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Medien und Gesellschaft

Warum Artikel im Netz Geld kosten – auch wenn es manche nervt

Simon Hurtz
Journalist, Dozent, SZ, Social Media Watchblog

Mag es, gute Geschichten zu erzählen.
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Simon HurtzFreitag, 12.11.2021

*Willkommen im 22. Türchen des piqd-Adventskalenders.*

Jeder kennt es, niemand mag es: Man sieht einen Tweet, der neugierig macht, oder bekommt einen Link per Messenger geschickt. Dann will man den Text lesen – und stößt an eine Paywall.

Ich arbeite selbst für die SZ und andere Medien, die für immer mehr Inhalte Geld verlangen. Regelmäßig führe ich Diskussionen, ob Verlage das dürfen, ob das nicht unfair sei, ob Artikel über die Corona-Pandemie oder andere wichtige Themen nicht grundsätzlich frei lesbar sein müssten.

Andrea Pauly geht das offenbar ähnlich. Sie leitet das Audience Development beim Fränkischen Tag und baut beruflich Paywalls. In 15 Tweets versucht sie zu erklären, warum Medien ihre Inhalte nicht einfach verschenken können und auf Abonnements angewiesen sind.

Unter dem Thread hat sich unter anderem Thomas Knüwer zu Wort gemeldet:

Ihre gesamte Argumentation zeigt leider, dass die Medien keinen Schritt weiter kommen. Sie machen Ihre Probleme zu denen Ihrer Kunden und das funktionierte früher eben, weil der Medienmarkt disfunktional war.

Er verweist auf einen älteren Text von ihm, der tatsächlich einige gute Argumente enthält. Manches empfinde ich aber auch als übertrieben und allzu nörglerisch. Natürlich haben Verlage die Digitalisierung viel zu lang nicht ernst genommen und frustrierend lang gebraucht, vernünftige Bezahlmodelle zu etablieren. Doch es gibt etliche etablierte Medienmarken, die erfolgreich digitale Abos verkaufen.

Ich verstehe nicht, warum Pauly "ihre Probleme zu denen ihrer Kunden macht", wenn sie darlegt, warum viele Verlage auf Paywalls angewiesen sind. Der Thread ist jedenfalls frei und ohne Paywall lesbar, deshalb will ich nichts vorwegnehmen. Wer nicht durch die einzelnen Tweets scrollen will, kann sich mit Threadreader behelfen.

Warum Artikel im Netz Geld kosten – auch wenn es manche nervt

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Kommentare 17
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor fast 3 Jahre · bearbeitet vor fast 3 Jahre

    es wurde ja schon viel hier dazu gesagt.
    Einen weiteren vorschlag von mir: alle bezahl-Texte werden nach zb 5 Tagen kostenfrei - damit bleibt der demokratische Ansatz gewahrt weil man immer noch an guten Journalismus kommt. Und wer schnell sein will bezahlt.
    wer es sich nicht leisten kann muss ein bissl warten.

    trotz des englischen NEWS sind viele Artikel doch tatsächlich keine die nicht auch noch nächste Woche gut sind.
    Hinzu kommt dass das vielleicht Diskussionen entzerrt da eben nicht "sofort" alles gelesen und kommentiert wird.

  2. Jürgen Klute
    Jürgen Klute · vor fast 3 Jahre

    Ich habe gar nichts gegen das Bezahlen von Artikel im Internet. Journalist*innen wollen auch leben und müssen daher Geld verdienen wie jede*r andere auch. Und gute und sorgfältige Recherchen kosten ebenfalls ihr Geld. Was mich nervt ist die Bezahlmethode. Vor dem Internet habe ich eine, maximal zwei Zeitungen gelesen. Das Internet ermöglicht mir aber andere Lesegewohnheiten. Heute verfolge ich bestimmte Themen quer über alle Medien hinweg. Eine zeitlang war das problemlos möglich, da Zeitungen – wie etwa der Spiegel – für bestimmte Artikel einen Preis erhob, meist so 6o oder 70 Cent. Den Preis habe ich gerne bezahlt und diese Bezahlmethode entsprach meinen Lesegewohnheiten im Internet. Vor ein paar Jahren haben dann die deutschen Zeitungen verstärkt begonnen, wieder Abo-Modelle aus der Zeit vor dem Internet einzuführen. Diese Bezahlmodell entspricht nach meinem Empfinden nicht dem Internet. Und deshalb lehne ich das traditionelle Abo-Modell von Spiegel, SZ, ZEIT, etc. auch ab. Wenn ich drei oder vier Artikel pro Monat aus einer Zeitung spannend finde, dann bin ich nicht bereit, dafür ein Monats-Abo für alle Artikel abzuschließen. Mir fehlt einfach das Geld, um ein Dutzend Zeitungen im Monats-Abo zu bezahlen. Ich bin aber bereit, für die Artikel, die mich interessieren, einen Artikel bezogenen Preis zu zahlen. Ich beklage mich also nicht darüber, dass Journalismus Geld kostet, sondern ich beklage mich über die aktuellen Bezahlmethoden. Da wünsche ich mir von Verlagen mehr Phantasie und Kreativität, neue und dem Leseverhalten im Internetzeitalter entsprechende Bezahlmodelle zu entwickeln. Auch Modell wie das der Schweizer Zeitschrift Republik (Genossenschafts-Modell) halte ich nicht für eine zukunftsweisende Lösung. Ich würde es sehr begrüßen, wenn die Kolleginnen hier auf Piqd stärker auch über alternative zeitgemäße Bezahlmethoden für journalistische Arbeit diskutieren würden, um neue Lösungen zu entwickeln. Denn ich kann mir vorstellen, dass es nicht nur mir so geht, wie zuvor beschrieben.

    1. Daniela Becker
      Daniela Becker · vor fast 3 Jahre · bearbeitet vor fast 3 Jahre

      Bei RiffReporter bieten wir alles an: Einzelpay, Abos einzelner Projekte, Spenden, Direktunterstützung von Autor:innen., Abos des Gesamtangebots. Ich kenne kein Medium im deutschsprachigen Raum, dass so ein ausgeklügeltes System anbietet. Wir haben das komplett ohne Verlag gestemmt. Aber Teil der Wahrheit ist, dass Einzelpay oft verlangt, aber selten genutzt wird. Durch die Gebühren, die wir an die Bezahldienstleister (insbesondere Paypal ist sehr teuer) abgeben müssen, bleiben oft nur Cent-Beträge hängen. Zudem kann man davon keine langfristige Arbeit bezahlen. Wer (freien) Journalismus unterstützen will, sollte (uns) abonnieren.

    2. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor fast 3 Jahre

      @Daniela Becker Gibt es auch sowas wie eine 10er-Karte bzw. ein Guthaben, das nach und nach eingelöst werden kann?

    3. Daniela Becker
      Daniela Becker · vor fast 3 Jahre

      @Gabriele Feile Bei uns nicht, das ist jeweils sehr hoher Programmieraufwand. Aber wie gesagt, Spendemöglichkeit und Einzelpay gibt es jederzeit. Viele Texte sind ganz kostenfrei. (Und unterstützende Genossin kann man auch werden ;)

    4. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor fast 3 Jahre

      ...wir denken dauernd darüber nach und diskutieren auch immer wieder mit Verlagen da drüber. Nicht umsonst findest du auch in dem Thread von Frau Pauly meine Kommentare. Die ganz in deinem Sinne sind. Es gibt kein Vertun - diese Praxis der Verlage ist nicht webby und letztlich nicht zukunftsfähig. Frag mal meine 18jährige Tochter, was sie davon hält für 2 komplette, digitale Zeitungen 50€ /Monat zu zahlen. Wenn man das jetzt beurteilen will, muss man aber vor allem verstehen, dass es eben aktuell noch funktioniert für die Verlage und zwar ziemlich gut. Mindestens weiß ich das zuverlässig von Spiegel und SZ. Das liegt vermutlich daran, dass sie aktuell eben noch ehemalige Print-Leser konvertiert kriegen. Und man muss auch verstehen, dass der Einzelkauf, so wie er gemacht wurde, eben nicht funktioniert hat für die Verlage und auch blendle scheinbar nicht - wobei sich die Verlage auch nie bemüht haben, blendle als Lösung groß zu machen...mag daran liegen, dass Springer da engagiert war, aber das weiß ich nicht.

      Für piqd ist das Geschehen jetzt ein wachsendes Problem. Lösungen gesucht. Vielleicht kommen wir mal an einen Punkt, wo wir da eine Rolle übernehmen könnten als gemeinnützige Plattform...

    5. Simon Hurtz
      Simon Hurtz · vor fast 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Ich verstehe eure Anmerkungen und den Wunsch, einzelne Artikel kaufen zu können. Leider hat das bislang für keinen einzigen großen Verlag funktioniert. Der Spiegel hat es ja länger ausprobiert. Am Ende blieb kaum was hängen, der technische und organisatorische Aufwand war viel zu hoch. Stefan Ottlitz erklärt das alle paar Wochen Leuten auf Twitter, die sich über das Abo-Modell beschweren.

      Auch Blendle ist krachend gescheitert. Dazu haben die Verlage sicher selbst beigetragen, aber mir fehlt der Glaube, dass sich mit Einzelverkäufen eine Redaktion finanzieren lässt. Als Ergänzung zu einem Abo-Modell ergibt es wenig Sinn, weil Tausende verkaufte Artikel weniger Wert sind als eine Handvoll Abos – und die Existenz des Einzelverkaufs manche Menschen davon abhält, ein Abo abzuschließen.

      Apropos Abo-Modell: Es stimmt nicht ganz, dass Digitalabos nur deshalb funktionieren, weil ehemalige Print-Leserïnnen konvertieren. Bei der SZ und Zeit Online liegt das Durchschnittsalter der Digitalabonnentïnnen *deutlich* unter der Print-Leserschaft. Angesichts vieler Erfolgsgeschichten bin ich auch nicht sicher, ob es stimmt, dass "die Praxis der Verlage nicht zukunftsfähig" ist.

      Zumindest einige größere Medien werden den Wechsel auf digital und online schaffen. Bitter wird es für viele Regional- und Lokalzeitungen, die noch stärker am Printgeschäft hängen. In den kommenden fünf bis zehn Jahren wird sich der deutsche Medienmarkt grundlegend neu sortieren. Ein Blick in die USA zeigt: Das könnte für etliche Verlage bitter enden.

    6. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor fast 3 Jahre

      @Simon Hurtz ich wünsch mir ja irgendwie, dass du recht hast...und kenne auch die Lösung nicht. Besser als wenn die großen Redaktionen gar nicht mehr existieren können, ist es für uns alle. Bitter ist es allemal, denn natürlich werden diese hochqualitativen Produkte dann sehr "elitär" sein und nicht mehr das breite Publikum bekommen, das sie jetzt haben, weil sie kaum mehr social media fähig sein werden. Welche Inhalte mit was für Hintergründen und welcher Agenda sich dann sonst da breit machen, stelle ich mir ungern vor.

      Ich mache den Verlagen keine Vorwürfe für die aktuelle Praxis. Ich mache ihnen eh gar keine Vorwürfe und kann mit Knüwers text wenig anfangen. Ich denke aber schon, dass die Verlage gut beraten wären, weiter nachzudenken - denn Produkte, die nicht den User-Willen im Fokus haben, werden sicherlich zunehmend unter Druck geraten. Dieser User Wille ist ja vielfach formuliert unter Paulys thread und hier auch und dir muss man ihn eh nicht erklären.
      Also was könnten Lösungen sein? Warum genau ist denn blendle gescheitert? (und warum the heck haben SZ, NZZ, Spiegel uvm immer noch ihre Inhalte da drin dann?)

      moonshot: NZZ, SZ, Spiegel, FAZ, Zeit und ein paar andere verkaufen alle ein "Abo plus". Ist dann sagen wir mal 8€ teurer. Alle beteiligten Redaktionen piqen 2 Inhalte in der Woche im passen piqd Kanal. Alle "Abo plus" Zahler, egal bei welchem Verlag, bekommen die freigeschaltet bei piqd.

      ...jedenfalls weiterdenken...

    7. Daniela Becker
      Daniela Becker · vor fast 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Es wird auch demokratisch ein Problem werden: Die meisten gut recherchierten Texte hinter Bezahlschranke, der Müll kostenfrei - um es mal überspitzt auszudrücken. Das kann man gesellschaftlich eigentlich nicht wollen.

    8. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor fast 3 Jahre

      @Daniela Becker ja das hab ich gemeint.

    9. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor fast 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Genau das ging mir durch den Kopf: Eine zentrale Plattform, so wie piqd, bei der diverse Verlage und vielleicht auch private Anbieter:innen ihre Inhalte anbieten können. Die Leserschaft kann mit nur EINEM Abo auf ein bestimmes Volumen zugreifen, evtl. nach Kanälen. Ja, das ist aufwändig bei der Abrechnung für die Anbietenden, vermute ich. Aber es wäre nutzerfreundlicher und innovativ. Und vielleicht ist Kooperation satt Konkurrenz auch im Verlagsgeschäft die Zukunft. Klar: Eine Einheitspresse darf daraus nicht werden. Stattdessen könnte man zu einem Thema mehrere Blickwinkel finden, ohne dass man sich durch alle Blätter und Seiten wühlen muss.

    10. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor fast 3 Jahre

      @Gabriele Feile ziemlich genau das ist ja blendle...allerdings mit schlechter Suche und Oberfläche...oder gar Themenkanälen.
      Aber auch wenn man blendle besser machte und auch wenn die Verlage es bekannt machen würden - ich glaube nicht, dass so eine zentrale Plattform das Problem lösen würde für die Verlage. Denn wie teuer könnte das Abo schon sein? Und wenn da dann viele mitmachen, verteilen sich die Einnahmen vermutlich einfach zu krass, als dass noch ein Schuh für den einzelnen Publisher draus würde.

      Aber ja - kooperativ muss die Lösung jedenfalls sein, das ist anders schwer vorstellbar. So ein Publisher Club könnte zB auch zu einem Abo immer eine Erweiterung verkaufen, die es nur den Abonent*innen eines der Produkte ermöglicht, jeden Monat eine begrenzte Anzahl von Einzelbeiträgen bei den anderen beteiligten Produkten zu lesen. Also ich zahle jetzt für mein SZ Abo 10€ mehr und kann dafür 10 Beiträge im Monat beim Spiegel, Zeit, NZZ oder sonst wem lesen...würde ich sofort kaufen.

  3. Wiebke Reißig-Dwenger
    Wiebke Reißig-Dwenger · vor 3 Jahren

    Nichts gegen Paywalls. Natürlich müssen Artikel auch im Netz Geld kosten. Wir Schreiber möchten und müssen schließlich für unsere Arbeit ebenfalls Geld verdienen.
    Dennoch möchte ich bei der heutigen Art, mich zu informieren - themenorientiert quer durch verschiedene Medien - nicht jedesmal ein Abonnement abschließen müssen, um einen Artikel lesen zu können. Das geht zumindest an meinen heutigen Lesegewohnheiten vorbei.
    Es muss dahe die Möglichkeit geben (oder geschaffen werden), Beiträge auch einzeln zu bezahlen.

    1. Michael Praschma
      Michael Praschma · vor 3 Jahren

      Ja, und ich will das noch zuspitzen. Legitim finde ich, wenn – mit oder ohne Zahlung – ein Probeabo geboten wird, aber nur solange es automatisch endet. Bitte, ich bin bereit, mich anflirten zu lassen. Wo ich mich verärgert abwende: Wenn der Vertrieb damit spekuliert, dass ich vergesse, das Probeabo zu kündigen, und mich dann für gutes Geld einen Monat mindestens oder mehr ordentlich blechen lässt. Ich habe etwas anderes zu tun, als mir so etwas in den Kalender zu schreiben. Dann lieber 1, vielleicht sogar 2 Euro ruckzuck mit Paypal und gut ist.

    2. Sebastian Strub
      Sebastian Strub · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

      die Antwort gibt es schon, heisst Lightning Network, wird von BTCpay Server, OpenNode o.ä. angeboten und bei Substack bereits verwendet. Mit 2 Zeilen Code lässt sich eine Paywall in eine Seite einbinden, die Mikro-Transaktionen empfangen kann für vernachlässigbare Gebühren. Das wird in ein paar Jahren Standard sein, wenn Browser Extension Wallets die Convenience für die User perfektioniert haben.

    3. Marion Bruchhäuser
      Marion Bruchhäuser · vor fast 3 Jahre · bearbeitet vor fast 3 Jahre

      @Sebastian Strub Kannst du mir sagen an welcher Stelle Substack das verwendet? Ich finde dort nur konventionelle Bezahlmodelle.

      Mein Kollege wies btw darauf hin, dass https://nano.org eine noch bessere Variante wäre.

      Danke!

    4. Sebastian Strub
      Sebastian Strub · vor fast 3 Jahre

      @Marion Bruchhäuser Es wird aktuell noch ausgerollt. Z.B. bei https://thebitcoinlaye... kannst du via Lightning bezahlen. Sobald die neue Version der Lightning Spezifikation draussen ist, kannst du so auch Abonnements begleichen.
      Es gibt auch schon Browser-Extensions wodurch man auf allen Seiten bezahlen und sich identifizieren kann: https://addons.mozilla...
      Was diese andere Kryptowährung anbelangt die du nennst: ev. deckt sie diese Use Cases ab, hat aber keine Verbreitung und ist nicht dezentral. Nur bei Bitcoin Lightning können Plattform, Autor und Leser sicher sein, dass ihr Geld nicht morgen inflationiert, konfiskiert, reguliert oder verboten wird.

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