Vor wenigen Tagen veröffentlichte der Guardian zwei Namen, die mutmaßlich im Zusammenhang mit AI-Software für nonkonsensuale Nacktbilder stehen. Demzufolge scheinen das Geschwisterpaar Dasha Babicheva und Alaiksandr Babichau aus Weißrussland die Businesses hinter der populären AI-Undress-Software "Clothoff" zu betreiben, gegründet zu haben oder zumindest eng mit ihnen zusammenzuarbeiten. 

"Clothoff" steht im Zentrum des ersten AI-Nacktbilder-Skandals vom September 2023, als bekannt wurde, dass eine Gruppe Minderjähriger an einer Schule in Spanien AI-generierte Nackbilder ihrer Mitschülerinnen in Sozialen Medien und in Chatrooms tauschten.

Auf Anfrage des Guardian streitete Alaiksandr Babichau jegliche Verbindungen zu "Clothoff" oder den beteiligten Firmen ab und beendete bei weiteren Nachfragen das Gespräch. Kurz darauf wurden die Guardian-Reporter von einem Telegram-Account geblockt, der angeblich nicht von Babichau betrieben wurde.

Noch sehr viel weiter als die Recherche des Guardian geht die von mir hier gepiqte und davon unabhängige Untersuchung von Bellingcat, einer Plattform für investigativen Journalismus, die auf die Enthüllung der geheimen Machenschaften ganzer Firmennetzwerke spezialisiert ist. 

Kolina Koltai, Michael Sheldon und Nathan Patin decken in ihrer langen investigativen Reportage ein weitverzweigtes Konglomerat aus Firmen auf, die unter Vorspielung falscher Tatsachen -- bis hin zum AI-generierten CEO -- eine ganze Reihe von sogenannten "Nudify"-Apps betreiben und diese mit Hilfe von Scheinfirmen und sogenannten "'Clothoff'-Dealern" monetarisieren. Diese Scheinfirmen helfen dabei, den Zahlungen der Kundschaft einen legitimen Anstrich zu geben und die Terms of Services der Payment-Dienste wie Stripe oder Paypal zu umgehen.

Interessanterweise finden beide Recherchen unterschiedliche Drahtzieher: Während der Guardian das Geschwisterpaar Babicheva/Babichau als mutmaßliche Betreiber von "Clothoff" identifiziert, hat Bellingcat eine ganze Reihe von Hintermännern ausgemacht, die hinter dem riesigen Firmennetzwerk stehen, das die insgesamt vier von den Journalisten untersuchten AI-Nackbild-Apps betreibt: Ein globales, unfassbar opakes Netzwerk von "Geschäftsleuten", Firmen und Scheinfirmen mit Sitz in Miami, Spanien, Lettland, London, den Arabischen Emiraten, Ukraine, Russland, Los Angeles und vielen anderen Orten.

Zusammengenommen ergibt sich aus beiden Berichten ein desolates Bild, das herkömmliche Shady Business Praktiken in den Schatten stellt. Globale Banden von Kriminellen nutzen frei zugängliche Open Source AI-Algorithmen zur Erstellung von Software für nonkonsensualen Porno/Nacktbilder und nutzen die Mechanismen des neoliberalen Kapitalismus, um ihre Machenschaften geschickt zu verschleiern: Den professionellen Betrieb von automatisierter Next Level Psychosexual AI-Violence.

Im Februar veröffentlichte 404Media einen Artikel über die Polizeiberichte zu den Untersuchungen eines Skandals um nonkonsensuale AI-Nackbilder an einer Highschool in einem Vorort von Seattle, wo 14jährige andere 14jährige mit AI-Software "nacktmachen" -- eigentlich ein Begriff aus der Hacker- und Troll-Szene, der vor allem "Doxxing" beschreibt -- und wo weder die Betroffenen noch deren Eltern noch die Schule noch die Polizei wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen.

Aufklärung an Schulen über die Hintergründe dieser kriminellen Machenschaften von global agierenden Banden, die den Hormonüberschuss vor allem männlicher Teenager gezielt ausnutzen, kommodifizieren, monetarisieren und ihre Gewinne aus automatisierten AI-Apps über fadenscheinige Firmennetzwerke abschöpfen, gibt es nicht, und wie lange Bildungseinrichtungen dafür brauchen werden, um auf diese neue Situation angemessen zu reagieren, ist fraglich. Immerhin diskutieren wir auch 30 Jahre nach dem Start des World Wide Web immer noch darüber, ob man Medienkompetenz als Schulfach braucht.

Nur eines kann ich garantieren: Das, was derzeit auf den Smartphones von vierzehnjährigen Schülern an einer Highschool in einem Vorort von Seattle passiert, geschieht überall.