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Klima und Wandel

Atomkraft als Murmeltier-Veranstaltung

Nick Reimer
diplomierter Energie- und Umweltverfahrenstechniker, Wirtschaftsjournalist und Bücherschreiber
Zum Kurator'innen-Profil
Nick ReimerDonnerstag, 23.06.2022

Stell Dir vor es ist Krieg und Russland, der Aggressor, stellt den Gashahn ab. Also uns Deutschen, nicht den angegriffenen Ukrainern! Dann hilft – laut Markus Söder (CSU) – die Atomenergie. Um eine Stromlücke zu verhindern, sei es notwendig, die deutschen "Kern"kraftwerke über das Jahr 2022 hinaus laufen zu lassen, sagte der Ministerpräsident von Bayern im Deutschlandfunk. Die Regierung müsse in dieser Lage ideologiefrei alle Optionen in Betracht ziehen.

Und alle so:

"Auf Atomkraft als Energieträger in der akuten Situation zu verzichten, lässt sich den Bürgern kaum vermitteln."

(Hier in der Aussage des ehemaligen "Wirtschaftsweisen" Lars Feld.)

Das ist natürlich völliger Blödsinn! Dankenswerterweise hat Kollege Malte Kreutzfeld in der taz dazu alles aufgeschrieben, was man wissen muss. Kurze Zusammenfassung: 

1. Aus Gas wird überwiegend Wärme produziert, nur 11 Prozent des in Deutschland genutzten Gases landen in Stromkraftwerken. Und diese können ganz überwiegend auch nicht durch AKWs ersetzt werden, weil die Atomreaktoren anders als Gaskraftwerke nicht flexibel hoch- und runtergefahren werden können, um Schwankungen der Wind- oder Solarenergie im Stromnetz auszugleichen. Ohne diesen Ausgleich droht der Stromausfall.

2. Auch AKWs brauchen einen Rohstoff, die Beschaffung neuer Brennelemente benötigt einen Vorlauf von mindestens eineinhalb Jahren, weil sie für jedes Kraftwerk individuell angefertigt werden müssen. Fun Fact am Rande: Nach Angaben von EURATOM bezog im Jahr 2020 die EU 20,2 Prozent des Urans aus Russland, weitere 19,1 Prozent kamen von Russlands Verbündetem Kasachstan. In Osteuropa sind 18 Atomkraftwerke sogar zu 100 Prozent von russischen Brennelementlieferungen abhängig.

3. Die Sicherheitsüberprüfung, die 2019 für die drei verbliebenen deutschen AKWs fällig gewesen wäre, müsste für eine Verlängerung der Laufzeit nachgeholt werden. Nicht einmal die AKW-Betreiber selbst wollen deshalb eine Laufzeitverlängerung, EnBW beispielsweise, Betreiber des AKW Neckarwestheim 2, steht nach eigenen Angaben uneingeschränkt zum beschlossenen Atomausstieg Deutschlands.

Malte Kreutzfeldt erinnert sich an Bill Murray im Film über den Murmeltiertag: Man wacht auf und erlebt immer wieder das Gleiche. So wie in der Atomdebatte: Jeden Tag findet sich derzeit ein Politiker oder eine Wissenschaftlerin, die mal wieder die Atomkraft als Lösung heilig spricht.

Bill Murray ist der ewigen Wiederholung des Murmeltiertags erst entkommen, als er zu einem besseren, selbstlosen Menschen wurde. Bei Markus Söder dürfte ein erster Schritt dazu sein, die Windkraft in Bayern endlich ideologiefrei zu betrachten und die unsinnigen Hürden, die er und seine CSU einst installiert haben, abräumt.

Dann klappt es auch mit dem Atomausstieg!

Atomkraft als Murmeltier-Veranstaltung

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Kommentare 2
  1. Nick Reimer
    Nick Reimer · vor mehr als 2 Jahre

    Man könnte auch sagen: Wann immer jemand "ideologiefrei" sagt, steckt Ideologie dahinter!

  2. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor mehr als 2 Jahre

    "ideologiefrei" :-)... eines dieser pseudo-Argumente die man sofort umdrehen kann...

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