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Technologie und Gesellschaft

Social Media verändert die Entwicklung des Gehirns von Teenagern

René Walter
Grafik-Designer, Blogger, Memetiker | goodinternet.substack.com

Irgendwas mit Medien seit 1996, Typograph, Grafiker, Blogger. Ask me anything.

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René WalterSonntag, 12.02.2023

Forscher haben in einer neuen Studie unter Schülern nachgewiesen, dass Teenager, die zu intensiverer Social Media-Nutzung neigen, Veränderungen in der Entwicklung des Gehirns aufzeigen: Sie sind "hypersensitive" für das Feedback ihrer Freunde. Die Forscher warnen vor einer "Moral Panic" und davor, die Studie zu überinterpretieren und weisen darauf hin, dass diese Ergebnisse viele Ursachen haben könnten.

Jonathan Haidt, über dessen Arbeit ich hier seit einigen Jahren schreibe, hat wenig später in seinem ersten Newsletter-Artikel dargelegt, warum es sehr wohl eine Epidemie von Mental Health-Issues unter Teenagern, vor allem unter jungen Mädchen, gibt und warum diese sehr wohl auf die Social Media-Revolution seit den 2010er Jahren zurückzuführen ist, und warum die Sorge um diese Entwicklung keinesfalls einer moralischen Panik zugerechnet werden kann.

Die oben genannte Studie ist nur ein weiteres, sehr gut passendes Stückchen in diesem Puzzle, das sich seit einigen Jahren schon zu einem recht klaren Gesamtbild formt:

Soziale Medien trainieren Menschen auf das Feedback ihrer Peergroup und in diesem Prozess werden ehemals "normale" sozialpsychologische Mechanismen überbetont. Loyalität wird zu Groupthink was wiederum zu Virtue Signaling führt -- und der konstante Stress durch soziale Vergleiche führt zu einem Anstieg von Mental Health-Problemen, eben und grade unter Heranwachsenden. (Die Erklärung für den übermäßig starken Anstieg unter Mädchen erklärt sich unter anderem mit der Natur weiblich konnotierter Gewalt, die oft in sozialer Form von Gossip und Angriffen auf die Reputation auftritt. Unsere Social Media-Welt ist wie geschaffen für diese Formen psychologischer Gewalt.)

Seit 10 Jahren beschäftige ich mich nun mit den psychologischen Veränderungen durch soziale Medien, und seit ebenso langer Zeit lese ich von angeblichen "moralischen Paniken" und davon, Studien nicht überzubewerten oder dass Soziale Medien auf die Psyche so wirksam sind wie Kartoffeln

Social Media ist aber nicht das Äquivalent zu Pommes Frittes, sondern zum Film "Mean Girls", einer berühmten 2004er Highschool-Comedy über Bullying unter Mädchen. Soziale Medien sind der Popularitätswettbewerb auf dem Schulhof, nur global, scaled up to the max, und ohne Rückzugsmöglichkeiten, und sämtliche Aspekte des Lebens sind diesem skalierten Popularitätswettbewerb unterworfen. 

In dieser Welt würde ich ebenfalls sehr genau auf das Feedback meiner Peers achten.


Social Media verändert die Entwicklung des Gehirns von Teenagern

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Kommentare 5
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor einem Jahr

    Braucht es wirklich "soziale Medien" um Menschen auf das Feedback ihrer Peergroup zu trainieren? Das ist doch nicht neu. Loyalität hing auch immer mit Groupthink zusammen.

    1. René Walter
      René Walter · vor einem Jahr

      Neu ist das nicht, aber schneller, größer, breiter, lauter, effektiver.

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      @René Walter Medial schneller und lauter - Ja. Es gab noch nie so viele Psychologen, keine so flächendeckenden Erhebungen von "Mental Health". Aber Wellen von Hysterien gab es doch früher schon. Auch das intensive Lesen hat die Gehirne verändert. Man müßte es eigentlich mit historischen Prozessen vergleichen. In denen allerdings nur wenige Bürger Zugriff auf Medien hatten.

    3. René Walter
      René Walter · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl Ja, der Roman hat zB unser Denken nachhaltig verändert und im Wortsinne romantisiert.

      Was beim Lesen in Sozialen Medien neu ist, sind direkte Feedback-Kanäle, öffentliche Sichtbarkeit des Gelesenen durch friktionsloses Sharing, die als parasoziale -- ich mag das Wort parasozial nicht, es beschreibt einseitige soziale Bindungen, was so nicht auf Social Media zutrifft, jedenfalls: -- als parasoziale Bindungsmechanismen funktionieren. Das tut Gelesenes der Vergangenheit nur bedingt.

      Dazu kommen eine Abwesenheit von narrativen Strukturen in den endlosen Feeds, die wir dann mit eigenen narrativen Strukturen füllen, vgl Begriffe wie Atemporalität und mythische Zeit, sowie ein bimodaler Charakter der Online-Kommunikation, die gleichzeitig flüchtig ist wie orale Kommunikation, aber auch fixiert wie Geschriebenes. Wir haben keine Ahnung, was die Langzeitwirkung dieser subtilen, aber fundamentalen Änderungen in der menschlichen Kommunikation bedeuten, und wie wir wissen: Kommunikation ist alles.

      Hysterie ist sicher nicht angebracht, aber eine kalte, umfassende, rigorose Untersuchung der Auswirkungen dieser neuen Medienumgebung auf die menschliche Psyche.

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      @René Walter Ok, damit kann ich gut leben. Die Menschen wußten eigentlich nie Genaues über die Langzeitwirkungen ihrer Innovationen. Nicht bei Kommunikationsmitteln und auch sonst nicht. Evolution ist offen. Man muß beobachten und reagieren…..

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