Für all diese Themen ist der Markt der Ratgeber, Apps und Online-Coachings groß. Gelassener leben kann ich also nur, wenn ich vorher Zeit investiere und lerne, wie ich zu dem Zustand zurückkomme, in dem ich keinen Raubbau mehr an der eigenen Gesundheit betreibe. Ist das nicht komisch? Sollten wir nicht wissen, was uns gut tut und was nicht?

Nora Schareika stellt in ihrem Text für die Wirtschaftswoche etwas Wichtiges heraus: Das Bewusstsein über das stressige Leben und Arbeit, die aufgrund ihrer Dichte und Menge schaden kann, ist gestiegen. Neben die Selbstoptimierung der einzelnen ist das betriebliche Gesundheitsmanagement getreten, das mit allerlei Maßnahmen versucht, die Mitarbeiter*innen fit und produktiv zu halten. Doch es klappt nicht. Die Krankschreibungen, die auf psychische Erkrankungen zurückzuführen sind, steigen seit Jahren. Angestellte geben immer öfter an, mit Aufgaben überladen zu werden, die in ihrer Arbeitszeit nicht zu schaffen sind.

Durch Selbstoptimierung wird der Stress eher noch verstärkt: Zur Vereinbarkeit von Job und Familie treten nun auch noch Kalendereinträge mit Medidation, Yoga und ein Stapel von Ratgebern. Dabei liegt doch auf der Hand: Gegen Stress hilft vor allem, weniger Aufgaben in einen Tag quetschen zu müssen und wirklich freie Zeit.

Nora Schareika plädiert für „rabiate Maßnahmen“ und stellt einige ausgewählte vor, über die wir 2020 weiter diskutieren und diese Ideen sowohl in Unternehmen als auch die Politik tragen sollten.

Gerade machte eine ältere Forderung von Sanna Marin, neue finnische Ministerpräsidentin, Schlagzeilen. Die Politikerin hatte im letzten Sommer, als sie noch Verkehrsministerin war, auf einer Podiumsdiskussion über die 4-Tage-Woche nachgedacht. Die Resonanz, die ihre Idee zu Beginn des neuen Jahres erfuhr, ist groß – auch wenn sie nicht Teil des finnischen Regierungsprogramms ist. In Deutschland haben schon Vordenkerinnen wie die Soziologin Jutta Allmendinger die 32-Stunden-Woche gefordert. Als Manuela Schwesig, damals Bundesfamilienministerin eine Verkürzung der Arbeitszeit für Eltern forderte, wurde sie nicht einmal von ihrer eigenen Partei unterstützt.

Ist die Zeit nun reif?



Selbstoptimierung hilft nicht gegen Stress – eine gesunde Arbeitswelt braucht radikale Maßnahmen

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Kommentare 8
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor fast 5 Jahre

    Natürlich ist gesellschaftlich zu klären ob man für "weniger" Arbeitszeit das gleiche Gehalt bekäme - für die übergangszeit. letztendlich ist das aber die Diskussion um Stundenlöhne im neuen Gewand. und die zweite oft vernachlässigte frage nach der Arbeitszeit von Pflegern Ärzten Polizisten etc... (Wieso es erlaubt ist dass zb Ärzte Doppel- und Dreifach-Schichten arbeiten, ist mir unerklärlich).
    Grundsätzlich aber zb auf eine 4 tage Woche bzw. eine 32 std.Woche umzustellen, ist eigentlich kein großes Problem.
    Wir arbeiten ja heute auch nicht mehr 50 std etc.
    letztendlich ist das sowieso - neben den individuellen psychischen Aspekten - gesellschaftlich-wirtschaftlich nötig wen man an Arbeitslosenzahlen und durch Digitalisierung und Automatisierung wegfallende Arbeitsplätze denkt.

  2. Gabriele Feile
    Gabriele Feile · vor fast 5 Jahre

    Danke für den piq. Mir fehlen die "radikalen" Maßnahmen in dem Artikel. Eine Reduzierung der Arbeitszeit klingt sexy, bringt aber nichts, wenn die Menge der Arbeit gleich bleibt. Dann tue ich mehr - in weniger Zeit. Wir brauchen dann also ein klares Loslassen von Bullshit-Aufgaben und die Verteilung von wertschöpfender Arbeit auf mehr Menschen.

    Doch auch das ist nur ein Zwischenschritt. Denn es geht darum, die Fragen zu beantworten:

    Wofür arbeite ich eigentlich? Um mir die tollen Reisen und die neueste Mode leisten zu können? Um das hippe Smartphone zu besitzen oder endlich ein Eigenheim? Und welche Bedürfnisse befriedige ich genau damit? Gibt es einen leichteren Weg, diese zu befriedigen? Womöglich einen, der weniger Geld kostet und weniger Zeit? Und wo (bei wem) finde ich die Antworten auf diese Fragen? Wer ehrlich zu sich selbst ist, erkennt sehr schnell: es liegt an mir! Und nein: ich muss mich nicht selbst noch besser optimieren. Ich darf mich einfach so nehmen, wie ich bin - und so sein, jeden Tag.

    Ja, das ist radikal, aber darum geht's ja, oder?

    1. Leon Leuser
      Leon Leuser · vor fast 5 Jahre

      Nun ja, aber um aus dem Hamsterrad und dem gegenseitigen Vergleichen rauszukommen und für neue "Normalitätsvorstellungen" würde eine Reduktion der Normalarbeitszeit auf jeden Fall helfen. So kann man sicherlich bei dem ein oder anderen Unternehmen freiwillig reduzieren, aber man hat immer das Gefühl, dass man dadurch ins hintertreffen gerät.
      Die Fragen, die du, Gaby, schreibst, sind sicherlich super wichtig. Aber die muss jeder für sich selbst beantworten. Eine Reduktion der Arbeitszeit wäre eine gesellschaftliche Maßnahme.

    2. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor fast 5 Jahre

      @Leon Leuser Hm, ist es wirklich eine gesellschaftliche Maßnahme, wenn wir die Arbeitszeit reduzieren? Oder ist das etwas, das jedes Unternehmen "einfach" tun kann? Dafür gibt es ja schon einige Beispiele. In unserem Unternehmen haben wir z.B. beschlossen, Zeit nicht mehr als "Maßeinheit" zu nutzen.

      Jede/r Einzelne kann seine/ihre Arbeitszeit auch reduzieren. Viele glauben aber, dass ihnen dann das Geld nicht reicht. Und genau das ist das Dilemma, das sich mit den erwähnten Fragen lösen lässt. Und, ja: diese kann jede/r für sich selbst beantworten.

      Ich habe prinzipiell übrigens nichts gegen eine allgemeine Verringerung der Arbeitszeit. Nur glaube ich, dass das lediglich die Symptome "heilt", nicht die Ursache.

    3. Leon Leuser
      Leon Leuser · vor fast 5 Jahre

      @Gabriele Feile Aber besteht nicht die Gefahr, wenn Zeit als "Maßeinheit" nicht mehr da ist, dass es zu total ausuferndem Arbeiten kommt?

    4. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor fast 5 Jahre

      @Leon Leuser Mit dieser Frage habe ich gerechnet ;-).

      Ja, die Gefahr besteht tatsächlich. Deshalb ist es so wichtig, dass jede/r zunächst mit sich selbst "im Reinen" ist, und sich selbst gut kennt. Ansonsten klappen all die schönen Ideen nicht, die von agil bis zeitverkürzend da sind.

      Ich gebe zu: das ist ein heres Ziel. Wir alle stehen dabei erst am Anfang.

      Für mich kann ich sagen, dass ich zeitlich nicht länger arbeite. Ich arbeite viel fokussierter und schaffe mehr, anstatt mich zu beschäftigen.

    5. Leon Leuser
      Leon Leuser · vor fast 5 Jahre

      @Gabriele Feile das klingt interessant! Wäre sicherlich spannend zu überlegen ob man dazu vielleicht Weiterbildungsmaßnahmen machen könnte um Mitarbeiter*innen entsprechend zu schulen.

    6. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor fast 5 Jahre

      @Leon Leuser Oder mit ihnen einfach auf den "Tunberg" steigen, dann er-leben sie es direkt, statt es nur zu wissen. https://www.klub-der-k...

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