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Quelle: https://www.klett-cotta.de/buch/Gesellschaft_/_Politik/Princeton_66/70058
Viele Besucher bei den Holzkunsttagen in Blandikow
BLANDIKOW - Voriges Jahr war es ein bisschen zu warm, dieses Jahr ein bisschen zu nass – zumindest am Sonnabend. Aber über mangelndes Interesse musste sich Karsten Bork nicht beklagen. Trotz Regens kamen viele Interessierte nach Blandikow und schauten den Künstlern auf die Kettensäge und staunten, wie schnell und sauber sich mit einem Hochdruckgerät so ein Baumstamm entrinden lässt.
Ich habe ein erzählendes Sachbuch gelesen, ein durchaus sehr gutes, es heißt Princeton 66: Die abenteuerliche Reise der Gruppe 47, geschrieben wurde es von Jörg Magenau, Literaturkritiker, und ich hatte zuvor wenig Ahnung von der Gruppe 47, irgendwie war bei mir nur so was in Richtung „Ältere-Herrschaften-lesen-einander-ihre-Texte-vor-und-Rauchen-in-Innenräumen-ist-noch-erlaubt" gespeichert, doch da mich die Welt der Lesezirkel magisch anzieht (ich bin selbst passives Mitglied in einem) und weil Gruppe 47 wahrscheinlich der wichtigste Lesezirkel war, den „die Bundesrepublik hatte", entschied ich mich für die Lektüre von Magenaus Büchlein. Zumal ich seine sonstigen Texte auch prima finde (auch ein super Grund war aber vor allem, dass ich das Buch als Geschenk bekommen habe vom Autor selbst), und ich wurde extrem belohnt: Die abenteuerliche Reise ist ein feines Kammerspiel, eine leise Komödie, ein Stück geschichtspolitisches Literaturtheater der besten Sorte, also schön die übersichtliche Einheit des Ortes/Zeit/Handlung (Princeton, 66, ein Treffen der Gruppe), auch mal albern, dann aber mit klugen Versatzstücken und Beobachtungen der sensationell angespannten Weltlage quergelegt zu den Anspannungen innerhalb der Gruppe zwischen den Politischen und den Unpolitischen und solchen, die auf eine besondere Art politisch sein wollen. Nämlich auch außerhalb ihrer Texte, was die anderen, die das lieber in ihren Texten taten, nicht guthießen, oder doch guthießen, aber das aus Eitelkeiten und Neid (»Eitel waren sie alle. Wer nichts von sich hält, der schreibt auch nicht.«) niemals ausgesprochen hätten und so weiter - alles also wie in einem Großraumbüro, halt mit Grass und Handke am Kopiergerät, und Böll kocht wieder Kaffee für alle, weil, ja, Magenau scheut sich Gott sei dank auch nicht vor Klatsch und Tratsch, denn seien wir mal ehrlich: Treffen Autoren aufeinander, kann das höchstens total harmlos und langweilig werden (immer wenn ich dabei bin), oder es fliegen die Fetzen. Und in Princeton 66 sind eben Fetzen geflogen vor der Kulisse aus Krieg und Kommunismus und aber auch Wer-eingeladen-wurde und Wer-nicht. Und was Magenau großartig gelingt, ist es, die einzelnen Gruppenmitglieder so zu zeichnen, dass sie vor dem Leserauge sowohl als Figuren einer eigentlich unmöglichen Inszenierung auf den Brettern der deutschsprachigen Literatur der Nachkriegszeit in den USA erscheinen, als auch leibhaftige Typen mit ihren „Schwächen und Stärken", es ist also eine Freude, Beobachtungen zu lesen wie:
»Das Milchgesicht mit Oberlippenbärtchen & Mädchenfrisur, das muss der junge Österreicher sein, den Unseld empfahl. Wie heißt der gleich?«
- über Handke, der zum ersten Mal dabei sein würde, und dessen Mädchenfrisur sich nach dessen Auftritt aber jeder gemerkt haben wird, oder über Grass, der ohnehin eher wie ein Despot, als wie ein Autor daherkommt:
»Dann kam Grass,nahm Platz auf dem elektrischen Stuhl, saß da in seinen unaufgeregten Cordhosen, ganz Grass,vom Schnauzer bis in die Socken«,
oder dann eben wieder der Identitätsstress:
»Deutscher zu sein wurde größer und schwerer in Amerika, sie hatten zu tragen daran«.
Nach der Lektüre hatte ich dieses Gefühl: Ach, ich wäre damals so gern dabei gewesen, es muss schrecklich gewesen sein, und das ist doch das beste Gefühl, dass man nach der Lektüre eines Buchs haben kann, also bitte allen Menschen, die an Literaturgeschichte interessiert sind, im April 2017 schenken, danke.
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