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Quelle: privat
Viele Besucher bei den Holzkunsttagen in Blandikow
BLANDIKOW - Voriges Jahr war es ein bisschen zu warm, dieses Jahr ein bisschen zu nass – zumindest am Sonnabend. Aber über mangelndes Interesse musste sich Karsten Bork nicht beklagen. Trotz Regens kamen viele Interessierte nach Blandikow und schauten den Künstlern auf die Kettensäge und staunten, wie schnell und sauber sich mit einem Hochdruckgerät so ein Baumstamm entrinden lässt.
Gegen Ende meiner Studienzeit meldeten ein paar Kommilitonen und ich uns für das größte „Studi-Turnier“ der Stadt an. Sonst kickten wir sonntags auf dem Bolzplatz und waren gelegentlich gut genug, um an einem Gegenspieler vorbeizukommen, meistens aber so schlecht, dass wir den anschließenden Schuss über den Zaun auf den Tennisplatz holzten, mitten hinein in die blondierte Konzentration der Tennisdamen aus der Vorstadt.
Bei der Gruppenauslosung galten wir als „krasse Außenseiter“. Die anderen traten seit Jahren in eingespielter Besetzung auf oder kickten in der Verbandsliga. Unseren Kleinmut trugen wir entsprechend im Team-Namen: Wir nannten uns „Der olympische Gedanke“. Und wurden Gruppensieger!
Drei Spiele, keine Niederlage. Wir gewannen sogar gegen das als übermächtig geltende „Forever VWL“, eine fiese Rotte viel zu netter Volkswirtschaftsstudenten, die alle Michi hießen. Ein Fußballmärchen, winzig, aber Märchen, wurde wahr. Es roch nach Bänderriss bei Ingo und schmeckte nach warmem Bier in der Pausen vor dem nächsten Spiel.
In der ersten K.O.-Runde schieden wir kläglich aus. Nicht so schlimm, sagten wir, war doch trotzdem super, und dann sagten wir nichts mehr, tranken die letzten Biere und schlichen nach Hause, heiß duschen.
Etwas Wesentliches blieb unausgesprochen: Etwas über Triumphe, ganz gleich, wie klein die sind, etwas über die Kameradschaft, etwas über das Verstreichen der Zeit. Unsere Wege würden sich bald trennen. Für einige ging das Studium zu Ende, Frank würde sein Juraexamen endgültig nicht bestehen (wobei er das noch nicht wusste) und Ingo nach Spanien oder Ingolstadt ziehen .
Bis zur Lektüre von J. L. Carrs fantastischer Novelle fand ich für unser sportliches Kleinstwunder und die gute Zeit mit den Jungs nicht die treffenden Worte. Dabei ist es sehr simpel: „Jene Tage mit all ihren Höhen und Tiefen werden sich nicht wiederholen! Ebenso wenig, wie die vertrauten Gesichter je wieder an einem Ort zusammenkommen werden.“
Diese Erkenntnis ereilt Joe Gidner, den Erzähler von Wie die Steeple Sinderby Wanderers den Pokal holten. Mr. Gidner soll die „offizielle Chronik“ zum fantastischen Pokalerfolg des winzigen Dorfvereins verfassen, da er sich mit „Schreiben“ seinen Lebensunterhalt verdient, auch wenn es sich bloß um das Schreiben von Versen auf Grußkarten handelt. Gidner, ein verhinderter Theologe, gestrandet in der Provinz und in einem nicht eben interessantem Job, gewinnt durch seine Tätigkeiten für den Verein (er ist zuständig für alles, außer für das Treten des Balls) beim Durchmarsch seiner Mannschaft zum Pokalsieg etwas Selbstachtung zurück, überhaupt einen Sinn im Handeln und Denken.
Sinnfindung: Zu bedeutungsschwer? Ist doch auch mal schön. Carr bevölkert sein fiktives englisches Dorf mit Männern und Frauen, die alle irgendwie Sinnsuchende sind und denen Fußball, oder genauer, das Protagonist-Sein in einem Fußballwunder, die Bürden des von Zuckerrüben umzingelten Provinzalltags erleichtert.
Es gibt den Alkoholiker, die religiöse Fanatikerin, den Pfarrer, den Milchmann und mit Mr. Fangfoss auch eine Art Monarch, dem so ziemlich alles in Steeple Sinderby, inklusive Fußballverein, gehört („Von Fußball hatte er nicht die geringste Ahnung“).
Trotz des fußballerischen Ausnahmezustands bleibt Dorf: Dorf. Und Mensch: Mensch. Der schwierige Charakter wird in den Dienst der Mannschaft gestellt, aber bleibt schwierig. Das Talent zu Zirkusnummern wird umgemünzt zum Talent, Bälle zu fangen. Das Abstellgleisige fährt zum Finale im Wembley-Stadion und hat Fans. Auch so etwas wie Liebe findet auf einmal doch statt, die religiöse Leere füllt sich, wenn auch mit absurdem Sektenzeug. Bloß die Krankheit können der Sport, der Zusammenhalt, der Erfolg nicht heilen. Das ist selbstverständlich, rührt aber dennoch an: Das Zerbrechliche des Lebens bleibt auch im Märchen fragil.
Das Bedeutungsschwere kommt bei Carr leicht daher. Was wäre die englische Provinz, ja Provinz überhaupt, wenn man sie nicht mit Humor erzählen würde? Eine graue, braune, verregnete, verhärmte, Tag um Tag der Illusion auf bessere Tage beraubte Liaison zwischen Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit und Aggression. Carr spart die Tristesse aber auch nicht aus, die weniger heiteren Realitäten des ländlichen Zurechtkommens.
Carr ist auch im Erzählen ein stilistisch versierter Autor, dem haltlos übertriebene Spielberichte aus der Feder der jungen Lokaljournalistin mit dem wunderbaren Namen Ginchy Trigger ebenso gut gelingen wie die absurde Protokollprosa von Dorfversammlungen.
Wie die Steeple Sinderby Wanderers den Pokal holten ist ein Buch über Fußball, das jedem Fan eine Freude sein wird – schlicht deswegen, weil jeder Fan sich gerne ausmalt, wie das wäre, wenn seiner Mannschaft etwas derart Unwahrscheinliches gelänge wie der unerhörte Coup der Steeple Sinderby Wanderers.
Doch J.L. Carr will natürlich viel mehr. Mr. Gidner sagt ja selbst: "Was ist ein Spiel denn schon? Nichts weiter als ein Ball, der mal hierhin, mal dorthin rollt! Die wirklich faszinierenden Spiele ereigneten sich hinter der Bühne – unser heimisches Drama“.
Wir haben es hier mit einer Studie der Provinzdramen zu tun – der persönlichen, der infrastrukturellen, sie sind nicht schön und bleiben ungeschönt und stellen gerade deswegen auch ein Loblied dar auf das gemütlich ungemütliche Leben, fernab der ungemütlichen gemütlichen Großstadt.
Im Acker landet der Freistoß, über dem Acker schwebt die Sehnsucht. Unser aller Traum, dass da etwas unseren Weg kreuzen könnte – größer, als wir selbst – und uns mitnehmen könnte: zum Sieg, zur Geltung, zum Besseren hin, zur Erfüllung. Und das auch ein Talent aus uns fördert, mit dessen Einsatz wir zu Helden werden.
Meine Jungs und ich waren in einem sehr eingeschränkten Universum namens „Studentische Fußballturniere auf kleinem Feld“ einen halben Tag lang so etwas wie Helden. Ingo hat dank seines Bänderrisses damals Heike kennengelernt, die beiden waren immerhin ein paar Wochen zusammen.
Helden können nicht immer Helden sein. Es gibt auch sonst viel zu tun. J. L. Carr hat Helden erschaffen, die bleiben werden: In einem wirklich guten, wirklich komischen Buch über Mannschaftssport, über das Dorfleben, über das Verlangen nach ein bisschen Größe.
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...ich muss heute noch jemanden finden, dem ich erzählen kann, wie ausgerechnet ich dieses eine Tor gegen den übermächtigen MSC schoss und sich alle mehr freuten als ich...