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Klima und Wandel

UN-Forscher befürchten mindestens 3 Grad mehr

Nick Reimer
diplomierter Energie- und Umweltverfahrenstechniker, Wirtschaftsjournalist und Bücherschreiber
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Nick ReimerDienstag, 09.11.2021

Die Wissenschaft liefert immer neue Befunde, die zeigen, wie dramatisch die Lage des Klimawandels ist.

Beispiel eins: Vogelgesänge sind in den letzten 25 Jahren leiser und eintöniger geworden, wie eine Studie zeigt. Demnach ist in Europa bereits die Hälfte aller Feldvögel verschwunden, das sechste Massenaussterben sei in vollem Gange, diesmal von uns Menschen zu verantworten.

Beispiel zwei: Der Klimawandel wird die ärmsten Staaten besonders hart treffen. Bis zum Jahr 2050 werden die 65 ärmsten Staaten knapp 20 Prozent ihres heutigen Bruttoinlandsprodukts verlieren, zeigt eine Studie. Bis Ende des Jahrhunderts ist mit einem Rückgang von 63,9 Prozent in diesen Staaten zu rechnen.

Beispiel drei: Obwohl klar ist, dass das weltweite Abholzen das Artensterben und die Klimakrise verschärfen und obendrein das Ausbreiten von Pandemien begünstigen, wurde auf der Klimakonferenz in Glasgow beschlossen, dies erst 2030 bleiben zu lassen. Und obwohl das natürlich völlig unzulänglich ist, erklärten erste Waldstaaten, den eben noch mit ausgehandelten schwachen Vertrag selbst gar nicht einhalten zu wollen.

Ich frage mich: Wie halten das eigentlich all die Wissenschaftler aus, die uns die Lage der Welt mit ihren Arbeiten immer wieder neu vor Augen führen? Das Fachmagazin "Nature" hat im Vorfeld des UN-Klimagipfels COP26 anonym eine Umfrage unter den 233 noch lebenden IPCC-Leitautoren durchgeführt. Antworten kamen von rund 40 Prozent der Befragten. Sechs von zehn gaben an, sie würden bis zum Ende des Jahrhunderts eine Zunahme der durchschnittlichen Temperatur um mindestens 3 Grad Celsius gegenüber vorindustriellem Niveau erwarten. Im Pariser Abkommen wurde dagegen beschlossen, die Erwärmung auf "deutlich unter 2 Grad Celsius" zu begrenzen.

88 Prozent der Befragten bezeichneten die globale Erwärmung als "Krise", fast genauso viele gaben an, mit katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels noch zu ihren Lebzeiten zu rechnen. Knapp die Hälfte erklärte, die globale Erwärmung habe sie dazu gebracht, wichtige Lebensentscheidungen zu überdenken, etwa bei den Themen Wohnort und Kinderwunsch. Und mehr als 60 Prozent gaben an, der Klimawandel löse bei ihnen Angst, Kummer oder Stress aus.

Fast 60 Prozent der jungen Menschen sehen ihr Leben durch den Klimawandel bedroht – und werden von Zukunftsängsten geplagt. Die Bedrohung ist nachgemessen, der vergangene Oktober war weltweit der drittwärmste, derzeit ist es global 1,1 bis 1,2 Grad wärmer als im Durchschnittsniveau der Jahre 1850 bis 1900. Und Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann erklärt zum aktuellen Stand der Koalitionsverhandlungen: "Ich glaube, dass sich alle Seiten noch mal klarmachen müssen: Wenn wir in den nächsten Tagen beim Klimaschutz nicht zusammenkommen, drohen Neuwahlen."

UN-Forscher befürchten mindestens 3 Grad mehr

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Kommentare 16
  1. Volker Hoff
    Volker Hoff · vor 3 Jahren

    Ich bin kein Journalist, empfinde die gesellschaftlichen und vor allem politischen Entwicklungen (oder deren Ausbleiben) aber als zunehmend deprimierend. Wie halte ich das aus, wo ich mir nicht einmal nennenswertes Gehör verschaffen kann?
    Zuerst und vor allem natürlich durch Einmischung, durch Aktivismus, durch und dank vieler Verbündeter, die schon dadurch Mut machen, dass sie Einsichten, Sorgen und Ziele teilen. Die Erkenntnis, nicht allein zu sein, schafft noch keinen psychischen Wohlstand, für ein auskömmliches Grundeinkommen reicht es aber (mitunter).

    Ein Lerneffekt, der sich während der Mitarbeit bei Klima vor acht einstellte, ist der, dass bloße Informiertheit (oder das grundsätzliche Potenzial dazu) keine hinreichende Bedingung für gesellschaftliche Veränderung ist.
    Letztendlich macht es einen marginalen Unterschied, ob Leute etwas egal oder schlimm finden, wenn ihnen keine erstrebenswerte, lebenswerte oder wenigstens vorteilhafte Alternative geboten wird. Nicht aller Menschen Vorstellungskraft reicht über die kurzfristige und scheinbare Erfüllung durch immer mehr oder wenigstens beständigen Konsum hinaus.

    Und das bringt mich zu der beharrlich in meinem Kopf umhergeisternden Frage an die (hier vertretene) journalistische Zunft: Wenn es erprobte, aktuell gelebte und durchweg klimaverträgliche Formen gesellschaftlichen und (meinetwegen) wirtschaftlichen Handelns gibt, wieso finden die medial nicht oder bestenfalls in Form von skurrilen Randerscheinungen statt?

    Ich bin mittlerweile Teil der Utopistas und Anhänger vieler visionärer und optimistisch stimmender Initiativen. Das hat durchaus heilenden, aber weitgehend ungehörten Charakter. Wieso ungehört? Was hindert die Medien daran, die sozial-ökologische Transformation als längst im Begriff befindlich zu bezeichnen und (erzählend) zu beschreiben? Ich möchte wetten, dass manche dystopische und deprimierende Grundhaltung ihre erdrückende Last verlöre, wenn den berechtigten Aussichten auf Besserung mehr Raum geschenkt würde.

    Es spricht nichts dagegen und vieles dafür, dem ein weiterhin engagiertes Berichten über die Folgen wachstumsgläubigen und technikvertrauenden Beharrens und Fortfahrens zur Seite zu stellen. Es fiele dann vielleicht einfach leichter.

    Und nicht zuletzt: Menschen machen, was andere Menschen vormachen.
    Sofern sie davon erfahren.

    1. Daniela Becker
      Daniela Becker · vor 3 Jahren

      Vieles von dem was Sie da schreiben, ist auch genau das was Psychologen raten. Was die Medien angeht, versuchen wir das angesprochene bei Riffreporter umzusetzen. Natürlich gelingt das nicht immer bzw. geht das nicht immer. Dennoch sehe ich auch bei vielen Medien, den Versuch das besser zu machen. Natürlich mit noch viel Luft nach oben.

    2. Volker Hoff
      Volker Hoff · vor 3 Jahren

      @Daniela Becker Wir können gern beim Twitter-Du bleiben. ;-)
      Und ja, die Riffreporter neben manchen kleineren Medien nehme ich als positive Beispiele wahr. Ich neige dazu, die hiesige Lokalpresse zu behelligen. Irgendwie muss sich doch ein Weg finden, all die Bemühungen gesellschaftlicher Teilhabe aus dem Sumpf der vornehmend politisch konformistischen Berichterstattung zu ziehen. Und an den ehemals vorherrschenden langen Haaren gelingt das nur noch mäßig.

  2. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor 3 Jahren

    ...ich frage mich auch, wie hältst du das aus und alle anderen, die dauernd darüber berichten.
    ..und manchmal frage ich mich auch, wie ich das aushalte. Oder ob.

    1. Daniela Becker
      Daniela Becker · vor 3 Jahren

      Tun wir nicht. Traumatisierung von Klimajournalist:innen ist ein reales Problem, das aber noch null thematisiert wird.

    2. Michael Praschma
      Michael Praschma · vor 3 Jahren

      @Daniela Becker Ich verstehe das gut. Ich habe in einem vergleichsweise marginalen Fall zehn Jahre lang vergeblich gegen ein ökologisch blödsinniges Infrastrukturprojekt in meiner Region gekämpft. Auch journalistisch. Beim Klimaschutz bin ich auch immer nahe an der Depression. Es geht nur mit emotionalem Rückhalt meiner nächsten Umgebung und der Autosuggestion, dass ich tue, was ich kann und dass es das ist,
      worauf es ankommt.

    3. Nick Reimer
      Nick Reimer · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

      In den USA wurde speziell bei Klimawissenschaftlern eine neue Diagnose gestellt: das Prä-traumatische Belastungssymptom. Das Krankheitsbild ist ähnlich wie bei den Vietnam- oder Irak-Verteranen (Post-traumatisches Belastungssymptom: schwere Depressionen, Angstzustände, Willenlosigkeit etc.), nur dass in diesem Fall Auslöser nicht eine schreckliche Erfahrung ist, sondern das Wissen, dass schreckliche Erfahrungen auf uns zu kommen, weil wir nicht angemessen handeln.

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      @Nick Reimer Wenn man selbst die Probleme Venezuelas auf den Klimawandel zurückführt, dann muß man natürlich verrückt werden. Das zeigt aber auch, dass bei einigen Experten ein ziemlicher Bias wirkt. Also kommt die pessimistische Sicht auf den Klimawandel und die Welt nicht viel mehr aus unseren Wohlstandstraumata als umgedreht? Jedem mit realistischem Blick auf Menschen, Gesellschaften und ihre Staaten muß doch klar sein, dass solche internationalen Abkommen nie so direkt umgesetzt werden. Dazu sind doch die Interessen und auch die Lageeinschätzungen viel zu komplex und verschieden.

    5. Daniela Becker
      Daniela Becker · vor 3 Jahren

      @Thomas Wahl Ich denke, Sie sollten nochmal überdenken, ob dieser Kommentar und die Wortwahl dem Thema psychische Gesundheit gerecht wird. Danke im voraus.

    6. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor 3 Jahren

      @Thomas Wahl ...das was du hier so despektierlich als "verrückt werden" bezeichnest, ist der Schaden, den engagierte Menschen nehmen, weil sie seit Jahrzehnten mahnen, erleben wie sie und die Wissenschaft nur nicht recht behalten, weil es viel schlimmer ist und sie erleben, wie trotzdem nichts passiert.

      Und mit deiner Einschätzung, dass die pessimistische Sicht auf die Klimaentwicklung nur eine neurotische Wohlstandsmarotte wäre (was auch immer du damit meinst), hängst du glücklicherweise sogar hinter eiskalt kalkulierenden Industrieinvestoren fest.

      Falls das nicht rübergekommen ist: deine Wortmeldung finde ich sehr ärgerlich.

    7. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      @Marcus von Jordan Ich meinte damit nicht, dass die Wissenschaftler verrückt sind. Sorry, wenn das so rübergekommen ist. Was ich sehe, ist sogar eher eine apokalyptische Sicht als eine pessimistische. Der Klimawandel ist mit Sicherheit eine große Herausforderung. Gerade deshalb sollte man nicht alles, was auf dieser Welt passiert damit erklären. Angst vor der Apokalypse ist kein guter Ratgeber und ich halte den Tenor für gefährlich.

    8. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor 3 Jahren

      @Thomas Wahl Alles gut. Dass du mich aufregst, ist ja nichts Neues und eh völlig ok.

      ...aber wer meinst du denn wird oder ist verrückt geworden?
      Die Einschätzung derer, die sich damit befassen und seit Jahrzehnten recht behalten und nicht gehört werden, bewegt sich halt gerade von pessimistisch zu apokalyptisch. Ob das hilfreich ist weiß ich auch nicht. Aber das ist vielleicht auch nicht die Frage - sie können ja deshalb nicht was anderes sagen.

      Ich sehe nicht, dass jemand versuchen würde, alles damit zu erklären. Ich sehe sehr wohl, dass es auch dort Raum für Übertreibungen gibt und dass Presse dem Hang zum Negativen erliegt. Aber viel mehr sehe ich, dass sturheil relativiert wird. Und da frage ich mich warum. Und ob es vielleicht damit zu tun hat, dass nicht wahr sein darf, was ein grundsätzliches Umdenken erfordern würde. Und was vielleicht unsere Interpretation von Freiheit nach 1990 in Frage stellen würde.

      Aber vielleicht kannst du einfach "Wohlstandstraumata" noch mal erklären.

    9. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      @Marcus von Jordan Ich denke, mit einer so apokalyptischen Weltsicht, die eindimensional nur Probleme sieht, die dann alle der Klimaerwärmung zugeordnet werden, liegt die Gefahr nahe, das man "verrückt" wird. Klar, Klimawandel löst bei vielen Forschern Angst, Kummer oder Stress aus. Ich kenn das aus den 80er Jahren, als klar wurde, das mit der DDR und dem ganzen Sozialismus wird schief gehen und doch wenig passierte. Man darf sich aber doch davon nicht beherrschen lassen.

      Wenn heute, wie im Piq postuliert, fast 60 Prozent der jungen Menschen (in den wohlhabenden Ländern wie D?) ihr Leben durch den Klimawandel bedroht sehen und von Zukunftsängsten geplagt werden, keine Kinder mehr wollen dann stimmt doch etwas nicht. Der Klimawandel hat noch gar nicht richtig begonnen und schon ist alles katastrophal? Die Vögel zwitschern deswegen leiser, Venezuela versinkt im Chaos, die Ahr hat Hochwasser, jeder Hurrikan, der Hunger in der Welt (der eigentlich abnimmt), Pandemien - alles die Klimaerhitzung (Klimaerwärmung klingt ja so harmlos). Da glaubt man doch direkt, dass in 80 Jahren 3 Grad Erwärmung kommt, wenn nicht sofort alle aus der Kohle aussteigen. Aber genau dieses sofortige Aussteigen ist global technisch und wirtschaftlich völlig unrealistisch. Es würde ganze Regionen destabilisieren. Die Chinesen wissen das sehr wohl. Und das sind keine eiskalt kalkulierenden Industrieinvestoren sondern/aber kalte Machtpolitiker. Länder mit zusammenbrechenden Infrastrukturen und Versorgungslogistiken werden schnell unregierbar. Und schau nach Deutschland - wir reden seit 20 Jahren davon, dass wir ein paar Tausend Kilometer Stromleitungen brauchen und haben sie immer noch nicht. Weil zu viele Leute Angst haben, wenn diese vor ihren Häusern vorbeigehen. Dito Windräder. Kernkraftwerke müssen auch weg. Wieder die Angst ….. Aber alle Häuser isolieren, Millionen Heizungen auf Strom modernisieren, alles auf Elektroautos umstellen - das muß doch gehen? Durch schnelles "Umdenken"? Wie sollen durch Umdenken die ganzen Materialien herkommen, die Energien, das zu realisieren? Eine Jugend in Technik- und Zukunftsangst kann das nicht schaffen - obwohl das Wissen, die Technologien da wären - und wohl auch noch etwas Zeit. Eine Erwärmung um etwas mehr als zwei Grad ist nicht der Weltuntergang.

      Mein Vorwurf ist doch nicht das Engagement der Klimaaktivisten. Der Vorwurf ist, das sie sich vorrangig von ihren Gefühlen/Ängsten leiten lassen und eben nicht "eiskalt" und realistisch strategisch auch in komplexen Szenarien kalkulieren.

      Wohlstandstraumata - wenn alle Wünsche bisher erfüllbar scheinen, die Übel der Welt vor allem durch falsche Politik entstehen und man meint, zu wissen was richtige Politik wäre. Und wenn dann auf einmal klar wird, die Welt und die Menschen sind nicht so. Man selbst ist sterblich, der Wohlstand könnte krank machen, er wächst nicht mehr so und viele sind ärmer als man selbst. Und überhaupt, die Wirklichkeit reagiert anders als geglaubt ….. 🤔

    10. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      @Marcus von Jordan Ich bin übrigens auch ein engagierter Mensch. Ich weiß wie es ist, wenn eigene Warnungen nicht wahr genommen werden. Aber wie viele andere erlebe ich eben nicht, dass alles viel schlimmer wird. Ich erlebe, dass eine ganze Menge passiert - positiv wie negativ. Ich erlebe, dass der Anteil erneuerbarer Energien steigt, aber auch, dass Menschen, die zwar sagen, folgt der Wissenschaft, klimaneutrale Kernkraftwerke vor der Kohle abschalten. Und ich erlebe, das besonders im Wohlstand aufgewachsene Menschen riesige Angst vor der Zukunft haben und vor Technologien komplexerer Art. Sei es Gentechnik, Chemie oder eben Kerntechnik. Und das obwohl sie meistens wenig davon verstehen. Aber die eigene Befindlichkeit steht oft über allem. Kann nicht falsch sein. Man will die Menschheit retten und hat gleichzeitig wenig Vertrauen in diese. Aber auch das ist nicht neu. Die Warnung vor der Apokalypse begleitet die Menschheit schon lange. Und doch leben heute fast 7 Milliarden auf unserem Planeten ohne zu verhungern. Malthus behielt nicht recht.

    11. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor 3 Jahren

      @Thomas Wahl Gab halt noch nie eine Situation, in der Wissenschaft in der Lage war ein quasi-apokalyptisches Szenario zu berechnen und anzukündigen. Du machst eine Nostradamus-Nummer draus.

      Das die Lähmung aus Angst ein Problem ist, hab ich ja sozusagen geschrieben im Ausgangs-Kommentar. Deine Lösung scheint mir in erster Linie Relativierung zu sein, die eben die Sache nicht hergibt scheints. Schön wärs, ist aber leider nur ein weiterer Teil des Problems. Man könnte es auch einfach annehmen und entsprechend handeln und offen darüber nachdenken und diskutieren, wie wir uns verändern müssten, um etwas zu verändern.

      Gentechnik, Chemie, Kernkraft werden übrigens global mit Hochdruck weiterentwickelt. In Deutschland leistet man sich da viel Vorsicht und fährt erstaunlich gut damit seit Jahrzehnten. Aber selbst hier ist die Atomdebatte zurück, siehe nur die letzten zwei Wochen in allen großen Medien. Der Grad an Technikfeindlichkeit in unserer Gesellschaft wird aus meiner Sicht radikal übertrieben, weil es ablenkt von der Notwendigkeit zur Veränderung...also: "wenn wir nur ordentlich an Technik glauben, dann geht es auch ohne Veränderung". Doch die Angst vor technischen Lösungen ist nicht unserer Problem, sondern die Angst vor Veränderung.

    12. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

      @Marcus von Jordan Oh, quasi-apokalyptische Szenarien haben Wissenschaftler schon öfter durchgerechnet. Von Malthus, über die Atomkriegsszenarien, dem Club of Rome bis zum Supervirus. Oder hier https://www.zukunftsin...

      Es ist ja kein Problem ein Horrorszenario zu modellieren. Aber mit dem Ankündigen was dann in der Wirklichkeit der Welt so passiert, da versagt die Wissenschaft regelmäßig. Laut Club of Rome dürften wir m.W. schon gar kein Erdöl mehr haben zum verbrennen. Andererseits zeigt der Club of Rome auch, dass man immer ein Set von Szenarien braucht. Und dann sehen muß, welches von denen das wahrscheinliche ist. Szenarien sind keine Zukunftsvorhersagen und müssen immer neu bewertet werden. Der IPCC berechnet daher nicht ein Szenario sondern einen ganzen Set von diesen.Und wer heute daraus das RCP8.5-Szenario als realistisch und wahrscheinlich postuliert, der liegt hochwahrscheinlich falsch. Macht aber sehr viel Angst.

      Meine Lösung ist nicht Relativierung sondern Realismus. Deutschland ist erstens nicht der Ort für "die Lösung". Wahrscheinlich gibt es "die Lösung" gar nicht. Das hat was von magischem Denken. Es wird ein Ergebnis geben, das sich aus den vielen nationalen Wegen zusammensetzt. Aber nicht vorhersagbar ist! Und da sehen wir - realistisch - sehr differenzierte Strategien/Interessen. Wenn auch ein (zu)langsames Umschwenken zur Reduktion von CO2 zu sehen ist. Und da sehe ich zumindest einen Weg für D - nationale Szenarien zu erarbeiten/umzusetzen, die sich immer neu an dem globalen Prozess orientieren und unter den verschiedenen Bedingungen die Zukunft hier erhalten. Und eben nicht stur auf dem Schnellausstieg mit Wind und Sonne beharren (mit Gas als Back Up). Das schließt auch Szenarien ein, die auf eine Anpassung an stärkere Erwärmung setzten. Denn wenn der Rest der Welt nicht irgendwann mit zieht, dann können wir machen, was wir wollen - es wird dann wirklich viel wärmer.

      Ich finde übrigens nicht, dass D und Europa erstaunlich gut fährt seit Jahrzehnten - im Gegenteil. Die großen Unternehmen der Zukunftstechnologien entstehen schon lange nicht mehr hier. Auch wenn wir mit Biontech einen Treffer gelandet haben. Und wir sind heut nicht mehr in der Lage große Flughäfen, Atomkraftwerke oder digitale Infrastrukturen, Verkehrslösungen, eine funktionierende Armee, eine digitale/effiziente Verwaltung u.v.m. in absehbarer Zeit zu realisieren. Die Struktur unserer Industrie und die Infrastrukturen veralten rapide. Wir sind in Angst und Vorsicht erstarrt, haben eine große Klappe (sind wir doch angeblich Vorreiter für die Welt) und streiten über Gendersterne. In dieser Selbstbezogenheit, Selbstzufriedenheit sehe ich die Gefahr. Das zu relativieren und dann auf eine untaugliche Klimastrategie zu setzen, das endet wahrscheinlich schlimm. Also an Technik glauben hilft da nicht, man muß schon Technik machen. Dafür habe ich eigentlich immer gekämpft.

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