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Von der Bühne in den Krieg - Theaterleute in der Ukraine

Susanne Franzmeyer
Piqer für Radio Features
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Susanne FranzmeyerMittwoch, 25.05.2022

„Ausgerechnet für Freitag, den 25. Februar war ein Stück geplant. Und das nächste für den 26. Februar. Das hat sich ganz schnell geändert.“

Wir alle erinnern uns wohl gut an die Bilder des am 16.03.2022 durch einen russischen Luftangriff zerstörten Theaters von Mariupol. Schutzsuchende hatten vor dem Gebäude in großen Lettern das Wort „Kinder“ als Warnhinweis platziert – wohl in dem Glauben, das Theater sei ein sicherer Ort und die Russen würden schon nicht auf eine solche Idee kommen, dort zu bombardieren.

„‘Um das Theater herum haben sich immer viele Menschen versammelt. Die Menschen dachten, das sei der sicherste Ort. Auf dem Platz vor dem Theater hat man sich gegenseitig mit neuesten Nachrichten versorgt. Da war auch das Rote Kreuz, die Feldküche, Kinder. Jedes Mal, wenn der Beschuss anfing, rannte man zurück ins Theater.‘ – ‚Hin und wieder bin ich zum Theater gegangen. Es wurde Wasser dorthin geliefert, denn es gab kein fließendes Wasser mehr. Manchmal habe ich auch Schnee geschmolzen. Ich habe gesehen, wie die Leute ‚Kinder‘ in großen Buchstaben auf den Platz vor und hinter dem Theater geschrieben haben.‘“

Die Theatermacherin und Radioautorin Inga Lizengevic, die in Russland, Belarus und der Ukraine aufwuchs, hat für dieses Format ein erstaunlich aktuelles und sehr eindrückliches Feature über Theatermacher in der Ukraine umgesetzt, das aktuell in der ARD Audiothek nachzuhören ist: „Bomben statt Premieren – wie ukrainische Theaterschaffende den Krieg erleben.“

„Du hörst, wo der Kampf stattfindet, und du weißt, dass da ein Angehöriger wohnt, ein Cousin, ein Kollege, die Eltern, und du kannst nicht hin. Das Schlimmste war: Du fühlst dich nicht in Sicherheit. Du versteht, dass du jederzeit verschwinden kannst und musst dem älteren Sohn beibringen, wie er sich in so einer Situation verhalten soll, ohne zu sagen ‚falls ich sterbe…‘ – du musst ihm die Situation behutsam erklären, dass er, wenn nötig, keine Angst haben darf und zu unseren Soldaten gehen muss.“

Ausgesetzte Premieren, abrupt zerschlagene Zukunftspläne, Flucht, Trennung von geliebten Menschen und Orten, der Wechsel von der Bühne an die Front oder aus dem warmen, gemütlichen Familienzuhause in den vereisten stickigen Keller – wie unglaublich und unwirklich das alles auf die Betroffenen wirkte, bekommt die Hörerschaft hier hautnah mit. Vertraute Alltagserfahrungen weichen mit einem Schlag ausgelöscht und bekommen einen neuen, einen düsteren Anstrich.

„Dieser Geruch des Feuerholzes erinnert an ein Picknick. Man läuft, macht die Augen zu und spürt den Geruch von frischem Holz und Essen – ein friedlicher, freudiger Geruch. Dann macht man die Augen auf und sieht ein kaputtes Auto, einen ausgeplünderten Laden, die verrußten Gesichter und Hände der Menschen. Feuer ist für mich nicht mehr feierlich.“

Die Flucht aus der umlagerten Stadt Mariupol gestaltet sich als immer schwieriger, auch für die Schauspielerfamilie mit Kindern:

„Wir sind losgefahren. Unterwegs sehen wir einen ausgebrannten Bezirk. Am Kontrollpunkt sagt man uns, wir dürfen nicht raus. Unsere Soldaten erklären, dass Da gekämpft wird und es sehr gefährlich ist. Dass wir bitte auch nicht zu dem anderen Posten sollen, denn da feuert ein Panzer auf die Autos. Sie erklären, wie wir fahren sollen, also fahren wir zum dritten Kontrollposten. Da steht das Rote Kreuz und ganz viele Autos, die seit Stunden darauf warten, dass sie durchgelassen werden. Wir beschließen, trotzdem zu fahren. Die Soldaten halten uns an. Ob wir wohl verstehen, dass da gerade ein Auto brennt mit genau solchen Leuten drin, die einfach so losgefahren sind? Bitte fahren Sie zurück und begeben Sie sich in den Keller.“

In einer Welt der Kulturschaffenden, die sich mit den schönen Künsten beschäftigt, wirkt die Brutalität des Krieges umso härter und steht in unvorstellbarem Kontrast zur vorher gelebten Realität der Theaterleute.

„Als wir gehört haben, dass eine Bombe auf das Theater geworfen wurde, musste ich sofort an all die Kinder denken. Ich wusste, unsere Kollegen sind da, ich wusste, da waren viele Kinder. Ich habe vorher mit dem Roten Kreuz gesprochen. Ich habe die Busse gesehen, mit denen sie dorthin gebracht wurden. Dem Gebäude habe ich nicht nachgetrauert, obwohl es mein Lieblingsgebäude ist, seit meiner Kindheit. Das ist fast mein ganzes Leben. Und trotzdem konnte ich in dem Moment nur an die Kinder denken.“

Von der Bühne in den Krieg - Theaterleute in der Ukraine

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