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Klima und Wandel

Tauender Permafrost: Auch Viren werden freigesetzt

Nick Reimer
diplomierter Energie- und Umweltverfahrenstechniker, Wirtschaftsjournalist und Bücherschreiber
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Nick ReimerDienstag, 29.11.2022

Permanent gefrorene Erde in Alaska, Nordkanada und weiten Teilen Sibiriens – auf 23 Millionen Quadratkilometern wirkt der Permafrost wie eine riesige Tiefkühltruhe: Im gefrorenen Boden sind gigantische Mengen abgestorbener Pflanzenreste eingeschlossen. Taut das Eis, werden sie durch Mikroben zersetzt und dabei Treibhausgase wie Methan, Lachgas oder Kohlendioxid frei. Allein im oberen Bereich der Permafrostböden stecken bis zu 1.600 Milliarden Tonnen Kohlenstoff – fast doppelt so viel, wie sich derzeit in der Erdatmosphäre befindet. Wird er frei, wäre das eine Katastrophe.

Forschern gilt der Permafrost als möglicher Selbstverstärkungsmechanismus des Klimawandels: Hat die Erdtemperatur einen bestimmten Wert einmal überschritten und das Tauen angestoßen, beschleunigen die dann frei werdenden Treibhausgase die Erhitzung noch weiter. Schon jetzt sind die Dauerfrostgebiete in Sibirien und Nordamerika drastisch geschrumpft, ihre Grenze hat sich um bis zu hundert Kilometer Richtung Nordpol zurückgezogen.

Nicht nur in Sibirien, auch in Nordamerika birgt die sich öffnende Kühltruhe weitere Gefahren. "Sonne weckt tödliche Bakterien im Permafrost", lautete im Sommer 2016 eine Zeitungsschlagzeile. Damals war es im Nordwesten Sibiriens ungewöhnlich warm, die Temperaturen kletterten auf bis zu 35 Grad Celsius. Plötzlich erkrankten Menschen an Milzbrand, einer hochansteckenden Krankheit, die seit 1941 in Sibirien als ausgerottet galt. Experten gehen davon aus, dass Sporen des Bacillus anthracis jahrzehntelang gefroren in vergrabenen Kadavern überdauerten und von den ungewöhnlich hohen Temperaturen wieder zum Leben erweckt wurden. Eine Epidemie konnte 2016 verhindert werden, weil die dünn besiedelte Region schnell abgeriegelt und mehr als 40.000 Rentiere geimpft wurden und es so gelang, die Übertragungswege zu kappen.

Jetzt ist es einem Forscherteam gelungen, 13 bislang unbekannte Virentypen aus entsprechenden Proben von im Permafrost verborgenen Kadavern nachzuweisen und wieder zu aktivieren, wie die Arbeitsgruppe in einer noch unveröffentlichten Studie auf bioRxiv schreibt. Bei einem der Viren schätzen die Forscher, dass es 50.000 Jahre im Eis überdauert haben könnte, bevor es im Labor in Zellkulturen erneut virulent wurde – ein neuer Weltrekord. Das Team hatte sie unter anderem aus der Wolle von Mammuts und den Eingeweiden eines eingefrorenen Wolfs isoliert. Die Forscher schätzen, dass es noch Tausende unbekannte Viren im Permafrost gibt, von denen manche womöglich auch Menschen infizieren könnten.

2014 gruben französische Forscher einen Riesenvirus aus, der zuvor 30.000 Jahre im Eis überdauert hatte. Pithovirus sibericum ist mit seinen 0,0015 Millimetern in etwa so groß wie ein Bakterium und gehört zu einer bis dato unbekannten Familie. Innerhalb der Gruppe der Riesenviren waren zuvor nur die Megaviren und die Pandoraviren bekannt. 2015 fanden Wissenschaftler im Permafrost dann den Sibirischen Weichvirus, Mollivirus sibericum: Auch dieser Erreger ist rund 30.000 Jahre alt und konnte im Labor wieder zum Leben erweckt werden. Klimaschutz wäre also offensichtlich auch deshalb besser, damit der Permafrost solche Geheimnisse genauso verborgen hält wie die Treibhausgase.

Tauender Permafrost: Auch Viren werden freigesetzt

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