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Klima und Wandel

Über den Luxus, aufzugeben – oder es gar nicht erst zu versuchen

Sara Schurmann
Freie Journalistin
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Sara SchurmannMittwoch, 21.12.2022

Die US-amerikanische Schriftstellerin Rebecca Solnit schreibt schon lange über Hoffnung. Sie hat viele politische Kämpfe der vergangenen Jahrzehnte begleitet und mitgekämpft und dabei die unterschiedlichsten Emotionen erlebt. In "Why climate despair is a luxury" erklärt sie, warum die Lust, Breitbeinigkeit und Überzeugung, mit der viele Weiße den Kampf gegen die Klimakatastrophe als verloren erklären, nichts weiter als ein unreflektiertes Privileg ist:

"The rage, to my surprise, came largely from middle-class white people. They seemed to see despair as a form of solidarity and hope as a betrayal. Underneath this was, so far as I could tell, the assumption that whatever the cause in question, it was doomed and so we could start mourning right away. But you shouldn’t mourn those who aren’t dead. Doing so stuffs the living into coffins, at the very least in your imagination."

Sie hat dieses Verhalten in vielen verschienden Kontexten beobachtet und beschreibt es anhand unterschiedlicher Beispiele:

"Native North Americans, from the 19th century into the 1990s, were regularly told – through artworks and by bureaucrats and signage in museums and national parks and history books – that their cultural or literal demise was inevitable. Non-native people widely believed it. I have met native people who were told to their faces they were extinct. The people who said these things often saw themselves as sympathising with those they regarded as history’s victims, but told this story in ways that reinforced it."

Diese Erfahrung hat auch der schwarze Freiheitskämpfer Martin Luther King gemacht:

"First, I must confess that over the past few years I have been gravely disappointed with the white moderate. I have almost reached the regrettable conclusion that the Negro's great stumbling block in his stride toward freedom is not the White Citizen's Counciler or the Ku Klux Klanner, but the white moderate, who is more devoted to "order" than to justice; who prefers a negative peace which is the absence of tension to a positive peace which is the presence of justice; who constantly says: "I agree with you in the goal you seek, but I cannot agree with your methods of direct action"; who paternalistically believes he can set the timetable for another man's freedom; who lives by a mythical concept of time and who constantly advises the Negro to wait for a "more convenient season." Shallow understanding from people of good will is more frustrating than absolute misunderstanding from people of ill will. Lukewarm acceptance is much more bewildering than outright rejection."

Inwiefern diese Ablehnung auch die Erfahrungen der aktuellen Klimaproteste widerspiegeln, hat der Professor für Klimapolitik Reinhard Steurer drüben auf Twitter gut zusammengefasst.

Eine weitere Ursache für die Ablehnung liegt oft (aber nicht immer) darin, dass wir nicht über das gleiche Ausmaß von Krise sprechen und daher unterschiedliche Maßnahmen für angemessen halten, genauer beschreibe ich das hier, hier und hier.

Auch Solnit sieht ein Gap zwischen den Informierten und Engagierten und denen, die sich kaum informieren und kaum etwas tun:

"I regularly come across people who are not as engaged as climate activists or as informed as climate scientists, who confidently proclaim that no one cares, no one is doing anything, the problems are insoluble, the solutions don’t exist or won’t work, and often even some version of either “Life on Earth will soon terminate” or “We are all going to die”. (...) Sometimes, powerful people seem to say it triumphantly, more eager to convince others than question their own assumptions or listen to scientists."

Nur diejenigen, die es sich im Moment noch leisten können, die Folgen der Klimakrise großteils zu verdrängen, können es sich leisten, aufzugeben – oder gar nicht erst aktiv zu werden:

"To hope is to risk. It’s to take a chance on losing. It’s also to take a chance on winning, and you can’t win if you don’t try (...). This begins by recognising that the future has not yet been decided, because we are deciding it now."

Wer aufgibt, wer verdrängt, tut das auch auf dem Rücken anderer. In "What Happened When I Tried to Carry the World on My Back" beschreibt die schwarze Autorin, Podcasterin und Klimakommunikatorin Mary Annaïse Heglar die Erfahrungen ihres Burn-outs und warum das, was im Klimabereich viele kennen, schwarze Frauen, wie so oft, noch einmal härter trifft.

Über den Luxus, aufzugeben – oder es gar nicht erst zu versuchen

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Kommentare 4
  1. Theresa Bäuerlein
    Theresa Bäuerlein · vor fast 2 Jahre

    Großartiger Text, der mich daran erinnert, dass Hoffnung oft als etwas Naives gesehen wird, während Pessimismus und Zynismus als “realistisch” gilt. Ist natürlich Unsinn.

  2. Dominik Lenné
    Dominik Lenné · vor fast 2 Jahre

    Ein Text über die großen Gefühle - Hoffnung, Erfolg, mögliche oder reale Niederlage. Sehr amerikanisch in seinem Ich-Bezug der Autorin, die eine Menge Kampagnen zu verschiednen Themen mitgemacht hat und mit einer Menge Leuten in deren Kontext in Interaktion getreten ist.
    Inwieweit ist der Text mit seinem Ansatz, seinem Hintergrund und seinen Kernaussagen auf Europa bzw. Deutschland übertragbar? Die Kern-Zielrichtung scheint beinahe banal: Verleugnung und Resignation sind beides Taktiken, um dem Einzigen, was zählt auszuweichen, dem zielgerichteten, mit tausend Schwierigkeiten behafteten Handeln. Sie ist auch schon an vielerlei Orten so benannt, siehe etwa die beißenden Cartoons von Léonard Chemineau https://www.leolinne.c....
    Mir scheint, Doomism ist bei uns nicht das Hauptproblem, sondern das Nichterkennen der sich vor unseren Augen entwickelnden Klimakrise als "richtige, echte" Krise, die entsprechendes Handeln nötig macht. 250 Jahre nach Kant ist dessen moralisches Gesetz, so zu handeln wie es richtig ist (sehr frei wiedergegeben), außer bei einigen im Autismus-Spektrum noch nicht richtig durchgedrungen - und das ist auch einfach menschlich. Man schaut weg. Wenn ich sehe mit welcher Nonchalance nach Kambodscha geflogen wird... Das ist kein Doomism, das ist Bequemlichkeit.

  3. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor fast 2 Jahre · bearbeitet vor fast 2 Jahre

    Wenn das Leben unsere Welt ein SF-Film wäre, würde jeder die Reaktionen der meisten (weißen und wohlhabenden) Länder für unrealistisch und klischeehaft halten.
    und bei anderen Spezies für unaufgeklärt und ungebildet.

    Wir aber leisten uns mitten im Feuer stehend darüber zu streiten wer welchen Feuerlöscher wie lange wohin richten soll. oder leugnen gar dass es ein Feuer gibt.

    Natürlich sind wir uneins über das Ausmaß und sogar die Art der Krise; dennoch gäbe es doch einen Minimalkonsens: wieso werden dann nicht wenigstens ein paar "kleinere" Maßnahmen getroffen?
    Allein schon zum "Befrieden"?

    Abgesehen von einer gewissen Krisenmüdigkeit glaube ich liegt das daran:
    durch die Corona-bedingte Zwangspause haben viele Menschen Freiheit geschnuppert, sind nicht mehr nur innerlich kündigen gegangen und erleben gerade eine Art Selbtermächtigung auf dem Arbeitsmarkt.
    Trotz Inflations- und Armutsängsten. Wobei letztere vielleicht genutzt werden, um abzulenken.
    Jede kleine Aktion pro Klima erscheint da vielleicht vielen Konzernen und (ihren?) Politikern als Dammbruch - gerade auch nach vielen Gesetzesänderungen Verfassungsgerichts-Urteilen und Umweltskandalen sowie nicht zuletzt nach der gesellschaftlichen Aufbrüchen der letzten Jahre wie Pulse of Europe und Fridays For Future.

    und populistische Bewegungen und Pegida-Gedöns liefern da herrlich passende Unterfütterung für "Sorgen besorgter Bürger ernst nehmen".
    interessanterweise wurde FFF schnell lächerlich gemacht von wegen "Die sollen lieber in die Schule gehen" etc. und Letzte Generation wird kriminalisiert.

    und tragischerweise können ausgerechnet DieGrünen derzeit nicht wirklich tun für was sie mit enormen Zahlen gewählt wurden (= fast vergessen dass sie zeitweise hat als KanzlerIn-Partei gehandelt wurden?) : Nämlich richtige schnelle Klima- und Umweltpolitik.

    und zwar weil sie anscheinend anders als die FDP nicht Opposition spielen will und durch den Ukrainekrieg beschäftigt intensiv damit eingespannt ist, Sozialpolitik und EnergieWirtschaft zu gewährleisten...
    (und das im Kampf gegen Störfeuer der anderen Ampeln und in Auseinandersetzung mit der eigenen Partei und den Wählern).

    tragisch weil wir eigentlich mal wieder keine Zeit verlieren dürfen.

    Und Krisen eben NICHT nach und nach hübsch einzeln bearbeitet werden können.

    Neues Jahr neuer Versuch...

  4. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor fast 2 Jahre

    Toller piq, toller Text. Danke!

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