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Kurator'in für: Fundstücke Medien und Gesellschaft
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Ende August triellierten sich Armin Laschet, Olaf Scholz und Annalena Baerbock. RTL und n-tv gaben der Veranstaltung einen vielsagenden Titel: "Wer war am besten?" Diese Frage fasst nicht nur das erste TV-Triell gut zusammen. Sie spiegelt auch wider, wie Medien über den Wahlkampf berichten: Die politische Auseinandersetzung wird kommentiert wie ein Pferderennen.
Diesen "Horse Race Journalism" beleuchten Michael Borgers und Stefan Fries in einem Hintergrund für den Deutschlandfunk. In den knapp 20 Minuten kommen mehrere Expertïnnen zu Wort, die deutlich machen, dass die Art der Berichterstattung womöglich auch die Wahlentscheidung beeinflusst:
Diese TV-Duelle können schon sehr wichtig sein, um sich auch bei Themen eine Meinung zu bilden.
Das sagt Frank Brettschneider, Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim in Stuttgart. Der Wahlkampf 2021 unterscheide sich von früheren Bundestagswahlen:
Wir haben das diesmal nicht nur im Rahmen der heißen Phase des Wahlkampfes, sondern wir hatten das auch schon viel früher bei der Kandidatenentscheidung innerhalb der Union. Wer hat denn da die besseren Karten? Laschet oder Söder? Da ging das eigentlich los. Und dann hat man geschaut, analog dazu: Wie sieht das bei den Grünen aus? Habeck oder Baerbock?
Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik tritt die Amtsinhaberin nicht wieder an. Um ihre Nachfolge bewerben sich mit Laschet, Scholz und Baerbock zwei Kandidaten und eine Kandidatin, die alle eine realistische Chance haben (zumindest sah es lange Zeit so aus).
Dieser Wahlkampf ist also ungewöhnlich, und das macht ihn für viele Medien spannend. "Horse Race Journalism" berge jedoch die Gefahr, komplexe Themen auf ein simples Narrativ zu reduzieren, sagt Wahlforscher Thorsten Faas:
Am Ende geht es um eine Frage: Habe ich gewonnen, habe ich verloren? Wer hat gewonnen? Wer hat verloren? Und es ist schon sehr, sehr wichtig, weil es diesen hohen Stellenwert in der Debatte hat.
Journalistïnnen stützen sich bei ihren Analysen teils auf Umfragen: Wie hat das Publikum das Triell erlebt, wen sehen sie vorn? Diese Umfragen sind aber längst nicht so aussagekräftig, wie Medien teils suggerierten. Oft fehlen wichtige Informationen über die Erhebung, etwa die Zahl der Befragten, der Zeitpunkt der Befragung und die genaue Formulierung der Frage. Kommunikationswissenschaftlerin Christina Holtz-Bacha wünscht sich deshalb mehr Transparenz:
Es gibt bestimmte Kriterien, die eigentlich mitgegeben werden müssen in der Umfrageberichterstattung, weil es wichtig ist zu wissen, wann wurde eine Umfrage durchgeführt und mit welcher Frageformulierung, was war die Stichprobe. Das sind wichtige Informationen, die es uns erlauben, die Umfrageergebnisse richtig einzuschätzen und zu interpretieren. Wir wissen allerdings aus der Forschung, dass das oft nicht der Fall ist.
Das Radio-Feature zeichnet nach, wie solche Umfragen seit Monaten immer wieder in die Berichterstattung eingeflochten werden, um die eigene Position zu untermauern oder Fragen aufzuwerfen. Bis zu einem gewissen Grad ist das legitim, doch das Ausmaß wirkt etwas übertrieben:
Wer führt im Rennen, wer liegt hinten, wer holt auf? Diese Fragen spielen nicht nur in viele Berichte hinein, auch die Umfragen selbst ziehen eine umfassende Berichterstattung nach sich. Allein im Juli und August haben die acht größten Umfrageinstitute zusammen mehr als 50 Ergebnisse von Sonntagsfragen veröffentlicht – also im Schnitt alle ein bis zwei Tage.
Zwei Trielle stehen noch an – und damit wohl zwei Diskussionsrunden, in denen es wieder um eine Frage gehen wird: "Wer war am besten?" Das ist ein wenig ermüdend, könnte aber auch Vorteile haben, sagt Kommunikationsforscher Brettschneider:
Es wäre negativ nur dann, wenn es nur diese Art von Berichterstattung gäbe. Aber wenn sie denn das Ziel verfolgt, damit Interesse zu wecken, und dann gibt es für diejenigen, die sich interessieren, auch eine tiefergehende, themenbezogene Berichterstattung, dann wäre das das perfekte Match. Also auf der einen Seite aufmerksam machen auf die Wahl, Interesse wecken, auf der anderen Seite aber auch Stoff für Nachdenken liefern. Und dafür braucht es dann wieder die Inhalte. Problematisch ist nicht der Horse Race Journalism, problematisch ist, wenn es nur Horse Race Journalism gibt.
Quelle: Michael Borgers und Stefan Fries Bild: picture alliance ... www.deutschlandfunk.de
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Es ist wie wenn Theaterleute Theater für Theaterleute aufführen: Sie verlieren den Normalen Bürger™ aus den Augen.
Was bringt es, vor den Augen des Zuschauers über die Zu/Abneigung des Zuschauers zu spekulieren? Diese enge Rückkopplung gefährdet in meinen Augen den inhaltlichen Wählerwillen. Mindestens!
Hyptothetisch wird mit dieser "Berichterstattung" lediglich dafür gesorgt, dass große Parteien ihre Kandidaten stabilisieren können, denn sie haben den größeren Pool an Spitzenkandidaten. Die Konzentration auf Personen/KanzlerInnen schadet den kleineren Parteien, die Inhaltlich näher am Bürger mehr bewegen wollen, auch gerade weil sie keinem Ausbildungskader entstammen. Ein Schelm, wer sich dabei denkt, die Großen hätten entsprechenden Einfluss auf die Medien genommen.
Zum Teil legitim. weckt vielleicht auch bei einigen durch Spannung Interesse... Aber Journalismus darf da nicht stehen bleiben. Die Journalisten sind keine Wahlkampfmanager...
Man könnte noch Turmspringen-Journalismus hinzufügen:
"Perfekte Ausführung, hat sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und geliefert, als es darauf ankam. Gute Körpersprache und Dynamik. Ich vermute: Note 9,4. Die kleinen Platscher am Schluss fallen im Gesamteindruck nicht groß ins Gewicht. Was sagt die Jury im Blitzurteil?"
Dieser perfekte Match ist aber nun einmal nicht die Realität.
Unter Horse-Race-Journalism wird ja häufig nur der Fokus auf Wählerumfragen gemeint. Das Problem ist aber viel größer. Im politischen Journalismus ist der Blick durch die Taktikbrille dominant geworden. "Wie souverän war der Auftritt von Laschet?", "Wie wird es sich auf die Wählergunst auswirken, dass Scholz einem Linksbündnis keine klare Absage erteilt hat?", "Warum agiert die Kampagne von Baerbock so unprofessionell in der Plagiatsaffäre?".
Wenn man das für die Problembeschreibung des politischen Journalismus zusammenrechnet: Horse-Race-Journalismus, Tactical-Framing und Personalisierung, dann ist das die dominante Form von politischem Journalismus. Das ist keine Brücke und kein Einstieg zur inhaltlichen Auseinandersetzung. Das ist eine Verdrängung.
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