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Pop und Kultur

Ein Kunstkritiker stirbt — und erinnert sich an das, was war

Oskar Piegsa
Redakteur DIE ZEIT
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Oskar PiegsaDienstag, 31.12.2019
Der Amerikaner Peter Schjedahl kam in den 1960er-Jahren nach New York, erlebte die Kunstszene, den Siegeszug der Rockmusik und den Feminismus, der Machogewohnheiten erschütterte.


Er war Dichter und Kritiker, hing mit den Fugs rum, nahm fragwürdige Substanzen (und verhielt sich dann wie ein Arsch), freundete sich mit Anselm Kiefer an, hatte eine unangenehme Begegnung mit Susan Sontag, besiegte seine Alkoholsucht, schrieb für alle wichtigen Magazine (Village Voice, Vogue, New Yorker...), schlief mit Männern (war so mittel), schlief mit Frauen.

Eigentlich genug Stoff für eine Autobiografie — und tatsächlich bekam Schjedahl sogar mal ein Stipendium, um eine zu schreiben. Er scheiterte daran. "I don't feel interesting", schreibt er, was für mich wie Koketterie klingt, und dann: "I don't trust my memories (or anyone's memories) as reliable records of anything — and I have a fear of lying", ein Satz, den ich mir ausdrucken und einrahmen möchte.

Dass Schjedahl jetzt doch seine Lebenserinnerungen teilt, liegt an einer Diagnose, die ihm sein Arzt am Telefon übermittelte und die ihn zum Schreiben brachte:

Lung Cancer, rampant. No surprise.

Ebenfalls "no surprise": Dass ein Autor, der mit diesem übercoolen Ton seine Memoiren eröffnet, nicht lange braucht, bis er das erste Mal Raymond Chandler zitiert. Schjedahls Sprache ist klar, aber zum Glück nicht immer so abgeklärt, und sein Text ist gespickt mit guten Gedanken:

To limber your sensibility, stalk the aesthetic everywhere: cracks in a sidewalk, people's ways of walking. The aesthetic isn't bounded by art, which merely concentrates it for efficient consumption.

Es ist diese Stimme — noch mehr als die Lust am Tourismus in anderer Leute Leben und im NYC der 1970er-Jahre — die mich beim Lesen dieses Textes die Zeit vergessen ließ.

Vielleicht ist das jetzt nur (m)eine Jahresend-Sentimentalität, aber wer noch ein paar ruhige Stunden hat, ehe die Hektik und das Heckmeck der Silvesternacht anbricht, dem/der sei dieser Text empfohlen.

Ein Kunstkritiker stirbt — und erinnert sich an das, was war

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