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Klima und Wandel

"Biogas": Neuer Schildbürgerstreich der Regierung bei der Energiewende

Nick Reimer
diplomierter Energie- und Umweltverfahrenstechniker, Wirtschaftsjournalist und Bücherschreiber
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Nick ReimerDonnerstag, 11.06.2020

"Biogas" müsste eigentlich "regeneratives Gas" oder "Agro-Gas" heißen, denn "bio" in dem Sinne, wie wir es aus dem Bioladen kennen, ist bei seiner Herstellung so gut wie gar nichts: "Biogas" entsteht bei der Vergärung organischer Stoffe, was Abfälle aus der Grüntonne sein können, Tierjauche, vor allem sind es aber oft intensiv angebaute Energiepflanzen wie Raps und Mais – also mit Pflanzenschutz und jeder Menge Dünger.

Immerhin ist Biogas – chemisch ähnlich zusammengesetzt wie Methan – klimafreundlich: Es gilt als CO2-neutral, weil alles Kohlendioxid, das bei der Biogas-Verbrennung freigesetzt wird, zuvor während des Wachstums der organischen Stoffe aufgenommen wurde. Jahrelang war es deshalb stets aufwärts gegangen mit der Biomethanerzeugung, seit im Jahr 2006 im bayerischen Pliening erstmals eine Biogasanlage ihr aufbereitetes Gas ins Netz speiste. Bundesweit erzeugten die 219 Anlagen im Jahr 2019 insgesamt 9,8 Milliarden Kilowattstunden Biomethan – etwa 1 Prozent des deutschen Erdgasverbrauchs. Das Potenzial liegt aber bei etwa 100 Milliarden Kilowattstunden, schätzt die Dena. Zehn Prozent des heimischen Wärmebedarfs könnten also klimafreundlich gedeckt werden – statt Erdgas etwa aus Sibirien zu nutzen.

Könnten. Denn wie es um die Branche steht, ist ein neues Beispiel dafür, wie konfus die Energiepolitik der Bundesregierung ist. "Biomethan" ist in der Herstellung teurer als Erdgas, allerdings wird es zumeist direkt dort verbraucht, wo es hergestellt wird. Es ist also kaum Leitungsinfrastruktur notwendig, was Biomethan auch wirtschaftlich vorteilhaft macht, es muss nicht in teure Leitungen wie etwa die "Nordstream" investiert werden. Deshalb bekommen Hersteller einen Bonus in Höhe von 0,7 Cent je Kilowattstunde – weil das dezentral erzeugte Gas Netzkosten vermeidet.

Allerdings gewährt die Regierung seit dem Jahr 2010 diesen Bonus nur zehn Jahre lang – obwohl der Vorteil für das Netz auch danach natürlich weiter fortbesteht. Ohne diesen Bonus aber lohnt sich die Biogasproduktion nicht mehr, eine mittelgroße Einspeiseanlage verliert rund 300.000 Euro pro Jahr. Bernward Janzing schreibt in der taz:

Frühe Anlagen, wie etwa jene der Stadtwerke im baden-württembergischen Mühlacker rutschten bereits tief in die roten Zahlen. Im badischen Forchheim hat Badenova den Wert ihrer Gasaufbereitungsanlage bereits per Sonderabschreibung komplett auf null reduziert und prüft wegen der Neuregelung bei den Netzentgelten inzwischen, ob der Weiterbetrieb überhaupt noch lohnt.

Erstmals ging als Folge dieser Politik 2019 die Produktion von klimafreundlichem Biomethan zurück. Energiewende? Was war das gleich noch mal?
"Biogas": Neuer Schildbürgerstreich der Regierung bei der Energiewende

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Kommentare 2
  1. Dominik Lenné
    Dominik Lenné · vor mehr als 4 Jahre

    Agrargas also.
    Was wäre wenn - - - Methan aus Russland mit einer Menge an zu kaufenden Zertifikaten belegt würde, die nicht nur seiner CO2-Emission entspräche, sondern auch der mutmaßlich bei der Methanproduktion anfallenden Leckage?

    1. Nick Reimer
      Nick Reimer · vor mehr als 4 Jahre

      Muss ja schon, etwa wenn Erdgas verstromt wird. Die Leckagen sind natürlich nicht mitberechnet: Trotzdem sind die Zertifikatspreise so niedrig, dass 0,7 Cent je Kilowattstunde wohl niemals erreicht wird.

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