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Kurator'in für: Technologie und Gesellschaft Medien und Gesellschaft Klima und Wandel
Irgendwas mit Medien seit 1996, Typograph, Grafiker, Blogger. Ask me anything.
Ted Chiang, der vielfach ausgezeichnete Science-Fiction-Schreiber aus Washington und Autor der Kurzgeschichte, die die Vorlage zum ebenfalls mit Ehrungen überhäuften Film "The Arrival" bildete, hatte im vergangenen Jahr mit zwei vielbeachteten Texten im New Yorker-Magazin auf einige der fundamentalen Problematiken von AI-Technologie hingewiesen. Zum einen verglich er AI-Systeme mit "verschwommenen JPGs", zum anderen warnte er vor einer gefährlichen Externalisierung von Entscheidungsprozessen, vor "AI als Unternehmensberatung".
Nun hat er einen dritten Text im New Yorker nachgelegt, der in meinen Augen leider nur so mittel geglückt ist, den ich hier aber aus Komplettierungsgründen ebenfalls empfehlen möchte.
In "Why A.I. isn't going to make art" schreibt Chiang darüber, warum AI-Systeme wahrscheinlich niemals in der Lage sein werden, wirkliche Kunst zu erzeugen und das Problem des Textes beginnt bereits damit, dass "Kunst an sich" nur sehr schwer und möglicherweise gar nicht definiert werden kann -- was Chiang im Text auch zugibt, dann aber eben doch eine simple Definition findet ("art is something that results from making a lot of choices") und aus dieser Definition extrapoliert, AI-Systeme könnten keine Kunst produzieren, da die tausenden kleinen menschlichen Entscheidungen bei Wortfindung, Pinselstrich oder Komposition nun von einer Maschine getroffen werden, die mit diesen Entscheidungen aber gar nichts kommunizieren möchte und keine Intentionen hat, was allen künstlerischen Entscheidungen immer vorangestellt ist.
Chiang hat an dieser Stelle natürlich Recht: Jede Kunst ist ein Kommunikationsangebot, die eine "Idee" oder eine "Botschaft" in verschlüsselter Weise in sich trägt. Diese Kommunikationsfunktion ist in meinen Augen der Kern künstlerischen Schaffens: Die Kunst liegt meines Erachtens viel mehr in der Resonanz, die durch ein Werk geschaffen wird, als im Werk selbst -- die ekstatische Rezeption, das meditativ-hypnotische Versinken, die Kontemplation und ihre nachfolgenden Wirkungen auf das Denken und Weltbild des Betrachters/Zuhörers/Lesers und selbstverständlich all die Reaktionen und (im großen Erfolgsfall: gesellschaftlichen) Diskussionen, die durch ein Werk angestoßen werden. Und spätestens seit Duchamps grade im AI-Kontext oftmals zitiertes Werk "The Fountain" wissen wir, dass diese Resonanz eben nicht nur von filigranen Arbeiten ausgelöst werden, die tausende und abertausende kleinteiligster Entscheidungen involvieren, sondern auch von gradlinigen, simplen, manchmal subversiven, manchmal kommerziellen und einfachen Aktionen -- wie zum Beispiel ein Urinal zu kaufen, mit falschen Namen zu signieren und in einer Ausstellung einzureichen.
Doch es ist nicht nur Chiangs unterkomplexe Kunst-Definition, die diesen Text ein bisschen, nun, "unscharf wie ein JPG" macht, sondern auch, dass nicht wirklich klar wird, ob Chiang AI-Systeme als die Kreativen hinter der von ihnen generierten Bilder sieht, oder den Menschen der sie steuert. Chiang hat Recht insofern, als Künstliche Intelligenzen per se nicht kreativ sein können, da Kreativität eine menschliche Eigenschaft ist. So gesehen, ja klar: "A.I. isn't going to make art".
Aber menschliche Kreativität spielt, gerade im Bereich der High Art, oft mit Zufällen und Unberechenbarkeiten: Jackson Pollock hat beim "Malen" seiner Kunst nicht allzu viele Entscheidungen getroffen -- wahrscheinlich weniger Entscheidungen, als ein AI-Prompter. Trotzdem sind seine Werke viele Millionen Dollar wert, während die Zufallsergebnisse eines Prompters als "Diebstahl" beschimpft werden. Und Pollock ist sicher nur das offensichtlichste aller Beispiele, man denke nur an die Myriaden vom Zufall begleiteter Aktionskunstwerke und Arbeiten der Konzeptkunst, deren Ergebnis von keinem Künstler durch "tausende Entscheidungen" festgelegt werden kann. Als sich Susan Sontag in "The Artist is present" in ein Museum setzte, traf sie mit Sicherheit keine tausend Entscheidungen über die genaue Zusammensetzung und Timing der Besucher.
Auch geht Chiang schlichtweg über eine ganze Historie algorithmischer Kunst hinweg, die seit den 1960er Jahren grade in der Avantgarde schon immer mit den Mitteln des Zufalls spielte. Eins der prominenteren Beispiele jüngerer Zeit währen etwa die Arbeiten von Refik Anadol, einem türkischen Big Data-Künstler, der etwa Daten über die Sammlung des MoMA (Museum of Modern Art in New York) in einen Haufen großformatiger Installationen verwandelte. Ich persönlich finde Anadols Arbeiten sehr langweilig, würde aber nie anzweifeln wollen, dass sie künstlerische Arbeiten sind. Ein gelungeneres Beispiel in meinen Augen für erfolgreiche, gute AI-Kunst wären etwa die Arbeiten von Mario Klingemann, der AI-Modelle an eigenen Datensammlungen trainiert und sehr eigentümliche, fremdartige Kunst-Latent Spaces erzeugt. Freilich, A.I. hat hier keine eigene Intention, keine Botschaft mitzuteilen, bleibt stummes Werkzeug des Kreativen, der mit den Mitteln interpolativ erkundbarer Datenberge neue visuelle Wege beschreitet. Dennoch wären diese neuen Big Data-Ästhetiken, die von Klingemann oder Anadol hier erarbeitet werden, ohne A.I.-Technologie nicht möglich. So gesehen, obviously: "A.I. is already making art -- and has been for years".
Chiangs Text ist ein wertvoller Beitrag zu Debatte um AI und Kreativität, selbst wenn die "Quelle kreativer Agency" unklar bleibt (meint Chiang Menschen, die Kunst mit AI machen -- oder AI, die aus eigenen Motiven Kunst schafft, obwohl sie [noch] keine Motive hat?) und Chiangs technokratische Kunst-Definition seiner Argumentation im Wege steht.
Deshalb explizit zusätzlich zur Text-Empfehlung, hier noch zwei Artikel, die gegen Chiangs Lesart von AI-Kunst argumentieren:
Quelle: The New Yorker Bild: Jackie Carlise EN www.newyorker.com
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