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Kurator'in für: Technologie und Gesellschaft Medien und Gesellschaft Klima und Wandel
Irgendwas mit Medien seit 1996, Typograph, Grafiker, Blogger. Ask me anything.
Tik Root schreibt im Guardian einen Erfahrungsbericht über das Verbot von Smartphones am Buxton Internat in Massachusetts. Die Schule hatte in einem Experiment vor einem Jahr Smartphones am Campus untersagt und stattdessen das Light Phone, ein "Light Phone" verteilt, das mit rudimentären Funktionalitäten wie SMS ausgestattet ist, aber keinen Zugang zu Sozialen Medien und keine Kamera bietet.
Die Effekte des Verbots sind eindeutig: Soziale Real Life Kontakte und Interaktionen sind "through the roof", die Kids interessieren sich auf einmal für analoge Fotografie und hängen wieder miteinander rum. Der akademische Effekt lässt sich an dieser Schule aufgrund eines "narrative evaluation system" nur schwer ermitteln, aber ich denke, auch hier sind positive Entwicklungen mehr als wahrscheinlich.
Ich schreibe hier auf piqd seit langem gegen den Digitalisierungswahn der Bildung an, zuletzt hier und hier, und erinnere immer wieder daran, dass ein Großteil der wissenschaftlichen Studien eindeutig zeigt, "dass digitale Umgebungen das eigentliche Bildungsziel – zur Erinnerung: Lernen – untergräbt", und Smartphones an Schulen sind nur ein Aspekt dieses Digitalisierungswahns, der meines Erachtens nicht zu einem geringen Teil von wirtschaftlichen Interessen und lukrativen Staatsaufträgen für Tech-Unternehmen befeuert wird.
Eine weitere neue Studie hat jüngst (wieder einmal) gezeigt, dass Lesen auf Papier "deep Reading" ermöglicht, während an Bildschirmen nur oberflächlich gelesen wird. Die letzte Pisa-Studie hat auch in Deutschland einen eindeutigen Trend angezeigt: Seit 2012 schneiden Schüler unter anderem in Lesekompetenz immer schlechter ab. Zufälligerweise ist 2012 ebenfalls das Jahr, in dem die vieldiskutierte Teenage Mental Health Crisis ihren Anfang nahm, während gleichzeitig die Sozialen Medien ihren Siegeszug um die Welt antraten.
Erfahrungsberichte wie dieser und die jüngste Studie bestärken mich einmal mehr in meiner generell ablehnenden Haltung gegenüber digitaler Technologie für Heranswachsende, in meiner Einschätzung, dass Soziale Medien sehr wohl als hormonell wirksame Drogen angesehen werden können, und dass Bildschirme mit dem Bildungsauftrag der Schulen praktisch nicht vereinbar sind.
Digitale Medien, Smartphones und Computer haben, außer in dedizierten Unterrichtseinheiten zu Tech- und Medienkompetenz, im Unterricht nichts verloren, und ich halte es sehr viel mehr mit der Lehrerin Nina Marks, die im Artikel zitiert wird: "I would give every kid a journal and some really nice paint markers."
Vielleicht klappt's dann wieder mit Pisa.
Quelle: Tik Root Bild: Jutharat Pinyodoo... EN www.theguardian.com
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Danke für den interessanten Piq. Wie schön, dass die jungen Menschen wieder miteinander reden und kreative Tätigkeiten ausüben. Ich habe mich beim Lesen gefragt, ob es die Smartphones sind, die die Lernenden vom Lernen abhalten oder ob es eher die Ablenkungen sind, die irgendwo stattfinden, nur nicht in der Schule.
Der stark ausgeprägte Wunsch nach Aufmerksamkeit und die Angst, etwas zu verpassen (fomo), scheinen immer intensiver zu werden. Woran liegt das? Was war zuerst da? Das Bedürfnis, geliebt zu werden oder das Smartphone, das dieses Bedürfnis scheinbar erfüllt? Zumindest ist es ein Instrument, um Likes und Zustimmung zu sammeln und sich zu präsentieren, wie man gerne sehen werden will. Das tun ja auch Erwachsene in zunehmendem Ausmaß, Die neueste Studie kam ja gerade raus: https://www.zdf.de/nac...).
Auch hier die Fragen: Warum? und Wofür?
Kommentar Teil 2/2:
Social Media: Ja, Social Media sind schädlich auf Dauer. Der Umgang damit und die Vorbereitung der Kinder auf mögliche Gefahren muss allerdings erlernt werden. Die Gefahren werden nicht weniger, aber die Kids können diese besser bewältigen. Auch hier sind mehr die Eltern und Medienerziehung gefragt, in Zusammenarbeit mit den Schulen. Streng durchgesetzte Altersbeschränkungen wären vielleicht etwas.
Lesekompetenz:
Seit Jahren lesen Eltern immer weniger vor und reden weniger mit ihnen (sie hängen ja selbst am Smartphone) und lesen selbst keine Bücher/Zeitungen. Ich sehe dies als relevanter an, als es nur auf digitale Medien und die Schule zu schieben. Was glauben Sie wie viele Jungs sich durch ellenlange Texte im Games lesen und Englisch lernen - Baldurs Gate 3 hat dreimal so viel Text wie die Herr der Ringe Trilogie.
"Bildschirme mit dem Bildungsauftrag der Schulen praktisch nicht vereinbar sind."
Das ist einfach falsch.
Zum Schluss: Sie schreiben von den "wirtschaftlichen Interessen und lukrativen Staatsaufträgen für Tech-Unternehmen befeuert wird.", das verneine ich nicht, aber Sie beziehen sich hier gleichzeitg ironischerweise auf einen offensichtlichen PR-Artikel von "Light Phone" und steigen auch noch auf die Werbung ein. Das nenne ich doch mal Medienkompetzenz (nicht).
Neben dem Smartphone-Verbot werfen Sie weitere Themen oberflächlich in einen Topf. Weiterhin werfe ich Ihnen, ebenso wie z. B. ein Herr Spitzer, "Rosinenpicken" vor. Verstehen Sie mich nicht falsch, auch ich bin Kritiker, vor allem von "sozialen" Medien. Meines Erachtens vernachlässigen Sie aber die Komplexität der Themengebiete.
Smartphone-Verbot: Ein Internat kann man nicht mit einer normalen dt. Schule vergleichen. Sie leben da ja quasi. Selbst im verlinkten Artikel gibt es Kritikpunkte, die Sie hier einfach auslassen. Frankreich hat mit dem Verbot sehr gemischte Erfahrungen gemacht. In Deutschland kann das jede Schule selbst entscheiden und viele nehmen davon Gebrauch mit unterschiedlichen Ansätzen.
Hierbei gibt es viele Dinge zu beachten: Die Schule muss Ressourcen aufwenden, um das Verbot durchzusetzen. Setzt man auf Vertrauen, dass die Dinger in der Tasche bleiben? Werden sie eingesammelt? Wenn ja, worin? An vielen Schulen hat sich sogar negatives gezeigt, SuS sind gefrustet und verbringen weniger soziale gemeinsame Zeit in den Hofpausen, stattdessen nutzen sie heimlich auf den Schulklos ihre Handys.
Das Problem ist auch nicht die Smartphone-Nutzung an der Schule, sondern dass die Kids überhaupt ein Smartphone haben. Es liegt an den Eltern, die immer früher Smartphones verschenken, teilweise schon zur Einschulung. Da die allermeisten Eltern keine kompetente Medienerziehung leisten können oder wollen, empfehle ich Smartphones erst ab 14. Vorher normale Mobiltelefone reichen völlig aus für sorgenreiche Eltern, die gibt es noch zuhauf zu kaufen, da braucht es kein "Light Phone". Außerdem sind die Eltern, Geschwister und allg. die Gesellschaft schlechte Vorbilder zur Smartphone-Nutzung. Allg. muss man diskutieren wie sinnvoll Verbote allgemein sind im Vergleich zu einer eigenverantwortlichen, erlernten, sinnvollen Nutzung. Hier wäre es nach vielen Experten sinnvoller auf ebenjene Vermittlung von Medienkompetenzen zu setzen als alles streng zu verbieten.
Lernen mit digitalen Medien: Lernen mit und über digitale Medien ist nicht nur sinnvoll, sondern auch notwenig, weil wir in einer digitalen Gesellschaft leben. Hierbei müssen natürlich gute Konzepte angewandt werden, idealerweise in Projektarbeiten. Was spricht denn dagegen als alternative Prüfungsform selbst erstellte Erklärvideos, Infografiken, Fotoreihen, Podcasts usw. einzusetzen? Man kann digital gestütztes Lernen nicht verallgemeinern, und es gibt viele kleinteilige Studien, die sinnvolle Projekte aufzeigen. Stumpf einfach Tablet mit Heft auszutauschen bringt natürlich keinen Mehrwert. "dedizierten Unterrichtseinheiten zu Tech- und Medienkompetenz" - ergo eigene Fächer, das wird von den meisten Experten allerdings abgelehnt, der Ansatz ist eher Medienkompetzenz interdisplinär und fächerübergreifend zu lehren.
Digitalisierungswahn: Letztlich kann jede Schule selbst entscheiden, was sie bestellen und haben wollen, evtl. mit Einschränkungen vom Schulträger. Es gibt keinen einheitlichen "Digitalisierungswahn" in Dtl. Etliche Schulen sind noch in Analogistan unterwegs und auch dort lassen die Leistungen nach. Mit dem Digitalpakt wurden viele Fehler gemacht und ohne Konzept gehandelt, oft fehlt Wissen auf Schulträgerseite. Für die Politik sieht es aber erstmal gut aus, wenn Schulen Internet und digitale Tafeln und Tablets haben, das sieht nach was aus und kann man zeigen, das reicht der "Schaufenster-Politik". Verwaltung & Lehrkräfte brauchen moderne Arbeitsgeräte. 1/2
Hallo Herr Walter,
hilfreicher, weiterer Artikel der wieder aufzeigt, was wirklich zählt in der Schule - wahrhaftige Pädagogik geht nicht durch einen Bildschirm. Ich finde auch, es sollte ein Programm durch die Lands-Kultusminister aufgelegt werden, welche auf freiwilliger Basis Modellschulen einsammelt um das in Analogie zur Schule in Massachusetts auszuprobieren. Denn ich bin ähnlich wie Sie überzeugt: Es würde einen Run auf diese Schulen geben. Schade, dass das Light II Phone wohl noch nicht in Good old Germany verfügbar ist.(So wenigstens die Aussage auf deren Website)