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Unterstützen uns Messenger-Dienste bei der Arbeit – oder halten sie uns von der Arbeit ab?

Ole Wintermann
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Ole WintermannFreitag, 10.05.2019

Wir alle kennen das Problem der zunehmenden Ablenkung durch Messenger-Dienste am digitalen Arbeitsplatz. Rani Molla fragt in diesem VOX-Beitrag, ob die App Slack nicht ein typisches Beispiel dafür ist, wie der Ansatz, Kommunikation zu vereinfachen, auch ins Gegenteil umschlagen kann. Sie zeigt anhand von Studien, dass das große Produktivitätsversprechen, mit dem diese Art von Messenger-Diensten vor 10 Jahren in der Breite gestartet sind, anscheinend nicht gehalten werden konnte. Die Mail-Flut wurde durch die Nachrichten-Flut der Dienste komplettiert. Sinkende Aufmerksamkeitsspannen, Depressionen und ein Absinken des IQ sind inzwischen nachgewiesene Folgen des exzessiven Umgangs mit diesen Diensten. 1.000 Slack-Nachrichten am Tag sind mittlerweile keine große Ausnahme mehr. Der Körper kann dann aber nicht mehr unterscheiden zwischen dem Aufpoppen einer Chat-Nachricht und einer realen Gefahr:

“We don’t perceive the difference between a leopard and a scary Slack message. You get enough of that into somebody and it becomes mentally problematic.”

Molla zeigt im weiteren Verlauf verschiedene Lösungswege auf. Technische Lösungen versuchen, automatisierte Regeln und eine modifizierbare Nutzeroberfläche anzubieten, damit die Software dem Menschen quasi die Arbeit der Strukturierung und des Selbstmanagements abnehmen kann. Richtigerweise zitiert Molla aber im weiteren Verlauf entsprechende Experten, die darauf hinweisen, dass zuerst die Art und Weise der Arbeit am Arbeitsplatz ("Deep Work"), die Unternehmenskultur und die Rolle der IT-Abteilung beleuchtet werden müssen, bevor Lösungen gesucht werden. Menschen müssen lernen, ihre Arbeitsweise anzupassen, die Unternehmenskultur darf Anwesenheit nicht automatisch mit Leistung gleichsetzen, interne Kommunikationsplattformen dürfen nicht zu den eigentlichen sozialen Medienplattformen werden und die Beschäftigten dürfen bei der Einführung neuer Kommunikations-Apps und -regeln nicht allein gelassen werden.

Unterstützen uns Messenger-Dienste bei der Arbeit – oder halten sie uns von der Arbeit ab?

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Kommentare 6
  1. Gabriele Feile
    Gabriele Feile · vor mehr als 5 Jahre

    Danke für diesen piq, auch wenn er ziemlich lang ist zum Lesen. Wieder einmal zeigt sich, dass das Lösen von "Problemen" nicht unbedingt sinnvoll ist, wenn es sich um Symptome handelt. Die Ursachen liegen meist woanders, und diese sind mit Apps und Software nicht aus der Welt zu schaffen.

    Fragen, die man stellen kann: Warum ist es notwendig, übergreifend zu kommunizieren? Weshalb arbeiten wir eigentlich nicht effizient oder effektiv? Können wir nicht oder wollen wir nicht? Wie können wir uns organisieren, damit es nicht zu diesem intensiven Kommunikationsbedarf kommt? Ist unsere Unternehmensform die richtige? Welche Informationen können wir so zur Verfügung stellen, dass Absprachen nicht notwendig sind? Welche Fähigkeiten brauchen wir, um effektiv mit anderen kommunizieren zu können und warum haben wir diese nicht (mehr)? Wie können wir diese (wieder) erlangen? Warum kommt es zu Missverständnissen? An welcher Stelle hapert es am meisten? Sitzen dort die "richtigen" Menschen? Sind die Ursachen emotionaler Natur und wie finden wir das raus? Wie genau sind die Teams zusammen gesetzt - und kann darin Kommunikation überhaupt funktionieren?

    Vielleicht fallen euch noch weitere Fragen ein...

    1. Werner Müller
      Werner Müller · vor mehr als 5 Jahre

      Meines Erachtens gibt es auch einen Zusammenhang zu vielen unserer "modernen" Arbeitsplätze, deren Sinn zunehmend darin liegt, viel zu kommunizieren und so zu tun, als sei das alles wahnsinnig wichtig. Siehe auch hier: https://hinter-den-sch...

    2. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor mehr als 5 Jahre

      @Werner Müller Absolut. Genau diesen Gedanken hatte ich auch. Den Artikel über "Bullshit Jobs" habe ich mir aufgehoben, weil er die Wahrheit sagt.
      Man kann so schön "busy" erscheinen, wenn man irgendwas tippt. Früher, in Zeiten von Memos auf Papier sagte man: "Wer schreibt, der bleibt!". Daran hat sich wohl nicht viel geändert. Es sind immer noch wir Menschen, die die Ursache sind.

    3. Ole Wintermann
      Ole Wintermann · vor mehr als 5 Jahre

      Das sind in der Tat viele Fragen - die zudem noch durch andere Aspekte ergänzt werden könnten. Ich erlebe immer wieder, dass die kulturelle Dimension und aber auch das Erlernen des Selbstmanagements vernachlässigt werden.

  2. Fritz Iversen
    Fritz Iversen · vor mehr als 5 Jahre

    Dass die positiven Effekte teilweise oder komplett an die negativen Effekte wieder verloren gehen, dieser Verdacht besteht gerade bei Slack schon länger.
    Die Frage ist, wo die Ursachen liegen? Es fällt als Erstes ins Auge, dass Slack wie die Consumer-Social-Media auf klebrige Netzwerkeffekte hin designt ist. Muss ein Workplace-Chat emotionale Reactions haben? (Ich würde da lieber über arbeitsbezogene Reactions nachdenken und das Smiley-Gewitter beseitigen.) Und ist es wirklich produktivitätssteigernd, die Exponentialfaktoren der Vernetzung durch alle möglichen Integrationen weiter zu erhöhen?
    Auf der anderen Seite können Ursachen auch bei den Usern selbst liegen. Wer sein Chat-Verhalten bei Whatsapp, Twitter, Instagram trainiert hat, hat logischerweise Mühe, plötzlich nur noch Benötigtes und dies möglichst klar und brauchbar mitzuteilen (Introvertierte sind paradoxerweise bei diesen extrovertierten Kommunikationsmitteln die angenehmeren Teilnehmer).
    Und nicht zuletzt muss man vermuten, dass das Mitteilungschaos nur ein organisatorisches Chaos im Unternehmen spiegelt (unklare Gruppenformationen, unklare Zuständigkeiten, unklare Prozesse, unklare Zeiten, ...).
    Aus diesen drei Perspektiven könnte man ein Produktprofil für einen asynchronen Workplace-Chat erstellen, der eine höhere Chance hätte, nicht nur eine neue Form von Überflutung zu generieren:
    1. Lieber direkt in einen Workflow integriert als Stand-alone für alles (ist auch von der Usability her vorteilhaft) ...
    2. Lieber geringe Ähnlichkeit mit Consumer-Chats (wenn überhaupt, ganz andere Standard-Reactions) ...
    3. Lieber weniger "Schweizer-Messer"-Tool als definierte Use-Cases ...
    4. Entschleunigende Überblicksfunktionen wären auch hilfreich ...
    Ein sehr gutes Überblicks-Dashboard für laufende Projekte und die Kommunikation dazu habe ich neulich ausgerechnet bei SAP gesehen (Ruum). Dort hat man sich offenbar gefragt: "Wenn ich länger weg war aus der Anwendung, wie bekomme ich blitzschnell & ohne Hektik die Einsicht, was in der Zwischenzeit gelaufen ist?" Diese Frage ist per se auf Entstressung angelegt und dämpft das "rapid & permanent"-Syndrom (beim Dashboard von TEXTL.net, an dem ich mitarbeite, war das übrigens auch der zentrale Aspekt).

    1. Ole Wintermann
      Ole Wintermann · vor mehr als 5 Jahre

      Danke dir für die Einschätzung, die ich größtenteils aus eigener Erfahrung auf jeden Fall teilen würde. Ich würde noch ergänzen wollen, dass das kulturelle Problem, dass sich im Kommunikations-Chaos niederschlägt, nicht (nur?) durch eine andere Technik adressiert werden sondern Anlass sein sollte, über die Kultur im Unternehmen nachzudenken.

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