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Medien und Gesellschaft

Natürlich darf man mit Rechten lesen – aber man muss es nicht

Simon Hurtz
Journalist, Dozent, SZ, Social Media Watchblog

Mag es, gute Geschichten zu erzählen.
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Mag es gar nicht, in der dritten Person über sich zu schreiben.

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Simon HurtzMittwoch, 07.11.2018

Die Vorgeschichte: Autorin (und piqerin) Margarete Stokowski hat ihre Lesung in der Münchner Buchhandlung Lehmkuhl abgesagt. Sie wolle nicht mit einem Veranstalter zusammenzuarbeiten, der Bücher des Antaios-Verlages verbreitet, damit rechtsextremes Denken normalisiere und dem Verlag Gewinne beschere. Geschäftsführer Michael Lemling fragte öffentlich:

Wie steht es um die Debattenfähigkeit der streitbaren Spiegel-Kolumnistin Margarete Stokowski, die einen linksliberalen Veranstaltungsort wie Lehmkuhl zur No-go-Area erklärt, weil er nicht in ihr "Antifa ist Handarbeit"-Konzept passt?

Aus Sicht der Buchhandlung mag es schade sein, die ausverkaufte Lesung Ende November absagen zu müssen. Die Reaktion wirkt dennoch etwas eingeschnappt, wenn man sich die Stellungnahme von Stokowski anschaut, mit der sie ihre Absage begründet. Darin veröffentlicht sie den Mailwechsel, den sie mit Lemling führte, und erklärt, wie es zur Entscheidung gekommen ist.

Im Deutschlandfunk Kultur kommentiert Thorsten Jantschek die Auseinandersetzung. Er plädiert dafür, dass auch Linke die Bücher von Rechten lesen und sich mit deren Meinungen befassen sollen. Ihm geht es nicht um Diskursverweigerung. Dennoch findet er es falsch, dass Lehmkuhl ein Regal mit dem Titel "Neue Rechte, altes Denken" aufstellt und dort dem Antaios-Verlag eine Bühne bietet.

Was steckt denn hinter einer solchen Maßnahme für eine Vorstellung von Debattenkultur? Hier wird gar nicht in einen Diskurs gebracht, was in einen Diskurs gehört. Hier wird segmentiert. Es ist doch viel interessanter, wenn es sein muss, das Buch von Alexander Gauland neben das neue großartige Buch von Olaf Sundermeyer über Gauland zu stellen.

Jantschek hält solch ein Regal für "die schauerliche Geisterbahn fürs linksliberale Bürgertum", die das Diktum vom 'links-rot-grün-versifften 68er-Deutschland' bestätige.

Ich kann verstehen, dass Margarete Stokowski ihre Lesung abgesagt hat. Aus persönlichen, politischen Gründen, als individueller Protest.
Natürlich darf man mit Rechten lesen – aber man muss es nicht

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Kommentare 2
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 6 Jahren

    Im Perlentaucher fand ich das:
    Sehr einschlägig und sachkundig erklärt Per Leo, einer der Autoren des Buchs "Mit Rechten reden", im Welt-Interview mit Mara Delius, warum es grundfalsch ist, nur die eigene Haltung zu demonstrieren, anstatt sich für die Auseinandersetzung mit Rechtsextremen eine Strategie zu überlegen. Die haben nämlich eine:
    "Der Witz ist, dass man genau das aus den Büchern lernen könnte, die bei Lehmkuhl im Regal stehen. Sie sind nämlich mit Bedacht ausgewählt. Wir reden hier ja nicht über irgendwelche Hetzliteratur, sondern über drei Bücher aus dem AntaiosVerlag. Deren Verleger Götz Kubitschek ist kein Denker. Er versteht etwas von Literatur, aber von Theorie und Ideengeschichte hat er keine Ahnung. Darum hat er auch nur einen einzigen Text geschrieben, dem man so etwas wie eine Wirkungsgeschichte attestieren könnte. Der allerdings verdient aufmerksame Lektüre. Er trägt den programmatischen Titel 'Provokation' und findet sich in dem bei Lehmkuhl ausgestellten Sammelband 'Die Spurbreite des schmalen Grats'."

  2. Nutzer gelöscht
    Nutzer gelöscht · vor 6 Jahren

    Der Einwand mit der Kanonisierung ist ein sehr guter, man sollte als Buchhändler wirklich aufpassen, mittels solcher Einordnungen keine übermäßige Relevanz rechter Schriften und einhergehend eine weitere Polarisierung zu konstruieren. Ob er als Rechtfertigung für die Absage fungieren kann, bleibt trotzdem fraglich, denn Frau Stokowski fordert in ihrer Begründung vom Buchhändler schon sehr klar eine deutliche weltanschauliche Haltung. Und diese Forderung kann man, wenn einem gesellschaftlicher Pluralismus am Herzen liegt, schon als bedenklich ansehen. Nichts desto trotz ist die Reaktion von Herrn Lemling überzogen und persönlich beleidigend. Das kann man durchaus souveräner machen.

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